Das schweizerisch zurückhaltende „zufällig eingeladen“, könnte man auch mit dem österreichischen Begriff „Freunderlwirtschaft“ übersetzen." />

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Kommentar von Antje Mayer

Freunderlwirtschaft auf der Documenta 12

Kommentar

Richtig begeistert fiel bisher kaum eine Documenta-Kritik in den internationalen Medien aus.

Die des Schweizer Wochenmagazins „Die Weltwoche“ (Nr. 25/7), mit dem Titel „Was für eine Langweile“ ging unter allen jene so richtig ans Eingemachte. Die Autorin Claudia Spinelli warf dort dem Documenta-Chefkurator Roger M. Buergel und seiner Frau Ruth Noak nicht nur Humorlosigkeit, Arroganz und zu große Theorielastigkeit vor, sondern konfrontierte das Paar mit dem wohl übelsten Vorwurf, dem man Kuratoren machen kann: Die Qualität der Arbeiten würde nicht stimmen: „Man hat den Eindruck, das Duo habe sich nicht ernsthaft auf die Suche nach den weltweit besten Geheimtipps gemacht, sondern oft sehr zufällig eingeladen.“
Das schweizerisch zurückhaltende „zufällig eingeladen“, könnte man auch mit dem österreichischen Begriff „Freunderlwirtschaft“ übersetzen, unter der letztlich offensichtlich das Ergebnis in Kassel litt: Schon lange im Vorfeld der großen Kassler Kunstshow tuschelte man nämlich hinter vorgehaltener Hand über das auffällig „familiäre“ Gebaren des Doppels, was seinen Ausdruck nicht nur in der zeitgeistig emanzipatorischen -und dabei zeitweilig unfreiwillig ans Komische reichenden- Pärchenkonstellation fand, sondern auch in der Zusammensetzung der Team- und der Künstlerliste, die zu großen Teilen aus alten Bekannten bestehen: Der in Wien lebende Georg Schöllhammer, der sich für die Documenta-Zeitschriftenprojekt „12 magazine“ verantwortlich zeichnet, ist ein alter Freund aus „Springerin“-Tagen.
Die Leiterin der Kommunikation Catrin Seefranz (zuletzt Pressedame des Wiener Filmfestivals „Viennale“) –der das deutsche Kunstmagazin „Monopol“ (Nr. 7/2007) im übrigen öffentlich „dilettantische Pressearbeit“ vorwarf- stammt ebenfalls aus Buergels Wiener Dunstkreis.
Aus der Wiener Galerie „Hohenlohe & Kalb“ sind auf der Dokumenta allein –sage und schreibe vier (!) Künstler vertreten: Simon Wachsmuth, Imogen Stidworthy, Andreas Geyer und Peter Friedl. Mit Buergel verbindet eine jahrelange intensive Freundschaft zu Hohenlohe & Kalb, die gut dokumentiert ist: Dutzende Male hat Buergel in den vergangenen Jahren Katalogtexte für die Galerie verfasst, einleitende Worte gehalten und wiederholt für Ausstellungen kuratiert und konzeptiert.
Unerwähnt sollte nicht bleiben, dass eine auffällige große Zahl österreichischer oder besser Wiener Künstler in Kassel vertreten sind wie Florian Pumhösl, Gerwald Rockenschaub oder die Komponistin Olga Neuwirth. Gerade weit gereist ist der vormals in Wien lebende Buergel offensichtlich nicht für seine intensiven Recherche.
Dass ein Dokumentachef bei seiner Künstlerwahl aus dem eigenen Repertoire schöpft, ist verständlich und lauter, wenn sie allerdings zum regionalen Heimspiel mit Familienanbindung gerät, weiß man nicht, ob eine global derart beachtete Veranstaltung wie die documenta dem Anspruch einer internationalen Weltkunstshow noch gerecht werden kann. Vielleicht ist sie das auch gar nicht mehr die gute alte documenta: international und „weltkunstig“, sondern regional und das Heimspiel des jeweiligen Kuratoren (und seiner Frau).



Dieser Artikel ist im Informationsdienst Kunst Nr. 381 am 12.7.2007 erschienen.

Link:Informationsdienst KUNST - Link:Galerie Hohenlohe GmbH - Link:Documenta 12 - Link:Die Weltwoche - Link:xcult.org/Claudia Spinelli - Link:Weltwoche/Artikel "Was für eine Langeweile"/Claudia Spinelli -