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Kommentar von Manuela Hötzl

Das fünfte Element

Medien und Architektur Biennale in Graz

Zum Glück kommt sie immer wieder, schade ist nur, dass sie kaum jemand bemerkt. 1993 hat das 1. „film+arc“ Festival Hunderte in die Grazer Kinos gelockt, um die als 6.Kunst bezeichnete Form des Ausdrucks in all seinen Dimensionen zu präsentieren. Im November 2001, zum 5.Mal, und als „artimage“, Medien und Architektur Biennale, war das Publikum rar, das Programm dafür umso fülliger und üppiger. Codiert waren die Programmpunkte mit üblichen anglizistischen Schlagworten, die man vom Jett durch "neue Medien" kennt. Tatsächlich wurde diesmal weniger an das filmische Erlebnis gedacht, als an die Dominanz der theoretischen Hintergründe. Örtlich wurden die Filme im Dom, einem Saal im Inneren des Schlossberges gezeigt, der im Zuge der letzten Landesausstellung eröffnet wurde. Eine „Grotte“, der es nicht gelang Film und Publikum einem gemeinsamen Kinoerlebnis zuzuführen. Die Kühlheit der Halle entsprach der Kühnheit des Programms. Während im Berg die Filme abliefen, moderierten Christian Kühn, Andreas Ruby, Kai Vöckler und die Biennaleleiterin Charlotte Pöchhacker, ein kontrastreiches Programm im auch örtlich höchst gegensätzlichen Palais Attems: Denkmaterial in Form von Architekten, Medientheoretikern und Künstlern zog mit dem filmischen Material gleich und vor allem darüber hinweg. Der Schlusspunkt bildete eine Podiumsdiskussion mit über zwanzig Teilnehmern und drei Moderatoren - eine Aufgabe, die Publikum und Podium gleichermaßen überforderte.

Die Preisträger überraschten hingegen und zeigten als Aushängeschild das breite Spektrum der Medien und Architektur Biennale. Jeweils eine lobende Erwähnung bekam das Video "Pig City" von MVRDV und das Internetprojekt www.degezero.com von Degre Zero Architecture aus den USA. Beides sehr pragmatische, strukturelle Ansätze, wobei MVRDV eine gestapelte Schweinefarm mit holländischem "Diagrammhumor" präsentierte. Den Biennalepreis erhielt "Apartment" von Marek Walczak & Martin Wattenberg, ebenfalls ein Internetprojekt, den Preis der Stadt Graz sprach die Jury mit Maria Vedder, Dirk de Witt und Alfred Rotert dem polnischen Film "From my Window" von Jósef Robakowski zu. Dieser Film negierte jegliche technische und mediale Errungenschaften und schaffte beeindruckend Geschichte und Zeit-Raumdimension zu verdeutlichen. Der Filmer und Voyeur kommentiert die Vorgänge auf dem Platz vor seinem Plattenbau in Lodz über den Zeitraum einiger Jahre. Man erfuhr wenig über den Erzähler, die Art und Weise, wie er die Personen und Ereignisse von seinem fixen Standpunkt aus kommentierte, schuf aber nicht nur einen räumlichen Aspekt, sondern ein historisches und gleichzeitig persönliches Dokument.

Das Programm der Biennale versprach „über 100 Medienkunstarbeiten aus 24 Ländern und rund 60 Vorträge, Präsentationen und Roundtables“, inhaltlich und zeitlich war das für die Besucher schon schwer zu überblicken - außen erreichte es niemand mehr. Bedauerlicherweise entspricht gerade dieses Festival der zeitgeistigen Meinung, die die Masse der Bilderflut kritisiert und ihre Lesbarkeit anzweifelt. Eine zumindest inhaltliche Aufarbeitung wäre dringend nötig, die die Fülle an Material transparenter macht. Sonst wurde nur erreicht, was schon die Futuristen als erste Experimente erzeugen wollten "den Sehnerv zu zersplittern" und die Orientierung zu verlieren.



erschienen in Architektur Aktuell/Febr.02,S.12
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