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Kommentar von Antje Mayer

Coop Himmelb(l)au

Architektur für Autos

Das österreichische Architekturkollektiv Coop Himmelb(l)au ist weltberühmt. Das sind Wolf D. Prix und Helmut Swiczinsky, nennen sich Dekonstruktivisten, sitzen in Wien und bauen nichts.
Von wegen. Das war einmal. Das Duo, das sich Ende der Sechziger mit einem frechen Manifest („Architektur muss brennen!“) und mit spektakulären Experimenten, wie beweglichen „Pneumatik-Wohn-Wolken“ weltweit einen Namen machte, kann sich nach fast drei Jahrzehnten Auftragsflaute nun endlich über große, realisierte Projekte freuen.

1998 stellte Coop Himmelb(l)au den kristallinen Ufa-Kinopalast in Dresden fertig, der Anbau nebst Umbau des Wiener Gasometers ist bezogen, die tanzenden Pavillons in Biel für die Schweizer Expo 02 stehen, in Mexiko Guadaljara zieht das Büro gerade ein riesiges Unterhaltungscenter hoch, der Zuschlag für das Museum in Lyon liegt auf dem Tisch und nun haben die Wiener gegen 275 Architekturbüros auch noch den Wettbewerb für das BMW Erlebniszentrum in München gewonnen.

Die dekontruktivistischen Attitüden à la Daniel Libeskind und Zara Hadid, sind mit den Jahren offenbar salonfähig geworden. Kritiker ätzen: „Durcheinandergeworfene Mikadostäbe“, „Bekleidungsarchitektur“, um deren vielzitierte Auseinandersetzung mit sozialen und städtebaulichen Kontexten es nicht weit her sein könne, sähen die Gebäude doch alle irgendwie immer gleich aus.

Als „telegene“ Unterhaltungsarchitektur scheinen sie allenfalls zu taugen. Die dynamischen, schrägen und verschraubten Glasflächen im transparenten Splitterlook passen, ähnlich wie bei der „Gläsernen Manufaktur“ in Dresden und der „AutoStadt“ in Wolfsburg von Architekt Gunter Henn, eben gut zur Kommunikation einer Markenidentität. Und bestens da, wo es wie bei einem Autohersteller um Mobilität geht.

In zwei Jahren soll also das 100-Millionen-Euro teure Ausstellungs- und Veranstaltungsareal von Coop Himmelb(l)au in München seine Pforten öffnen und, in Melange mit Karl Schwanzers bekanntem Vierzylinder-Hochaus (1972), architektonisch die bayrische Marke promoten. Die Idee der Österreicher überzeugte, weil sie einfach und variabel war: Ein spektakuläres amorphes Dach, an das Heck der neuen 7er-Limousien von BMW erinnernd und darunter ein flexibel bespielbares Atrium für allerlei „Markenerfahrung“. Was immer dieser Begriff auch bedeuten mag, eine Live-Auslieferung der Neuwagen, zelebriert wie die Kommunion in der Kirche, gehört, Dresden lässt grüßen, freilich inzwischen zum Erlebnispaket.

„Das ist eine Architektur, die auf Bewegung und Aktionen der Benutzer reagiert,“ so Maestro Wolf D. Prix, mit der obligatorischen Havanna in der Hand. „Architektur agiert, wenn sie statisch ist. Dann klotzt sie. Wenn sie reagiert, dann verändert sie sich direkt bemerkbar durch die Bewegungen und Bedürfnisse der Menschen.“ Wie auch immer. Dem Architekten dürfte seine fette Zigarre momentan sehr gut schmecken.



erschienen in Kunstzeitung Nr.73/Sept.02,S.73
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