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Kommentar von Manuela Hötzl

FILMOGRAFIE: MY ARCHITECT - A SON'S JOURNEY

Der Regisseur Nathaniel Kahn auf den architektonischen, wie menschlichen Spuren seines Vaters, dem großen Architekten Louis Kahn.

Über diesen Film wurde höchstwahrscheinlich schon mehr geschrieben, als über so manches Projekt von Louis Kahn selbst. Was ist das Faszinierende an diesem für den Oskar nominierten Dokumentarfilm, der alle Zuseher, Architekt oder nicht, gleichermaßen berührt? Und: Warum gibt es sowenig Architektenbiografien?

Viele Menschen haben eine Vorliebe für Biografien. Sind es die „authentischen Romane“, die einer intellektuellen Real-Soap gleichkommen und die Möglichkeit bieten, mit den jeweiligen Menschen eine Zeit, eine Geschichte und vielleicht auch ein Gefühlsleben nachzuvollziehen?

Zugegeben, das klappt meist, weil scheinbare Realität immer noch besser kommt als reale Fiktion. Es hat sogar bei Scorseses „Aviator“ geklappt – zumindest als Verkaufserfolg. Dennoch wünscht man eine solch anti-emotionelle biografische Nachstellung wie dem des Howard Hughes Keinem, und sei er schon Hunderte von Jahren unter der Erde. Nicht das man alles „schön-malen“ müsste, aber auf keinem Fall sollte man so hemmungslos selektieren und primitiv analysieren wie Martin Scorsese. Bei jeder „Google-Suche“ findet man mehr und spannendere Details aus dem Leben von Howard Hughes. – aber zurück zu Kahn.
Oder nicht gleich: Howard Hughes war zu seiner Zeit der reichste Mann der Welt (was man übrigens nie von Scorsese erfährt) und hat sein Geld an seine Liebe zum Film und seine Frauen verschwendet. Einfach gesagt, tat Louis Kahn das Gegenteil – und der Film tut es auch. Und das ist gut so. Der Film erreicht nicht annähernd eine Hollywood-Perfektion und ist zum Teil ungewollt komisch, fordernd, wertend oder einfach sentimental. Manchmal wird der Film zu einer Underground „Musical“ Produktion oder den tapsigen Bewegungen eines Selbstdarstellers – und ist eigentlich nur ein Sohn auf der Suche nach seinem Vater, den er verstehen möchte und er mehr zufällig Architekt war.

Als Zuschauer geht man mit diesem Sohn – und empfindet am Ende genauso wie er, der seinen Vater mehr denn je vermisst. Das Geheimnis dieses Films liegt in dieser Abwesenheit des Vaters, die immer deutlicher wird. Louis Kahn fehlt. Der „Aviator“ ist einfach zu präsent und verdeckt damit alles was „dazwischen“ möglich wäre – und ist es auch nur ein Gedanke.

So sammelt der Regisseur Kahn Textfetzen, kleine Erinnerungen eines Taxifahrers, romantische Gefühlsbilder seiner Mutter oder emotionsgeladene eines Bangalesen, der in Tränen ausbricht als er hört, dass das Regierungsgebäude von Bangladesh nur maximal zehn Minuten in dem Film bekommen wird. Er sammelt und sammelt und fährt sogar mit seinen Rollerblades über Plätze von Kahn, um ihm nur irgendwie nahe zu sein – und die Räder unter seinen Füßen, die beherrscht Nathaniel Kahn. Dieses Können wirkt fast peinlich auf diesem leeren Platz, wo nur der Sohn ist.
Aber auf dieser Suche werden auch unbewusst Klischees eines Architektenlebens aufgedeckt, Szenen die Kollegen sicher mit einem bitteren Lächeln kommentieren. Etwa wenn ein Onkel Kahns, ein Rabbi, von seinem Neffen spricht und sich dabei offensichtlich wundert, er habe zwar gehört, dass Louis weltberühmt sei, aber offensichtlich nicht reich damit geworden ist. Andere Architekten würden sich sicherlich nicht wundern – und doch ist Kahn einen unbeugsamen Weg für die Architektur gegangen, ohne dessen Vision der Film die Geschichte eines flüchtenden Vaters wäre, der drei Frauen, drei Kinder und kein Zuhause hatte. Sein Doppel- oder Mehrfachleben hatte er Zeit seines Lebens verheimlicht – und selbst Nathaniel will kaum glauben, als seine Mutter, Harriet Pattison, ihm erzählt, er wäre doch noch zu ihr gekommen und hätte seine Frau verlassen.

Schließlich habe er als Zeichen seine Adresse aus seinem Ausweis gekratzt, als man ihn im Alter von 93 Jahren in einer Toilette der New Yorker U-Bahn Station fand. Das war am 17. März 1974 und so seine Mutter 2002, jetzt denke sie kaum noch an ihn. Und ob das schlimm sei, fragt die Mutter ihren Sohn. An dieser Stelle wird eine andere Distanz spürbar, die vielleicht noch mehr berührt – diese Fremdheit zwischen Mutter und Sohn, die nicht so künstlich erzeugt wurde, wie zu seinem Vater. Und man erkennt die Tragik an dieser Suche. Die Mutter, die als Landschaftsarchitektin wesentlich an seiner Arbeit beteiligt war und immer, wenn die Ehefrau ins Büro kam, in ihr Arbeitskämmerchen verbannt wurde und nie zu öffentlichen Veranstaltungen mitgehen durfte.

Und so ist die Metapher dieser Distanz immer wieder das Werk: die Architektur. – die der Sohn für sich lesbar, verständlich machen möchte – und daran fast scheitert. Nathaniel Kahn möchte glauben, und er möchte ihm ähnlich sein. Doch ihm fehlt diese Vision, ihm fehlt die Idee, wenn er vor M. Pei oder Phillip Johnson (übrigens authentisch vor seinem Glashaus) sitzt. Johnson zeiht über Kollegen wie Frank Lloyd Wright oder Le Corbusier her und bezeichnet Kahn als den menschlichsten unter ihnen. Pei bewundert die Konsequenz seine Ideen durchzusetzen und meint, es sei wichtiger ein Masterpiece zu bauen.

Louis Kahn hat an seiner Idee festgehalten, die er erst so spät in seinem Leben als Architekt fand. Und so handelt man sich sympathisch an Anekdoten entlang des Films, in dem man sich manchmal die Erlösung für den Sohn wünscht. Doch das macht es besonders, wie kann man eine Vision zurückverfolgen? Die Bauten sind da – und nicht mal alle perfekt – und andere: einnehmend und fantastisch. Im Nachhinein, und das möchte man so gerne glauben, ist es das was übrig bleibt, von einem Architektenleben. Doch da ist noch dieser Sohn.

Warum gibt es also so wenig Architektenbiografien? Haben Architekten ein wenig Angst das Schutzschild Architektur zu verlieren? Oder sind sie so langweilig für die Öffentlichkeit? Scheut man sich persönlich zu werden? Wir wissen (wenn wir es wissen wollen) alles von Udo Jürgens – aber was ist mit Hans Hollein?

Kann jeder seinen „my architect“ finden, der einem die Vision ein wenig vermittelt oder kämpfen alle um die Existenz, Honoraren, Zugangsberechtigungen, Kammerwahlen und schlagen sich Nächte im Büro um die Ohren? Daneben gibt es doch noch etwas. War es die Vision?

Schauen Sie sich die Geschichte der kleinen Persönlichkeit mit dem narbigen Gesicht an. Louis Kahn ist seinen Weg gegangen.



Info: My architects -