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Kommentar von Antje Mayer

Leere oder volle Blase?

Das Kunsthaus Graz befindet sich derzeit im Sperrfeuer der Kritik . Eine Kritik der Kritik.

Das neue Kunsthaus Graz, anlässlich der Kulturhauptstadt Graz 2003 neu gebaut und im eben jenem Jahr eröffnet, war und ist unter Architekturkritikern international stets umstritten gewesen. Seine charakteristische Bubbleform mit Lichtstacheln (auch von den Einheimischen „Igel unter dem Rasenmäher“ genannt), die die Londoner Architekten Peter Cook und Colin Fournier damals übrigens an die Grenzen ihrer technische Möglichkeit brachte, galt vielen als zu manieristisch und auf Effekthascherei aus. “Der Alien: aufgetaute Tiefkühlkost. Auf der Verpackung eine Attraktion, aber dann schal”, schrieb damals die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Nun wird nach fünf Jahren Ausstellungsbetrieb auch nachhaltig Kritik an der Art der Bespielung des Hauses laut, die in einem polemischen Artikel Ende Februar des Lokalredakteurs Michael Tschida in der „Kleinen Zeitung“ gipfelte, der mit Heideggers Zitat „Dort, wo das Nichts nichtet“ betitelt war.
Darin beklagt sich der Autor über das „depressive“ fensterlose Innenarchitektur, das sperrige- für ihn nichtssagende- Ausstellungsprogramm, genauer die Ausstellung „Cerith Wyn Evens“ (bis 13.5.2007), die schlechte Kulturvermittlung und die kleine Ausstellungsfläche, die nur wenige Ausstellungsexponate zulasse. Diese Kritik in der Provinzzeitung wäre nicht weiter bemerkenswert gewesen, hätte dieser Beitrag nicht eine Welle an Beifalls- und Missfallensbekundungen ausgelöst, die weit über österreichische Grenzen schwappte, allen voran von Direktor Peter Pakesch selbst ausgelöst, der am nächsten Tag umgehend mit einem offenen Brief „Eventkultur ist nicht unser Weg“ in eben jedem „kleinen Medium“ konterte.
Um die Wirkung seiner Worte zu unterstreichen, dürfte jener dann noch sein namhaftes internationales Netzwerk aktiviert haben Mit Erfolg: Solidarität mit dem Kunsthaus Graz bekundeten in Leserbriefen (die auf der Website www.kunsthausgraz.at zu finden sind) unter vielen anderen etwa Bice Curiger, Chefredakteurin des Schweizer Magazins „Parkett“, Veit Loers, Direktor des Museum Abteiberg Mönchengladbach, Robert Fleck, Direktor Deichtorhallen Hamburg bis zu einheimischen Künstlers wie Heimo Zobernig oder Eva Schlegel, von Barbara Holub, Präsidentin der Secession, bis zu Wolfgang Kos, Direktor MUMOK Wien.
Ihr Tenor: Man solle sich im Kunsthaus Graz weiter von Experimenten leiten lassen, Peter Pakesch leiste gute Arbeit und sei ein Liebhaber der Kunst, immerhin genieße das Kunsthaus Graz inzwischen einen guten (oder hervorragenden) internationalen Ruf. Moderne Kunst sei eben ungemütlich, manchmal unpopulär und anspruchsvoll. Und so weiter und so fort.
Aber noch einmal an den Anfang, zur Architektur. Das Kunsthaus Graz nämlich ist, das lässt das Blasendach vermuten, das genaue Gegenteil eines White Cubes, eben eher ein Big Tube, der alles formal tut, nur eines nicht: sich hinter der Kunst zurückhalten. Durch dominante Einbauten (etwa eine lange Rolltreppe) und komplexe Raumfolgen ist das Haus sehr schwer zu bespielen und lässt tatsächlich wenig Luft und Raum für die Kunst selbst und eine visuell stressfreie Rezeption des Besuchers, der abgelenkt durch die –zugegeben teilweise sehr schönen detailliert designten- Räume irrt. Die Vermittlung, so hat es die Autorin für sich nicht weiter störend wahrgenommen, war tatsächlich reduziert bis kaum vorhanden.
Das Kunsthaus Graz eben kein Museum in Wien, wo es ein Kaleidoskop von Angeboten zur Gegenwartskunst gibt, sondern eben eines in einer Kleinstadt wie Graz und das ist Graz, klein, auch wenn mancher das nicht hören mag. Der Wiener Direktor Peter Pakesch muss mit ähnlichen Problemen kämpfen wie die auch aus Wien stammende Direktorin Stella Rollig vom Lentos Museum in Linz. Das Volk hat in der Provinz offensichtlich mehr Bedarf an Vermittlung moderner Kunst, einen gänzlich anderen vielleicht sogar als in einer Großstadt und selten ist es zu besänftigen mit Allgemeinplätzen wie “Kunst ist mühsam“ (Peter Pakeschs „Offener Brief“ in der „Kleinen Zeitung“ vom 27.2.2007), denn genau das empfanden ja gerade die Kunstmuffel bisher. Sie vom Gegenteil zu überzeugen, kann die anspruchvollste, aber auch befriedigendste Sache der Welt sein.



Kontakt:
Kunsthaus Graz am Landesmuseum Joanneum
Lendkai 1, A-8020 Graz
T +43-316/8017-9200
F +43-316/8017-9212
info@kunsthausgraz.at

Dieser Artikel ist im Informationsdienst Kunst Nr. 372 am 8.3.2007 erschienen.

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