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Kommentar von Manuela Hötzl

Europan 6 und „habitat plus“

Seit Ende der achtziger Jahre werden innovative Ansätze in Sachen Wohnbau von Architekten unter 40 in Europan Tradition formuliert. Wider des oft postulierten Nullpunkt des Wohnens, der sich auf eine architektonische Einfallslosigkeit bezieht, bleibt die Suche nach Lösungsvorschlägen.

Der diesjährige Europan 6 lief unter der Headline „Zwischenorte - Architektur im Prozess der urbanen Erneuerung“, ein Thema das die Teilnehmer des Wettbewerbs explizit aufforderte, die städtebaulichen Gegebenheiten rund um die einzelnen Areale in den Entwurf miteinzubeziehen. Österreich war mit drei Standorten in Villach, Graz und Wien vertreten. Da eine Realisierung der Projekte immer geplant, aber selten zustande kam, hat sich Bernd Knaller-Vlay, als Sekretär von Europan Österreich, für eine begleitende Forschungsarbeit eingesetzt. Dafür wurde der Verein „habitat plus“ gegründet, der nicht nur die Schwächen und Fehler der vergangenen Europan Wettbewerbe analysieren, sondern in weiterer Folge das Verfahren tatkräftig begleiten sollte.
Heidi Pretterhofer und Dieter Spath haben für „habitat plus“ verschiedene Zielsetzungen und Lösungsvorschläge auf kommunikativer Ebene organisiert. Ein Zwischenbericht ist in Arbeit, ein endgültiges Resümee soll im März 2002 in der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Einer der wichtigsten Punkte war, das schon zu Beginn der Ausschreibung nach Partnern gesucht wurde, die eine Realisierung ermöglichen und das entsprechende Grundstück zur Verfügung stellen können. In Wien konnte man dafür den Bauträger Mischek mit einem Grundstück an der Simmeringer Hauptstraße gewinnen, in Graz kam ein Areal von „Graz West“ (vgl. Graz West 2) zur Ausschreibung und in Villach wählte die Stadt ein zentrumsnahes Entwicklungsgebiet für Europan 6 aus.

In Wien ging das Projekt „stadt_land_schafft“ von den Architekten Popelka/Poduschka als Sieger hervor. Überzeugend wirkt der Bebauungsvorschlag auf den ersten Blick nicht. Als goldenes Nugget, mit vielen Ecken und Kanten, terrassenartigen Stufen bis in das achte Geschoß und mit einer offensichtlichen Dichte präsentiert sich der Wohnbau als Masse. Die Qualität liegt in der räumlichen Struktur, die recht pragmatisch durchdacht eine schlüssige Kombination und Durchmischung von Öffentlichkeit und Privatheit bietet. Die Erschließung der Wohnungen, Büros und Gewerbeflächen ergeben immer wieder überraschend qualitative innere Zwischenzonen, nach außen hingegen wird mit Reduzierung der Traufhöhe, Rücksicht auf die Belichtung der Nachbargrundstücke genommen und die Blockbebauung mit zurückspringenden Terrassen aufgelöst.

Die siegreichen Projekte für Graz und Villach sind als Entwurf innovativer, gehen über die definierten Anforderungen weit hinaus und sind deswegen auch schwieriger in ihrer Komplexität, Formalität und Abstraktheit umzusetzen. „Curly Landscape“, von Rok Oman, Spela Rogel und Josip Konstantinovic aus Ljubjana geben für Graz ein Konzept vor, das sich aus den Bezügen zu Landschaft und Freiflächen entwickelt. Die Landschaft bestimmt die Figur und verändert sie. Die Jury erkennt ein hohes Potential in dem entwickelten System, das sich bei einer möglichen Realisation präziser auf die Struktur und weniger auf den formalen Ansatz konzentrieren sollte.

Aus Berlin kommt das Projekt „Draussen im Haus Outside In“ von den Architekten Zeynep Ayse Hicsamaz, Thorsten Bunk und Isabelle Jahnmonner. Sie gehen vor allem von der längerfristig, in mehreren Stufen geplanter Umstrukturierung des Gebiets aus. Strategisch entwickeln die Architekten Codes für städtebauliche Parameter, die sie dann sehr abstrakt mit Metaphern für „Berg, Fluss, See“ einsetzen. Vorschläge für die sich ständig verändernden Zwischenzonen auf dem Areal sind hingegen sehr konkret und flexibel definiert.

Die Innovation der Entwürfe ist teilweise sehr überzeugend. Klar zeigt sich dennoch, das sie so nicht umsetzbar sind. Inwieweit „habitat plus“ solche Projekte weiterbegleiten und eine Realisierung möglich machen kann, wird sich zeigen. Sonst muss man sich die Frage stellen, inwieweit Europan oder die Suche nach innovativer Ideenfindung noch sinnvoll sein kann.



erschienen in Architektur Aktuell Nr.09/Sept.01,S.2ff