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Kommentar von Antje Mayer

Das Ziel den Weg wert

Geheimtipp: Wer in Wien auf Besuch weilt und des global gleichen Kunst-Chic à la Museumsquartier längst müde ist, aber nicht der Kunst, der sollte mit der U-Bahn-Linie 6 bis zur Station „Michelbeuren“ fahren.

Dort bitte ein wenig „stierln“ (schauen) beim Kreuzen des Wiener Rotlichtgürtels. Anschließend rituell –das ist in Wien Brauch!- die international anerkannt hässliche Architektur des Allgemeinen Krankenhauses beschimpfen (Prädikat: Sehenswert!). Und schließlich mittenrein ins Jugo-Viertel zu der alten aufgelassenen Tankstelle in der Theresiengasse 25-27 (schon 18. Bezirk) schlendern. Der Weg ist das Ziel, oder besser: Das Ziel den Weg wert.

An diesem fast schon programmatischen -wie gleichsam erfrischendem- und gänzlich privat finanzierten Standort (seit Sommer 2000) nämlich befinden sich die Schauräume (400 m²) der Sammlung Volpinum und derzeit die wunderbare Fotoausstellung „Menschen“ (bis 3. Mai 2003). Zu bestaunen sind Fotoarbeiten und Videos, von insgesamt 18 internationalen Künstlern, ausschließlich aus dem Depot, des in Wien lebenden deutschen Sammler-Ehepaares Andra und Ernfried Fuchs. Dessen Vorliebe gilt, seit jeher, besonders der zeitgenössischen Fotografie.

Was der junge Künstler fördernde (und deswegen zuweilen von eben jenen wie ein Popstar belagerte) Mäzen- und Fotoliebhaber Ernfried Fuchs hier höchstpersönlich zusammengetragen und für die Schau ausgesucht hat, hat Rang und Namen, oder -dank ihm- hoffentlich ebendiese in baldiger Zukunft.

Zu bestaunen sind erstklassige -und bei Herrn Fuchs immer sehr sinnliche, überproportional viele „weibliche“ und in allen Bedeutungen des Wortes „repräsentative“- Arbeiten von „Oldies“, wie der Belgrader Performance-Künstlerin Marina Abramovic („Breathing In – Breathing Out“ von 1977) oder des Österreich-Stars Valie Export („Tapp- und Tastkino“ von 1968). Zu bewundern ist Zeitloses wie das große, umwerfend schöne Foto-Tripthychon des Australiers Bill Henson (Jahrgang 1955), das Fuchs aus seinem Arbeitszimmer entlieh oder junges Witziges, wie das Video des -gerade groß rauskommenden- Kunst-Paars Julius Deutschbauer und Gerhard Spring (Jahrgang 1962/1962). Außerdem hängen unter anderem aus: Irene Andessner (A), Esther Stocker (A), Werner Schrödl (A), Jürgen Klauke (D), Marie-Jo Lafontaine (B) Stephan Reusse (D).

Man merkt, hier war ein Sammler am Werk, der beim Kauf nicht nur nach Wert und Namen entschied, sondern seinem Bauch vertraute. Bekanntlich die beste Voraussetzung für eine gute Sammlung. Freilich: Ein bisschen zu früh zuweilen scheint sich Fuchs, trotz seines Schwerpunktes „Junge Kunst aus Österreich“, vom heimischen Nachwuchs bezirzen zu lassen. Die Qualität zwischen den Internationalen und Alt-Eingesessenen einerseits und der österreichischen Nachkommenschaft andererseits, divergiert zuweilen heftig.

Aber sei’s drum: Das Volpinum ist ja schließlich kein situiertes Museum und mit dem ewig Guten und Schönen sieht man’s, Gott sei Dank, dort draußen in Michelbeuren, bei den Huren und Strizzis, ohnedies nicht so eng.



erschienen in Kunstzeitung Nr.77/Jan.03,S.16 und Kunstjahr_2003,S.280