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Kommentar von Antje Mayer

Plattformen für Plattformen

Das Quartier21 im Muqua eröffnet

Viel tat sich bisher nicht im Wiener Museumsquartier. Außer, dass ein paar schwarzgewandete, graumelierte Ehepaare wichtig im Katalog blätternd durch die heiligen Hallen der Künste defilierten und danach ihren wohlverdienten Prosecco in einer der überteuerten Lokale dort schlürften.
Am 13. September war dann endlich doch einmal was los im ansonsten eher öden Kunstareal gewesen. Da wurde das Quartier21, Sitz von mehr als zwanzig vorwiegend jungen, oder zumindest kleinen, Kulturinstitutionen im historischen Fischer-von-Erlach-Trakt eröffnet.
Wohl weniger der Kunst wegen kamen sie, sondern um DJ-Legende Grandmaster Flash zu lauschen. Aber endlich rückten sie an wie die Lemminge, die von Hausherr Wolfgang Waldner lange ersehnten Jugendlichen. Zu Tausenden tanzten sie ab, versauten gnadenlos die Innenhöfe, tranken das Bier ratzeputz leer, stürmten die entbehrliche VIP-Lounge und brachten ab zwei Uhr nachts die Rausschmeißer zum Wahnsinn. Die Besucher wollten nicht gehen. Ob sie jedoch abermals in die Quartier21 zurückkommen werden, kann man nur hoffen.

Initiator Vitus H. Weh, Kurator und Kunstkritiker, ist optimistisch, dass sein Konzept, „weltweit einmalig“, (Weh) aufgeht. Also junge Kulturinitiativen auf ein paar verwinkelten Quadratmetern, zu einer günstigen Miete, in eine durchgängige Kunstmeile (400 Meter), mit Schaukästen und gemeinsamen Veranstaltungsräumen, zu pferchen. „Ich fühle mich jedenfalls in einem Museumsshop wohler als in einem Museum“, so Weh. „Ich stehe zum Mall-Konzept“.
Der hat sich –angesichts der alles andere, aber nicht die Wiener Kunst- und Alternativszene, repräsentierenden Mieterliste- sichtlich schwer getan, auch genügend Anbieter mit Biss für sein Projekt zu euphorisieren. Galt und gilt es immer noch unter den heimischen Protagonisten als ziemlich „uncool“, mit der Errichtergesellschaft des Muqua zu kooperieren. Denn die behält sich –trotz zugesagter inhaltlicher und finanzieller Autonomie- durch ihr Hausrecht und die auf zwei Jahre befristeten Mietverträge natürlich indirekt den Anspruch einer Einflussnahme vor.

Ins Mezzanin und in den ersten Stock sind wieder die alten Mieter zurückgezogen, wie die Kunstzeitschrift „DieSpringerin“, der Verband österreichischer Galerien moderner Kunst oder der Kunstkritikerverband AICA. Und im Erdgeschoss versammelt sich nun seit neuesten ein liebes, buntes Allerlei in den verbauten Kobeln der jungen Architektenteams „PRAG“, „BEHF“ und „awg_AllesWirdGut“. Ein Ambiente, das den kreativen Charme von Kindergarten-Kletterburgen und den urbanen Glanz von Einkaufspassagen deutscher Kleinstädte verströmt.

Hier verkaufen sich Initiativen wie die der agilen Datenschützer von „quintessenz.at“, die lang ersehnte neue Ost- und Südosteuropa-Plattform „Piroschka“, das Institut! 5haus und Spoiler, beide im Dienste der zeitgenössischen und elektronischen Musik und die per Vereinsstatut sehr lockere Künstler- und Aktionsgruppe „monochrom“. Hinter dem unglaublich orginellen englischen Labelnamen „Found for You“ versteckt sich das Modeareal des österreichischen Modeduos Wendy & Jim, nebst dem Secondhand-Shop „Polyklamott“. Der verkauft schlicht und einfach gebrauchte Kleider, aber will das lieber als „Impuls für individuelles Kleiden“ sehen. Gegenüber im Ovaltrakt sind dann noch Künstlerstudios und Gästezimmer, um die sich, wie um alles, alle -demokratisch versteht sich- streiten können.

Summa summarum: Eine Menge Plattformen für Plattformen für Plattformen, die –liest man sich die Programme durch, - alle irgendwie, ein Stück weit „transportieren“, „experimentieren“, „Raum bieten wollen für“, ja, für wen? Für die Kunst, die wo dann entsteht? Jetzt ist man halt erst einmal eingezogen und dann wird man halt einmal schauen. Viel Glück und denkt alle daran: Zwei Jahre sind verdammt kurz.



erschienen in Kunstzeitung Nr.75/Nov.02,S.8
Museumsquartier Wien -