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Kommentar von Antje Mayer

Wenn man darauf sitzen kann

„Ich akzeptiere Kunst im öffentlichen Raum nur noch, wenn man auch darauf sitzen kann“, meinte kürzlich eine österreichische Architekturkritikerin lakonisch. Was ist passiert? In der niederösterreichischen Provinz etwa genießt Kunst im öffentlichen Raum unter der Kuratorin Katharina Blaas-Pratscher seit Jahren international den besten Ruf. Ja, dort schon, aber in Wien nicht. Dort nahm sich dahingehend die Wiener Kulturpolitik im Vergleich zu anderen europäischen Städten bisher reichlich provinziell aus. „Zu zaghaft, zu bürokratisch, zu unkoordiniert“, resümiert Hans Knoll, Vorsitzender des Verbandes österreichischer Galerien moderner Kunst. Liegt das daran, dass in Österreich besonders gerne Architektur und allen voran Kunst im öffentlichen Raum zum Politikum hochstilisiert werden?
Man erinnere sich nur an das über eine Dekade andauernde Gezeter wegen des Leseturms im Museumsquartier, der letztendlich dann nicht realisiert wurde. Die Aufregung im vergangenen Sommer um das Salzburger Piss-Penis-Buberl der Künstlergruppe Gelatin hatte schon Slapstick-Qualität. Der Zoff um den Wettbewerb für den Museumsquartier-Vorplatz ist ein offenes Geheimnis. Nur drei Beispiele, für die zutrifft, was für viele Projekte in Wien gilt: Zu viele Einschränkungen – vor allem vom Denkmalsamt, zu viel Bürokratie, zu wenig Mut und wie immer zu wenig Geld für wirklich Spektakuläres und Namhaftes. Irgendwie wirkt Kunst im öffentlichen Raum von Wien teilweise wie das Material gewordene schlechte Gewissen der Stadtväter. Motto: Wenn’s unbedingt sein muaß, aber dann bittschön legère!
Manche Kunst im Wiener Stadtraum regt übrigens auf, weil sie nicht auffällt. Die Bildhauerin Ulrike Truger hatte ihre gar nicht kleine Skulptur „Die Wächterin“ lange illegal vor dem Burgtheater stehen. Der Stadt war das angeblich tatsächlich erst im Zuge der Berichterstattung über eine weitere -vor der Oper aufgestellte- Bildhauerarbeit der Künstlerin aufgefallen, dem sogenannten Omofuma-Stein. Mit letzterem wollte Truger auf die Ausländer- und Asylpolitik in Österreich aufmerksam machen. Nach einigem Hin- und Her haben die Beamten nun den beiden Arbeiten, mehr oder weniger unfreiwillig, genehmigte Plätze in Wien zugewiesen.
Solcherart Selbsthilfeaktionen sollen aber in Hinkunft in Wien passé sein. Die Stadt, so scheint’s, ist aufgewacht. So beschloss sie ab heuer 800.000 Euro jährlich für Kunst im öffentlichen Raum zur Verfügung zu stellen. Ein fünfköpfiges Profiteam soll fürderhin entscheiden, wo, was hinkommt. Man darf annehmen, dass das Kriterium, ob man darauf sitzen kann, eine eher ungeordnete Rolle spielen wird.



erschienen in Kunstzeitung Nr.90/Febr.04,S.27