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Kommentar von Antje Mayer

Oh Frieda, warum kommste immer wieda?

Das tragische Leben der Frida Kahlo (1907-1954), der mexikanischen Malerin und „Ikone des Leidens“, ist der Stoff, nach dem sich ihre Nachwelt zu sehnen scheint: die Künstlerbiographen, SchriftstellerInnen,„Frauenbeauftragten“ und Theaterregisseure. Die Faszination dieser Menschen für Frau Kahlo ist nicht totzukriegen, so wenig, dünkt es, wie die der Deutschlehrer für Heinrich Böll.

1992 inszenierte schon der österreichische Theaterberserker Johann Kresnik das Leben der Kahlo. Nun hat sich wieder ein bekannter Theater- und Filmemacher an den Stoff gewagt: der Kanadier Robert Lepage (Jahrgang 1957) zusammen mit seiner Landesgenossin, der Schauspielerin Sophie Faucher. Die fühlte sich zum Schreiben des Textes inspiriert und ist zudem selbst als Kahlo in Aktion auf der Bühne zu sehen. Lepage agiert hinter der Kulisse als Oberaufseher oder – wie gemunkelt wird- vielmehr als Namensgeber, um Madame Faucher die Türen zu internationalen Festivals zu öffnen. So auch bei den Wiener Festwochen, wo das französischsprachige Stück mit dem programmatischen Titel „Apasionada“ heuer im Mai Station machte.

Das einzige und erste Mal im deutschen Sprachraum, werden die Stationen der Leiden und Leidenschaften der Dolorosa von Robert Lepage optisch beeindruckend in Szene gesetzt. Technisch aufwendigst, mit Filmprojektionen und computergesteuerten Firlefanz, werden die respektablen Schauspielleistungen multimedial auffrisiert, eingerahmt von einem Bühnenkasten, der wie ein Gemälderahmen die Szenen eingrenzt. Thema ist dabei –wie üblich- weniger Frida Kahlos einzigartige Kunst, sondern ihre körperlichen Plagen durch Kinderlähmung und durch den berühmtesten Straßenunfall der Kunstgeschichte, bei dem sie mit 18 Jahren zu einem halben Krüppel wird. An das Bett gebunden bereitet ihr ihre Invalidität zeitlebens unendliche Qualen, die schließlich sogar in der Amputation eines Beines münden. Soviel Leid konnte die geniale Malerin zeitweilig nur mit einer Flasche Brandy pro Tag ertränken.

Die Kehrseite: Ihre dramatische Liebe zu ihrem berühmten und exzentrischen Ehemann, dem Maler Diego Rivera, den der Schauspieler Patric Saucier in Wien verkörpert. Großes Thema für die Kahlo-Verbrater in „Apasionada“: Ihre Hassliebe zu Rivera, der ihr Talent entdeckte, aber der sie nach Strich und Faden, selbst mit ihrer Schwester, betrog. Ein Ehemann, der sie misshandelte, der ihr gleichzeitig verfallen war und sie nach der Scheidung, nur nach einem Trennungsjahr, zum zweiten Mal heiratete.
Sex sells. Deswegen schließlich auch das ganz große Thema für alle Kahlo-Biografen: Das Beharren der Künstlerin auf ihre sexuelle Unabhängigkeit- trotz Behinderung, ihre lesbischen Affären und natürlich die große mit Leon Trotzkij. Bei Stalin in Ungnade gefallen, fand der bekannte Kommunist bei den beiden Gesinnungsgenossen zwei Jahre in Mexiko Unterschlupf. Dargestellt werden alle Nebenrollen von Lise Roy, die souverän in alle männlichen, als auch weiblichen Figuren schlüpft. Dieser Lebenslauf hat fürwahr Hollywood-Qualitäten. Nur eine Frage stellt sich dennoch: Frieda, warum kommste immer wieda?



erschienen in Kunstzeitung Nr.70/Jun.02,S.6
Frida Kahlo -