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Kommentar von Antje Mayer

Es ist mit der Malerei wie mit dem Rock’n Roll, der Krawatte oder der E-Gitarre...

Es residierte kürzlich in der Wiener Galerie Lisa Ruyter eine derzeit sehr begehrte junge Künstlerin und (fast) keiner hatte es bemerkt. Ihre Fans und Sammler schon. Die meldeten sich aufgeregt aus der ganzen Welt. Jeder wollte unbedingt eines der großformatigen Gustostückerln der Künstlerin erwerben, und wer die 60.000 Dollar und mehr für eine Arbeit nicht locker hatte, wenigstens einmal live ein Werk zu Gesicht bekommen. So beliebt sind inzwischen die Arbeiten der Künstlerin, dass jene die Interessenten mittlerweile sogar auf eine Warteliste setzen und bis Ende nächsten Jahres vertrösten müssen.

Schon erraten, von welcher Künstlerin die Rede ist? Von der 1969 in London geborenen, dort auch ausgebildeten und nun in New York City lebenden Künstlerin Cecily Brown. Nur vier Werke, unter anderem „Study after Paradise 1,2,3“ hatte die -mit der Malerin befreundete Galeristin Ruyter- in ihrem kleinen Lokal im 4. Bezirk von 23.9. bis 30.10.2004 gezeigt und die gingen dann auch innerhalb kürzester Zeit über den Ladentisch. Die vierte Arbeit „Crapolette“ (2003, Öl auf Leinen, 203x228cm) wurde nach Verkauf sogleich als Dauerleihgabe an das Museum der Moderne in Salzburg übergeben.

Unter anderem im Museo Nacional Reina Sofía in Madrid und kürzlich in Contemporary Fine Arts Berlin waren von Brown heuer Solo-Ausstellungen in Europa zu sehen, auch auf der Whitney Biennal in New York war sie dieses Jahr mit dabei.

Cecilys Browns Arbeiten sind zwar derzeit extrem begehrt, jedoch scheiden sie ebenso sehr die Geister, sind sie doch formal der klassischen Malerei auf Leinwand zuzuordnen, nicht weniger, nicht mehr. Ekletistisch postmodern seien sie, schimpfen einige Kritiker. Eine amerikanische Kunstkritikerin schrieb einmal, Browns Kunst sei ungefähr das, was herauskommt, wenn eine Künstlerin durch die Kunstgeschichte der Malerei shoppen gehe: „Shopping-Malerei“.

Brown geht motivisch genauso bei alten Meistern wie Peter Paul Rubens, Jan Brueghel oder Mategna „einkaufen“, wie sie sich auch gerne bei Porno-Zeitschriften bedient. Letztere, so versichert die Malerin, würde sie nicht etwa aus Voyeurismus oder Interesse am Sex beiziehen, sondern sie dienten mehr als Vorlage für menschliche Körperstudien. Pornopostillen als Ersatz für das Aktmodell? Genauso wenig wie man Browns kraftvolle Ölbilder als pornographisch bezeichnen kann, so wenig sind sie wirklich gegenständlich oder abstrakt.

Ihre Gemälde sind irgendwas zwischen Abstraktion und Figurativen, so wie es Francis Bacons Arbeiten sind, vielleicht auch die von Sigmar Polke oder Gerhard Richter. Wer nicht genau hinschaut, der meint den deutschen Maler Lovis Corinth (1858-1925) vor sich hängen zu haben, so ähnlich ist teilweise der Pinselduktus. Auch der Hang zum Frivolen, der verräterischen Geste, dem Zweideutigen ist den beiden gemeinsam.

Es sind bizarre Körper und Landschaften bei Brown in einem artfremden Aggreatszustand der Auflösung und gleichzeitig der Komprimierung. An asiatische Kunst erinnern sie zuweilen, an Holzschnitte und Nanga-Malerei und sie sind vor allem auch eines: bunt und dekorativ.

Aber warum nicht! Ist die Halbwertzeit des Dekorativen nicht manchmal (leider) länger als die des Gesellschaftskritischen in der Kunst? Wie auch immer, es gibt vielleicht einen driftigeren Gund für den großen Erfolg von Cecily Brown: So mancher – vor allem private- Sammler dürfte mittlerweile die Nase voll haben von kompliziert zu präsentierenden und raumfressenden Installationen und Medienkunstarbeiten und aus ganz praktischen Überlegungen wieder auf das „Klassische“ zurückgreifen: Hochqualitative Gemälde, die man sich „über das Sofa“ hängen kann. Werke, die der befreundete Bankier genauso schön findet und versteht wie der Kunstgourmet von nebenan. Es ist im Grunde mit der Malerei wie mit dem Rock’n Roll, der Krawatte oder der E-Gitarre. So oft wie die Malerei totgesagt wurde, so oft wurde ihr Comeback gefeiert. Was sich bewährt, bleibt bestehen.



Galerie Lisa Ruyter -