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Kommentar von Antje Mayer

Matt und Mozart

Wenn man in Österreich den Namen Mozart hört, dann klingeln alle Alarmglocken. Das weiß jedes Kind, da ist die Tourismuswerbung nebst Zopferlromantik und Alpenkitsch nicht weit, da rollen unerbitterlich Mozartkugeln zu der „Die kleine Nachtmusik“. Wohl kaum eine Person, außer vielleicht noch die Kaiserin Sissi, die öfter für die Eigenwerbung des Landes Österreich herhalten muss. Das, was nämlich mit diesem Namen verbunden noch klingelt, ist der Geldbeutel. Der sitzt denn auch im Jubeljahr 2006 sehr locker. Da wäre „Wolferl“ Amadeus Mozart nämlich 250 Jahre alt geworden und deswegen soll es dann werbeträchtig eine Menge Veranstaltungen geben, die sich mehr oder weniger auf den berühmten Komponisten beziehen. Indes: Mit dem Mozartbezug nimmt man es nicht allzu genau, wie’s scheint.

„Es hat doch keinen Sinn, nun die tausendste Ausstellung über das Werk und Leben Mozarts zu bringen mit ein bisserl Musik im Hintergrund“, frotzelt Gerald Matt, Direktor der Kunsthalle Wien. Der wird sich selbst seinen Teil des geschmalzenen Mozartjahr-Budgets für Wien (gesamt über zehn Millionen Euro) sichern und mit Peter Sellars, dem Haus- und Hofregisseur Österreichs, Ende 2006 eine Mozartjahr-Ausstellung zeigen. „Diese soll sich um die Mozart-Themen Ritual, Magie, Revolte und Tod ranken. ‚Living and Dying’ lautet ein Arbeitstitel, wobei zeitgenössische Künstler, etwa vom Format eines Thomas Hirschhorn, mit Objekten aus dem Volkskundemuseum Wien, die ja im Grunde ‚materialisierte Rituale’ darstellen, arbeiten sollen. Auch Projekte im öffentlichen Raum werden geplant. Nach Sellars Wunsch soll das ganze Jahr in seinem Wiener Programm aber kein einziger Ton Mozart erklingen“, erklärt Gerald Matt gegenüber von Informationsdienst Kunst. Mozarttöne und das übliche Musik- und Kunsthistorische werde es ohnehin zu Genüge etwa in einer großen Albertina-Ausstellung 2006 geben, die die Architektin Zaha Hadid gestalten wird.

Man kann sich flüchtiges Schmunzeln nicht verkneifen, allgemeiner als „Leben und Sterben“ hätte das Ausstellungsthema für die Kunsthalle fast nicht sein können. Aber klar, wer würde das nicht so wie die alten Hasen Matt und Sellars tun. Geld, das da ist, erst einmal nehmen und dann kann man ja immer noch schauen, was das dann mit Mozart zu tun hat.

So ist es dann auch gar nicht verwunderlich, dass mit dieser Ausstellung und dem weiteren geplanten Programm von Sellars (Film, zeitgenössische Musik etc.) auch der Bau eines neuen „Haus der Kulturen“ auf der Donauplatte in Wien, dem neuen Hochhausviertel jenseits der Donau, ins Gespräch gebracht wurde. „So ein Haus in der Peripherie könnte den vielen Minderheiten in Wien und ihren Kulturen auf hohem Niveau Raum für Musik, Kunst oder Film bieten“, so Gerald Matt. „Dass ich Ambitionen auf einen Direktorenstuhl dort besitze, ist eine Zeitungsente der Stadtzeitung Falter“, ärgert sich Matt. „So einen Posten müsste doch jemand inne haben, der eine gute Beziehung zu den vielen Minderheiten der Stadt vorweisen kann, zu den Serben, Bosnier oder Afrikanern. Richtig ist allerdings, dass ich mit einer Machbarkeitsstudie für ein solches Haus beauftragt worden bin.“

Deren Ergebnis ist nicht verwunderlich: Wien würde durch so einen Ort aufgewertet, heißt es dort. „Das Mozartjahr soll nachhaltig sein und ein solches Haus würde das erfüllen“, ist Matts Meinung. Was eine solche Institution allerdings mit Mozart zu hat, konnte bis zu Redaktionsschluss nicht in Erfahrung gebracht werden. Egal. Minderheiten und Mozart, beides fängt mir „M“ an, wie „Multikulti“, und ein Haus der Kulturen scheint tatsächlich in einer völkerreichen Stadt wie Wien notwendiger als das zigste Kunstmuseum.

Bauen soll das Projekt im Übrigen jemand, der mit seinem extrovertierten Architekturstil so gut als Marke herzuhalten vermag wie Matt, Sellars oder eben Mozart: Wolfgang D. Prix von Coop Himmelb(l)au. Ihn und seine Architekturklasse an der Wiener Angewandten hat Peter Sellars gemeinsam mit dem Architekturzentrum Wien beauftragt, Ideen für ein solches Projekt und da Mozartjahr im Allgemeinen zu entwickeln, ohne Details zu verraten.

Auch Salzburg, man glaubt es kaum, wird übrigens Zeitgenössisches zum Geburtsjahr von Mozart präsentieren. Frankfurter Schirnhallen-Direktor Max Hollein, Kommissär des österreichischen Biennale-Pavillon 2005 in Venedig, wird mit Thomas Zierhofer-Kin, Fachmann für zeitgenössische Musik und unter anderem Leiter des Donaufestival Niederösterreich, vom 22.4 bis 16.7.2006 das Avantgardefestival „Kontra.com“ organisieren mit Musik, zeitgenössischer Kunst und Medienkunst. Na dann: Rock me, Amadeus!



erschienen im Informationsdienst Kunst
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