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Kommentar von Antje Mayer

„Beatles, Bagels und Bomben“

Kunst in Zeiten des Krieges

„Statt Bomben ... auf Nordvietnam“, schlug der Künstler Wolf Vostell vor 37 Jahren vor, „ sollten die US-Flugzeuge die Bevölkerung mit folgendem bombardieren: Masthühner, Schnürriemen, Kaugummi [...] Hamburger, Bagels, Coca Cola, Sicherheitsnadeln, Beatles Records [...] Grundgesetze, Teebeutel...“. Vostells (1932-1998) Anti-Kriegs-Happening von 1966, scheint sich die Supermacht Amerika und ihre Verbündeten, mittlerweile zu Herzen genommen haben: Nur leider werfen sie derweil ebensolches und Bomben. Auf dass keiner aufmucke, wird dabei der Ausnahmezustand proklamiert, um die Bildung „einer neuen Weltordnung“ (Stichwort: Bagels) und den Krieg gegen den Terrorismus zu argumentieren. Ob er in New York, Bali, Israel, Irak, Nordkorea stattfindet, ist letztlich egal; der kriegerische Bilder-, Konsum- und Informationssturm aller Gegner, inklusive realer Gewalt, hält sich an keine Grenzen mehr, ob pekuniär, territorial, politisch, medial, popkulturell oder künstlerisch. Bezeichnend, dass die Namen von Kriegsfotografen, wie Simon Norfolk (Foto) oder Stanley Green, in einem Atemzug mit ihren Künstlerkollegen genannt werden. Dass Krieg zur „Massenkultur“ mutiert, spiegelt schon der diesjährige Boom an Ausstellung zum Thema Kunst und Krieg wieder.

Die Hamburger Kunsthalle hat noch nicht die Schau „Callot, Goya, Dix: Krieg” abgehängt, schon eröffneten der Medientheoretiker Peter Weibel und der Kurator Günter Holler-Schuster die Ausstellung „M_ars. Kunst und Krieg“ in der Neuen Galerie Graz, im Rahmen der Kulturhauptstadt 2003 (bis 26.3.) Anhand 120 zeitgenössischer Kunstwerke zu Alltagsgewalt und Krieg, soll eine Gesellschaft im „kritischen“ (Kriegs-)Zustand (Weibel) dokumentiert werden.

Gesellschaftliche und private Gewalt, wie in Graz, miteinander zu vermengen, finden hingegen die Wiener Kuratoren Gabriele Mackert und Thomas Mießgang „fahrlässig“. Sie bereiten momentan die Kunsthallen-Ausstellung „Attack!“ vor, die sich auf das Thema Kunst und Krieg in „den Zeiten der Medien“ konzentriert (23.5. bis 21.9.).

Der österreichische strikt avisuelle Soundkünstler Franz Pomassl soll im Zuge dessen, den Wiener Karlsplatz mit einem Erdbebensimulator „so sehr zum Vibirieren bringen, als walze eine Panzerkompanie darüber“ (Pomassl).

Das kann Fans, der Briten Jake und Dinos Chapmann, nicht hinter dem Ofen hervorlocken. Die Künstler gruseln momentan mit ihrem -vorher in Groningen gezeigten- Horror-Panoptikum zu Krieg, Pädophilie, Gewalt und Holocaust im Düsseldorfer Museum Kunst Palast (bis 4.5.). Angesichts der täglichen medialen verbalen und optischen Gewalt, mutet es geradezu rührend an, dass vor der Ausstellung Warnschilder aufgestellt sind: „Diese Kunst könnte ihre Gefühle verletzen.“

Krieg und Gewalt ist, so scheint’s, vom Bildschirm bis zum White Cube, außer in Düsseldorf vielleicht, gesellschaftsfähig geworden. Innerhalb dieser Logik hat dann auch niemand mehr Hemmungen, die terminologischen Grenzen zwischen Krieg und Kunst locker schwadronierend zu überschreiten, wie es einst die Futuristen taten, die als Künstler „für die schönen Idee“ sterben wollten. (siehe dazu die Ausstellung „Futurismus. Radikale Avantgarde“ im Kunstforum der Bank Austria von 9.3. -25.6. , die sich auf die Kernjahre der Bewegung von 1909 bis 1916 und die fünf Hauptmeister Giacomo Balla, Umberto Boccioni, Carlo Carrà, Gino Severini und Luigi Russolo beschränkt).

In diesen Kontext passt auch der Komponist Karlheinz Stockhausen, der nach dem 11. September 2001 frisch fröhlich verkündet, es handle sich bei dem Attentat„um das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat“. Genauso der Journalist und Medienanalytiker Florian Rötzer, der meint „Terroristen sind Medienkünstler“, weil sie ihre Coups medial inszenierten. Der Medienphilosoph Paul Virilio lässt auch keine Friedenstaube steigen, wenn er sittlich wird: „Die Kunst ist [...] ab sofort Teil der Terrorszene. Ohne diese tragische Feststellung versteht man die ‚Krise der zeitgenössische Kunst’ nicht, versteht man den Exzess einer sogenannten ‚Freiheit des Ausdrucks’ nicht, der nichts anderes ist als die Freiheit zum Attentat auf die Sittlichkeit, sondern auch auf den Wert; auf die ethischen oder ästhetischen Werte, die bis jetzt Sinn machten, auf die Kunstszene.“

Wie sehr ist die Trennschärfe zwischen dem Krieg und Kunst schon verwischt, wenn sie es schon terminologisch so sehr ist? Man möchte angesichts der „bis zu 250.000 zu erwartenden Toten im Falle eines Irakbombardements“ (interne UNO-Schätzungen) kopfschüttelnd seine verstaubten „Frieden für Welt“ –Banner wieder entrollen - sicherheitshalber in einer kunstfreien Zone. Der legitime Wunsch nach Frieden wird einem, kaum ausgesprochen, indes schon im Munde herumgedreht. Man kämpfe (!) ja für Frieden und Sicherheit. „Kalter Frieden“ oder was?

Wolfgang Sützl, Autor und Mitarbeiter des Wiener Instituts für Neue Kulturtechnologie (Public Netbase) wahnt Schlimmes: „Mit dem neu geführten Krieg wird es problematischer, für den Frieden zu argumentieren, ohne für verrückt oder verantwortungslos gehalten zu werden.“



erschienen in Kunstzeitung Nr.79/März 03,Titelblatt