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Kommentar von Antje Mayer

Total international

Wien machte einmal auf große weite Welt und scheiterte

Sag noch einmal einer, die VIENNAFAIR, die Wiener Kunstmesse, die heuer von 26. bis 29. April 2007 zum dritten Mal stattfand, wäre nicht international genug gewesen. Heuer war sie total international.Internationale Galerien (gesamt 107), davon immerhin 27 aus Ost- und Zentraleuropa, internationale Sammler von den Rubells aus New York bis zu Michael Tsarev aus Moskau und zu guter Letzt: Begleitprogramm auf internationalem Niveau. Um genau zu sein: Abgesehen von den nicht tot zu kriegenden Podiumsdiskussionen auf solcherart Messen fand ein außergewöhnliches Begleitevent auf vermeintlich internationalem Niveau statt. Es war natürlich dann auch das gesellschaftliche Highlight der vier Messetage wie die pralle Gästeliste verriet: der Auftritt der Frauenperformancegruppe „Chicks on Speed“ mit dem schottischen Künstler Douglas Gordon, musikalisch unterstützt vom (zu?) schönen Wiener Lifestyle-DJ Christopher Just im Wiener Gartenbau Kino.

Eingeladen hatte sie die „Wilde Francesca“ von Habsburg und ihr Kunstraum nebst Sammlung „Thyssen-Bornemisza Art Contemporary“ (T-B A21) und alle, wirklich alle, kamen, die Kenner, die Schönen, die Originellen und die Berühmten. Im Publikum saß sogar mehr als eine Person, die sowohl heimisch, als auch international Rang und Namen hatte, was auf österreichischen Pseudo-Promi-Adabei-Veranstaltungen für gewöhnlich eine Rarität ist: unter anderem ein -wie gewöhnlich müder dreinschauender- Künstler Franz West, ein vom nachmittäglichen Picknick angeheiterter Wolfgang Gantner von der Künstlergruppe Gelitin, die russisch-österreichische Künstlerin Anna Jermolaeva, ein -stets verdächtig- gut gelaunter Peter Kogler sowie eine altersmilde dreinblickende VALIE EXPORT und viele, sogar sehr viele mehr.
Aber. Aber. Leider schienen die Girlies an diesem Abend gar nicht auf Speed und angesichts der prominenten und gespannten Gesichter im Publikum, besonders des ihres großen Vorbildes VALIE EXPORT (in Reihe 1) derart aufgeregt gewesen zu sein, dass ihre -zu großen Teilen gar nicht locker von Spickzetteln abgelesenen- Kunstmarkt-kritischen Performance zu einer Art seichten „Aktionismus –Musical“ geriet, in dessen Hintergrund ein bierbäuchiger Douglas Gordon mit Baumelpenis unkoordiniert über die Kulisse hüpfte.
Das brave Spektakel hatte einen Tiefgang passend zu dem der Donau während jener heißen Tage und einen Aktionsanspruch wie das des rührseligen Sissi-Musicals „Elisabeth“.
Für das kunsthistorisch versierte österreichische Publikum nach Nitsch, Brus, Mühl und Konsorten eine herbe Enttäuschung: Fünf halbnackte „Ich-gebe-mich-bewußt-nicht-sexy“-Frauen, die auf Bodypainting und Laptopsound machen.
Wieder nix mit der großen weiten Welt. Vielleicht, dachte ich mir, ist das mit der Sehnsucht nach dem „Internationalen“ angesichts des globalen Einheitsbreis einfach out. Die Welt ist längst schon da.



Text erschienen in Kunstzeitung 06/2007
Link:Kunstzeitung - Link: chicks on speed - Link: viennAfair - Link:Artfacts.Net:Douglas Gordon - Link: Valie Export - Link: Franz West - Link: Gelitin - Link: Thyssen- Bornemisza Art Contemporary - Link: art-port.cc/ Anna Jermolaeva - Link: Peter Kogler -