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Kommentar von Manuela Hötzl

Viele Architekten, viele Häuser, eine Siedlung

Architekturzentrum Wien, bis 27.Jänner 2003

„Wir behaupten, dass „9=12 - Neues Wohnen in Wien“ experimentell ist und eine moderne Haltung des Umgangs mit Materialien repräsentiert“, erklärt Dietmar Steiner, der Direktor des Architektur Zentrum Wien zur Eröffnung der Ausstellung - Titel und mathematische Gleichung der Ausstellung können leicht gelöst werden: 9 Architekten planen 12 Häuser und präsentieren diese als Zukunft des Wohnens an der Peripherie. Eine Mustersiedlung, erstmals in feinen Betongussmodellen präsentiert, die vielerlei Ansprüche an sich stellt. Als Initiator tritt der Betonproduzent Lafarge-Perlmoser und eine Fülle an anderen Unterstützern und Sponsoren aus der Bauindustrie auf, als Architekten wurden beauftragt: Hermann Czech, Roger Diener, Max Dudler, Peter Märkli, Marcel Meili & Markus Peter, Adolf Krischanitz, Hans Koolhoff, Otto Steidle, Heinz Tesar). Adolf Krischanitz erstellte für ein Grundstück am Rande von Wien einen Masterplan und lud 8 Kollegen seiner Generation dazu ein.

Das Projekt verbindet sozialen Wohnbau in der Peripherie, das die „Sehnsucht nach einem Einzelhaus als auch die Ökonomie des verdichteten Bauens“ (Adolf Krischanitz) vereinen soll, mit wirtschaftlichen Interessen. Die Bauplätze wurden an die Architekten verlost und zeigen nun die unterschiedlichen Auffassungen von Wohnbau Seite an Seite. Gemeinsam haben alle Häuser das Material Beton und die Höhe von 9 Meter. Unterschiede gibt es dagegen viele. „Man hat als Architekt ein Problem: man baut und wohnt. Ich wollte einmal ein Haus bauen, indem ich auch selbst wohnen möchte“, gesteht Adolf Krischanitz.
Und mehr oder weniger persönlich haben auch seine Kollegen reagiert und entworfen.
Hans Koolhoff will zwar nicht in die historische Klamottenkiste greifen, zumindest aber an traditionelle Modelle anknüpfen und ein Haus schaffen, dass „ganz selbstverständlich eine große Wohnlichkeit versprüht“. Er gibt zu, „ziemlich auffallen zu wollen“. Es gelingt ihm mit der Stilblüte eines griechischen Tempels, dessen Grundrisse enttäuschend banal sind. Dahingehend überraschen die Schweizer – oder eben nicht – mit einfachen Boxen, die differenzierte und interessante Raumkonfigurationen aufweisen, und einer modernen, wenn auch schweizerischen Tradition, entsprechen. Der Umgang mit der Materialität des Betons hält noch am ehestem dem Anspruch des Experimentellen stand. Auch Heinz Tesar arbeitet mit dem Beton als Baumaterial und zeigt die Kombinationsfähigkeit mit konstruktivem Holzbau. Er sieht den Beton „als fugenloses Material, dass die Außenhülle überzieht“.
Peter Märkli hingegen nimmt nur die „optische Wirkung“ des Betons in Anspruch.
Theoretisch lassen sich die Ansätze in Interviews, als Videos in der Ausstellung, konsumieren und praktisch mit den Modellen vergleichen. Als „Singuläre Höchstleistungen“ einer „gruppendynamischen Situation“ wie Dietmar Steiner sie bezeichnet, zeigen sie zwar die von Krischanitz gewollte „verschiedenen Sprachlichkeiten“, nicht aber ein nachhaltiges Gesamtkonzept eines neuen Wohnbaumodells. „Jede Architektur ist in gewisser Weise ein 1:1 Modell“, stellt Krischanitz fest. Wie sehr die einzelnen Entwürfe in Erscheinungsform oder Prinzip als Modell Vorbildwirkung haben werden, darf man abwarten oder gleich in Frage stellen.
In einem Punkt ist diese Siedlung jedenfalls ein zukunftsweisendes Experiment: In dem Zusammenschluss von Wirtschaft, Behörden und Architektur. Dieser Aspekt wird, neben formalen Spitzfindigkeiten, in vielen weiteren Ausstellungen, Präsentationen und Diskussionen, die folgen werden, hoffentlich auch als Muster seine Gültigkeit beanspruchen.



erschienen in Bauwelt/40,Okt.02
Architekturzentrum Wien -