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Kommentar von Antje Mayer

Discount-Biennale - Große Schau zeitgenössischer Kunst in Prag (bis 31.08.)

Werfen Sie bitteschön einen Blick auf die Landkarte! Wenn Prag in der Peripherie läge, dann wäre das weit östlicher gelegene Wien demnach jenseitig? Die im Kunstdiskurs derzeit strapazierten geographischen Begriffe wie „Peripherie“ oder „Zentrum“, sind in Zeiten der Globalisierung gänzlich obsolet geworden.

So mag man dann auch den Titel der ersten - im Zweijahresrhythmus geplanten- Prague Biennale I mit dem Titel „The Peripheries Become the Center“ im Veletržní Palast der National Galerie Prag als ironische Anspielung verstehen (bis 31.8.). Oder aber als bitterste Kampfansage auffassen „gegen die von New York und Paris gesteuerte Kunstmafia“. So jedenfalls tönte es im Vorfeld angriffslustig aus dem Büro der Organisatoren.

Die Idee für eine neue „documenta des Ostens“ (mit der etwas dünnen Kampfparole: „Mit nur 100.000 Euro Budget! An ethical approach to art.“) stammt vom Flash Art-Magazin-Herausgeber Giancarlo Politi, der inzwischen so etwas wie ein Monopol auf Peripherie-Biennalen zu haben scheint. Vor zwei Jahren bereits, im Jahr 2001, hatte er schon die damals allseits gelobte Tirana Biennale in Albanien mit aus der Taufe gehoben.

Nun wollte es der nimmer ruhende Politi noch einmal wissen, mobilisierte seine Chefredakteurin Helena Kontova und den tschechischen Kurator Tomáš Vlèék und setzte auf Vielfalt (statt auf Sorgfalt?) und lud sage und schreibe eine Armada von 30 Jungkuratoren aus der ganzen Welt nach Prag ein, den „State of Art“ von Osteuropa und Umgebung zu präsentieren. So bunt geriet dann auch die Schau: Künstler aller Nationen, mit allen nur denkbaren Medien, zu allen möglichen Themen.

Da halfen zur Orientierung auch die vorgegebenen Themenabschnitte nicht, waren die doch biennale-üblich: Ein bisserl kritisch, ein bisserl aktuell befindlich, auf alle Fälle trendig und dabei bestmöglichst kompatibel: Die Kuratorin Lauri Firstenberg sinnierte etwa einmal mehr über „Raum und Subjektivität“, die Kuratorin Julieta Gonzales griff verbal in die Mottenkiste und titulierte ihre Kojen mit „[Dis]location“ und um die „Illusion von Sicherheit“ machten sich Lino Baldini und Gyonata Bonvinci Gedanken. Eine umfangreiche Auseinandersetzung mit der Rolle von Malerei heute wird dann von Luca Beatrice und Helena Kontova auch gleich noch mitgeliefert. Da keine Biennale heutzutage um Asien herum kann, zeigen Primo Marella und Francesca Jordan „Chinesische Kunst heute“. Und weil ohnehin schon alles Kraut und Rüben ist, hat Tomáš Vlèék noch eine „Hommage an tschechische Künstlerinnen“ draufgesetzt. Respekt, Herr Politi.

Egal. Das Chaos ist zugegeben der Charme der Prager Biennale. Wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, sieht man vielleicht auch den Förster, äh Kurator, nicht mehr, die künstlerische Flora und - Fauna darf wuchern und der Besucher im Unterholz auf eigene Faust Jagd auf neue, alte Talente machen: Zum Beispiel den polnischen Medienkünstler Dominik Lejmann (Jahrgang 1969) mit seiner digitalen Irakkrieg-Schattentapete, die Räuchermännchen der Dresdner Künstlergruppe Reinigungsgesellschaft, die drei Prinzessinnen von der The Islandic Love Corporation, mit ihrem stinkenden Fisch im Aktenkoffer oder den Rotterdamer Aktionisten Marc Bijl (Jahrgang 1973), der sich selbst als „wütenden jungen Mann“ mit „Sex Pistols-Manier“ bezeichnet.

Den streitbaren Fluxuskünstler Milan Knížák, Direktor der Prager Nationalgalerie, kürte Politi übrigens als Präsidenten des Events. Der gab immerhin den Raum im Veletržní Palast, in dem die moderne Kunst der Prager National Galerie untergebracht ist und seinen guten (oder besser schlechten) Namen. Ein taktisch kluger Zug: Sowohl der überwiegende Teil der Kuratoren als auch der der 230 Künstler (überwiegend um die dreißig Jahre alt) sind letztendlich doch eher nur Insidern ein Begriff.



erschienen in Kunstzeitung Nr.84/Aug.03,S.10