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Kommentar von Antje Mayer

Wieder neuer Rektor für die Akademie in Wien

Nun dürfte das Gezerre um den Rektor der Akademie der bildenden Künste in Wien endlich ein gutes Ende gefunden haben. Der 50-jährige, deutsche Kunsttheoretiker Stephan Schmidt-Wulffen, ist am 13. März mit ganz knapper Mehrheit, mit 54 von 105 Stimmen, zum neuen Leiter der altehrwürdigen Wiener Institution gewählt worden. Seine Mitstreiter waren Michael Herbst, der derzeitige Vizerektor für Budget und amtsführender Rektor der Akademie und Veit Loers, der das Museum Abteiberg Mönchengladbach als Direktor führt. So bald wie möglich, so Schmidt-Wulffen, würde er sein Amt antreten wollen, am besten noch diesen April, anlässlich der Eröffnung der Wehrmachtsausstellung (9.4. bis 26.05. im Atelierhaus der Akademie).

Der bisherige Chef des Hauses, Boris Groys, der nach nur wenigen Monaten im November vergangenen Jahres zurücktreten mußte, war wieder nach Karlsruhe zurückgepfiffen worden. Die dortige Hochschule für Gestaltung wollte ihn nicht karenzieren. Die Baden-Württemberger sahen es nicht „in ihrem Interesse“, daß der Professor (auf Lebenszeit) auf zwei Hochzeiten tanze und in der Konsequenz dem Ländle, zugunsten des schönen Wiens, vier Jahre den Rücken kehre.

Naivität oder Absicht? Daß er nicht beide Ämter belegen kann, hätte der bekannte Kunsttheoretiker Groys eigentlich vorher wissen müssen. Sei’s drum. Schmidt-Wulffen, der derzeit „nur“ Gastprofessor für Visual Arts an der Columbia University New York ist und eine Teilzeitprofessur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bekleidet, wird seinen Job an der Donau jedenfalls antreten können, darf dafür sogar ein Gehalt annehmen und wird hoffentlich auch die restlichen drei Jahre ausharren: Eine derartige Peinlichkeit, wie die mit Boris Groys, wird sich das Haus nicht mehr leisten wollen. Er plane jetzt schon fest, so Schmidt-Wulffen forsch zur österreichischen Tagespresse, danach noch einmal für vier Jahre zu kandidieren.

Führungsqualitäten dürfte der namhafte Kurator und Theoretiker mitbringen: Von 1992 bis 2000 hatte er sich als Leiter des Hamburger Kunstvereins einen Namen gemacht. Studiert hat der gebürtige Wittener (an der Ruhr) Allerlei: Sprachwissenschaft, Philosophie, Germanistik und Kommunikationsdesign. Zehn Jahre lang machte er sich als Kunstkritiker einen Namen, nebenbei lehrte er an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und ist seit 1998 Vorsitzender des Ausstellungsbeirats des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart.

Ob Schmidt-Wulffen für den nötigen frischen Wind auf der Wiener Akademie sorgt, bleibt allerdings fraglich: “Ich glaube, die Aufgabe der Kunst ist es, in einer sich immer mehr beschleunigenden Zeit“, so der neue Rektor zur Tageszeitung „Die Presse“, „für die Verzögerung der Geschwindigkeit zu sorgen, in einer Zeit, die immer weniger der Innenschau Raum gibt, für das Innehalten und Nachdenken." Evangelischer Kirchentag laß grüßen.



erschienen in Kunstzeitung Nr.68/Apr.02,S.26