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Kommentar von Antje Mayer

Klotzen statt Kleckern

Die Albertina im Aufbruch

In Wien hängt zwischen der Oper und dem bekannten Judendenkmal von Alfred Hrdlicka derzeit nicht nur eine brütende Sommerhitze, sondern eine große Staubwolke und ein Höllenlärm in der Luft dazu. Die gute alte, seit ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nur notdürftig renovierte Albertina, wird derzeit auf Hochtouren totalsaniert. Mit ihren annähernd einer Million druckgrafischer Werken und rund 65.000 Zeichnungen, ist sie einer der größten und dem Gründungsjahr 1776 zudem frühesten Kunstsammlung der Welt. Unter der energischen Leitung des einstigen Kunstforumchefs Klaus Albrecht Schröder (Jahrgang 1955), wird sie derzeit zu einem modernen 18.000 m² großen Ausstellungshaus mit Studien- und Forschungsabteilung ausgebaut.

Und das in einem Affentempo: Am 17. März 2003 sollen alle öffentlichen Räume, drei neue Ausstellungsflächen nebst obligatorischem Café und Shop, die klassizistischen Prunkräume und der neue Basteieingang von Hans Hollein, mit zwei Ausstellungen eröffnet werden: „Edward Munch“ (bis 22. Juni) und „Die Geschichte der Fotografie. Von den Anfängen bis heute“ (bis 8. Juni). 2005/2006 folgt der Einzug in die umgebauten Verwaltungs- und Werkstättentrakte. Im Jahre 2009 (Schröder: „Wir versuchen das aber früher hinzukriegen“) werden dann endlich die wertvollen Meisterwerke, darunter prachtvolle Dürers, Rubens, Rembrandts, Michelangelos heimgeholt. Die lagern derzeit in der anschließenden Nationalbibliothek und ziehen dann in den neu angebauten, gleichwohl dann komplett computergesteuerten und hochgesicherten Tiefspeicher, den das Vorarlberger Architektenduo Steinmayr und Mascher heuer schon fertiggestellt hat.

Für dieses Megavorhaben hat Schröder die kolportierte Summe von 60 Millionen Euro, inklusive der für österreichische Verhältnisse unvorstellbaren Summe von 14,5 Millionen Euro privater Sponsorengelder aufgestellt. Diesen Goldsegen dürfte das Haus freilich dem guten Ruf der Albertina-Sammlung verdanken und den guten Beziehungen seines Chefs sowieso, der mit vielen Tugenden aufwarten kann, aber mit Sicherheit mit einer nicht: Bescheidenheit. Ob nun die Institution im Wiener Volksmund „Albrechtina“ heißt, weil Albrecht Dürers berühmter Feldhase (1502) dort sein Zuhause hat, oder nach neuesten Theorien damit auf des herrischen Hausherren zweiten Vornamen referiert wird, ist derzeit Gegenstand so manches Wiener Societytratsches. Die klaus-albrechtsche Strategie scheint jedenfalls zu fruchten: Klotzen statt Kleckern. „Wir mussten gleich alles umbauen und dafür habe ich nicht hundert kleine Geldgeber angesprochen, dafür war gar keine Zeit, sondern ein paar wichtige und potente und damit konnten wir schnell bauen.“

Mit der neuen Ausrichtung der Albertina als Ausstellungshaus, dürfte es im ersten Wiener Bezirk unter anderen mit MAK, dem Museumsquartier und dem Kunsthistorischen Museum bald mehr Museen. als Bäckereien geben. Angesichts des Trumpfblattes Albertina reagiert Schröder mit gewohnt unerschüttlichem Selbstbewußtsein und teilt im gleichen Atemzug an seine Mitspieler schlechte Karten aus: „Diese Museums-Konzentration kann in Wien nicht funktionieren: Es gibt keine Absprachen der Direktoren untereinander, es existieren zu viele Museen, mit zu wenig Geld, zu ähnlichen und zu schlechten Programmen, für die sich dann die Häuser auch noch gegenseitig die Themen abstechen.“ „Themen abstechen“: Das streitbare, ganz im Sinne Schröderscher „Aufmerksamkeitsökonomie“ der Medien- und Werbebranche entlehnte Vokabular, verweist offensichtlich auf eine neu anbrechende Epoche von Ausstellungskultur in Österreich, die sich bisher bekanntermaßen zuweilen unverschämt unverbindlich und müde gab.

Denn um was es heute im straighten Kunstpräsentieren letztendlich allein geht, weiß der energische Kunstmanager Schröder freilich ganz genau: „Ich will Kunst zeigen, ohne Frage, und das so vielen Menschen wie auch nur immer möglich.“ Das ist der Punkt, so einfach ist das und keine Widerrede.



erschienen in der Kunstzeitung Nr.72/Aug.02,S.6
Albertina -