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Kommentar von Antje Mayer

Ein Jahr Museumsquartier - eine total subjektive Bilanz

Wenn Sie Wien besuchen und Ihnen Ansprache fehlt, stellen Sie sich kurzerhand vor den Haupteingang des Museumsquartiers. Garantiert, innerhalb von wenigen Minuten werden sie nicht nur Taxifahrer, Touristen, vor allem aber auch viele liebe Wiener nach dem Haupteingang des Museumsquartiers fragen. Schon probiert. Klappt. Einer der zehn größten Kunstareale der Welt kann mit Stolz von sich behaupten, das mit dem diskretesten Haupteingang der Welt zu sein.

Das soll sich jetzt ändern. Edelbert Köb, Direktor des Museums für Moderne Kunst, der sein Haus wegen Umbauten bis 19. Juni, nicht einmal ein Jahr nach seiner Eröffnung, schon wieder schließen muß, hatte eine besucherbringende Idee: Der italienische Künstler Michelangelo Pistoletto soll – wenn’s denn finanzierbar ist- einen Ballon über der Fischer-von-Erlach-Fassade schweben lassen. Mit einem Spiegel dran, auf daß man das MUMOK innen, außen vor dem Hautpeingang sieht. In multimedialen Zeiten wie diesen, mutet die Datenübertragung via Spiegel fast unfreiwillig komisch an, zumal das Muqua mit dem Motto „Barock trifft Cyperspace“ wirbt.

Innen wirken die Höfe des 60.000 m² großen Kunstbezirks trotz bevölkerter Schanigärten wie leergefegt. Die von Kunsthallendirektor Gerald Matt und Betreibergesellschafts-Chef Wolfgang Waldner prognostizierte Reibungshitze, die die über zwei Dutzend Institutionen und Initiativen erzeugen, mag einem nicht warm werden. Man wähnt sich vielmehr mitten in einem Gemälde von De Chirico, bekanntermaßen albträumerische Protokolle. Erste Anzeichen menschlichen Lebens, wie Graffiti, hat „Hausmeister“ Waldner angeblich schon überpinseln, spontane Zeltlager von Netzkunstakteuren wie Public Netbase schon schleifen und die Skateboardfahrer vertreiben lassen.

Was bleibt: Ein großer, edler Platz mit großen, edlen Museen mit edlen Cafés mit großen Preisen. Soviel Größe und Edelmut muß verdammt viel Erhaltungskosten schlucken. Damit wird man bekanntlich auf Dauer ziemlich unspontan. Diese Verklemmtheit scheint schon prophylaktisch aus allen Ritzen zu atmen. Damit sich vielleicht doch nicht nur im Sommer die Steinplatten im Hof unerträglich stark aufheizen, werden sich jetzt die Chefs der Häuser, die sich seit Monaten ein für die Öffentlichkeit uninteressantes und peinliches internes Gemetzel mit Waldner liefern, endlich zusammensetzen, um gemeinsam zu entscheiden, wer sich in den Höfen an wem reiben darf.

Apropos: In einer Studie der Stadtzeitschrift Falter zum Thema „Sex in Wien“ wurde dem Muqua übrigens Bestpunkte verliehen. Ungestörter ist man kaum wo. Nichts desto Trotz: Eine Million Besucher immerhin haben sich, seit der Eröffnung im Juni letzten Jahres, im Kunstviertel diskret verteilt. 91 Prozent hatten einen „guten bis sehr guten Eindruck“ und waren im Durchschnitt 39 Jahre alt. Wenn nun in das sogenannte quartier21 bis kommenden September sukzessive die jungen Initiativen einziehen, wie die Electric Avenue (572 m² für elektronische Medien, Musik und Futurologie), hofft man, dieses Mittelalter zu drücken.

Für die unter 39 Jahre alten Wiener gilt es nach subjektiven Einschätzungen derweil als völlig unhip, ins Muqua zu gehen. Es sei denn, man ist eine vorgeblich „kunstinteressierte“ Wirtschafts- oder Jurastudentin mit einem über 39 Jahre alten Schickimicki-Freund. Für solcherart Lebenskünstler ist es überaus hip, dort abends -wenn die Museen geschlossen haben- einen Prosecco zu schlürfen. Und der Rest? Der sucht immer noch den Haupteingang oder eine lebendige Vision.



erschienen in Kunstzeitung Nr.70/Jun.02,S.7
Museumsquartier Wien -