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Kommentar von Antje Mayer

Keine Attitüden

3. Prague Biennale

Wer hätte das gedacht. Sie hat sich etabliert. Die „Prague Biennale“, die seit 2004 bisher zum dritten Mal -jedes zweite Jahr- vom charismatischen wie streitbaren Flashart-Macher Giancarlo Politi auf die Beine gestellt wurde (24. Mai bis 16 September 2007). Mit viel Enthusiasmus, wenig Geld und einer Brise kreativen Chaos. Aber das tut der Veranstaltung gut. Im Gegensatz zur großen Biennale-Schwester in Venedig, die im diesen Jahr annähernd zur gleichen Zeit stattfindet, ist dieser Schau in den 5.000m² großen postindustriellen Karlín Hallen auf der linken Moldauseite mit Schwerpunkt „Zentraleuropäische Kunst“ erfrischend unprätentiös, facettenreich, experimentierfreudig und dabei überschaubar. Junge Talente entdecken kann man dort auch noch, aus Ost und West; so streng sieht man das mit der Herkunft an der Moldau nicht.
Geographisch geordnet, wie in Venedig, ist in Prag kaum etwas, eher die Inhalte geben die Richtung der verschiedenen Schauen vor. Den „Expanded Paintings“ nimmt sich Maestro Politi mit seiner treuen Kollegin Helene Kontová heuer nun schon zum zweiten Mal an. Beide boten damit letztens viel Mischmasch aus ganz Europa. Muss man mögen. Ein spezieller Fokus soll heuer dabei aber auf der „Schule von Cluj“ liegen, einer Stadt in Rumänien, von der Giancarlo Politi (in typisch italienischer Übertreibungskunst?) behauptet, dass sie „neben Leipzig und Dresden eine Goldmine für zeitgenössische Maler“ sei. Man darf gespannt sein, ob der Kunstmarkt es ebenfalls so sieht.
Zum diesem Thema passt übrigens gut -die ebenfalls „euro-international“ bestückte- Ausstellung „Macho Painter“, die ausschließlich Malerinnen zeigt: „Eine Gegenreaktion auf die männerdominierte deutsche neoakademische Malerei“, heißt es dazu im Biennale-Programm.
Auch sonst sind die Frauen heuer im Prag stark im Kommen, etwa auf der Ausstellung „SECOND VIEW: New Czech and Slovak female photography“ (Kurator: Vladimir Birgus). Gerade viele Künstlerinnen aus der Slowakei und Tschechien (z.B. Lucia Nimcová, Daniela Dostalková oder Dita Pepe), aber auch viele aus Bulgarien oder Rumänien, taten sich in den vergangenen Jahren im Bereich Fotografie und Video hervor, wobei sie feministische Inhalte aus einer erfrischend neuen, unernsten Perspektive inszenierten.
Spannend dürften auch dokumentarische Ausstellungen wie „Czech Minimalism“ werden, die der tschechische Kurator Martin Dostál kuratiert. Sie konzentriert sich auf ein prägendes Kapitel tschechische Kunstgeschichte der sechziger bis in die achtziger Jahre. Genau die Jahre der Kunst in Ost- und Zentraleuropa im Übrigen, auf die sich die neue – überaus potente - Sammlung zentraleuropäischer Kunst der Erste Bank in Wien spezialisiert hat. Nicht zuletzt deswegen feiert die Kunst jener Epoche, etwa auch die Aktions- und Konzeptkunst, gegenwärtig ein phänomenales Comeback; was man auch an der Preisentwicklung der Werke gut beobachten kann.
Humor und Gesellschaftskritik sind auf der „Prague Biennale“ keine Attitüden wie im künstlerischen Aufmerksamkeitszirkus in Venedig, sondern selbstverständlich. Einiger Schrott, viele Angepasstheiten, nicht immer Erstklassiges freilich dürfte wieder mit dabei sein, aber das zeitweilige Scheitern wirkt sympathischer als die glatten Oberflächen so mancher globaler Durchschnittskunst.



Erschienen in der Kunstzeitung 5/2007
Link:Kunstzeitung - Link:Prague Biennale - Link:Kontakt.Die Kunstsammlung der Erste Bank -