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Kommentar von Manuela Hötzl

Political Belief

Lebbeus Woods in the MAK Gallery, Vienna

Kein Architekt würde jemals behaupten, mit seiner Architektur nichts verändern zu wollen. Politische Aspekte oder auch aktionistische scheinen dagegen im ökonomisch geprägten Museumszweitalter immer weniger im Mittelpunkt der Architekturproduktion zu sein. Lebbeus Woods hat diese experimentelle Denkweise seit den 70ziger Jahren nicht verlassen und thematisiert nun mit der Ausstellung „System Wien“ den „architektonischen Stillstand“ der Wiener Innenstadt. Die Basis bildete das nie realisierte Projekt„Siteline Vienna“, das Woods schon 1998 für die Wiener Festwochen konzipierte. Damals sollte eine Linie zwischen dem MAK und dem Parlament gezogen werden, um Macht und Kultur sichtbar im städtischen Raum kurzzuschließen. Linien befinden sich nun auch in Form von Drahtseilen in der kleinen MAK Galerie. Diese dreidimensionalen Vektoren spannen und verspannen den Raum, lassen nur wenige Durchgangsmöglichkeiten und bieten dem Besucher einen schwierigen Parcours. Linien an der Wand bilden wie Schatten erneut Kreuzungen, Verknüpfungen und zeichnen die Energiepunkte der Stadt nach, die Woods mittels Raster für einen visionären Entwicklungsplan entworfen hat. Wien müsse sich in einem Europa der Veränderung behaupten können, stattdessen verfällt die Stadt dem Stillstand, meint Woods. Und: In Wien besteht die Krise darin, dass es keine gibt. Diese klare Aussage steht dem scheinbaren Chaos der Gestaltung gegenüber. Doch die Galerie ist nicht nur Abbild einer Stadt und deren Energiepunkte, sie ist auch Depot für Aluminiumstäbe, die sich zwischen den Vektoren kompliziert verschränken. Diese „Energy Rods“, wie Lebbeus Woods diese Stäbe nennt, sind der eigentlich aktionistische Teil der Ausstellung. Sie werden von Performern, unangekündigt immer wieder demontiert und in die Stadt hinausgetragen, wo sie an neuen Orten wieder zusammengesetzt werden. Diese temporären Installationen sollen nicht zu neuen Architekturen führen oder auf mögliche Bauplätze hinweisen. Sie sollen den Menschen im Alltag des Stadtlebens herausfordern, seine Vorstellungskraft, seine Energie und seine Phantasie anregen. Der Architekt ist der Initiator, der aus seinem Wissen ein Handlungsfeld vorgibt, so Woods. Energie ist dafür das Schlüsselwort und der Mensch der Agierende. Mit diesem Konzept ist Lebbeus Woods ein eindeutiger Optimist, der sich vielleicht gerade deswegen oft mit Krisensituationen, Widerständen oder Kriegsschauplätzen auseinandersetzt. Er glaubt an die mögliche Veränderung und an deren Potential zu einer Verbesserung. Vielleicht bleibt er gerade deswegen einer der wenigen „Paper Architekten“ seiner Generation. Seine Ideen sind Bühnenbilder einer architektonischen Theaterwelt, die politische Prozesse, soziale Denkprozesse ebenso wie ästhetische Sichtweisen ständig hinterfragt. Welche Stadt kann das nicht gebrauchen?



erschienen im Magazin „deArchitekt“ NL