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Kommentar von Antje Mayer

Delikatessen im Kunsthistorischen Museum - Wieder Skandal um Wilfried Seipel

Wilfried Seipel, der Direktor des Kunsthistorischen Museum Wien, hat es derzeit nicht leicht. Am 8. Juni gerade 60 Jahre geworden, will man ihm von allen Seiten Böses. Erst wird ihm einfach die Saleria aus dem Glaskasterl „genommen“ und nicht wieder zurückgebracht, trotz 70.000 Euro Belohnung keine Spur und nun auch noch das. Die Grünen und die SPÖ fordern erneut seinen Rücktritt, weil es Ungereihmtheiten in der Buchhaltung des „Seipelianeum“ gebe.


Das hätten die sich auch sparen können, das mit dem Rücktritt, meint Seipel denn den hat er ihnen nun sowieso schon zweimal freiwillig angeboten. Gilt nicht, sagen die Kritiker, reine Rhetorik, denn die zuständige Ministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) nehme diese Angebote nie im Leben an. Warum? Seipel und Gehrer verbindet ein sehr gutes Verhältnis oder sagen wir lieber ein Verhältnis. So eines, wo man nicht dir nichts mir nichts „Schluss macht“. Aber da es sich nicht geziemt, über so private Dinge öffentlich zu sprechen, wurde das bisher politisch korrekt unter der Decke gehalten. Gewusst hat’s eh jeder, weil die Zwei auch keinen großen Hehl daraus machten, geschrieben hat es nur keiner. Nun aber, da sich alles als doch sehr gravierend herausstellt, lässt man auch in den österreichischen Medien die Katze aus dem Sack. Manche gehen sogar so weit, zu behaupten, ein Rücktritt Wilfried Seipels würde dem seiner „Liesl“ Gehrer gleichzusetzen sein.

Aber von vorne. Seipel, Direktor und Geschäftsführer eines Museumsimperium (u.a. Kunsthistorisches Museum, Museum für Völkerkunde, Österreichisches Theatermuseum, Schloss Ambras, Lipizzaner Museum) erwarb 1998 im Dorotheum sechs Uschebtis als Konvolut. Zwei von diesen Grabbeilagen, angeblich Dubletten, kaufte Privatmann Seipel von Geschäftsführer Seipel, und das, obwohl man Sammlungsgut nicht veräußern darf. Außerdem sollte das angeblich geschickt retouschiert werden, indem man die Inventarnummern der Objekte „gefundenen Leinwänden“ zuwies. Das Gutachten zu den „Dubletten“ erstellte im Übrigen eine --freilich völlig unabhängige- Mitarbeiterin Seipels und das erst als die Prüfer um Aufklärung baten, also zwei Jahre später.
Geschäftsmann Seipel revanchierte sich bei Privatmann Seipel insofern, als dass er ihm seinen Mitsubishi für das Museum abkaufte. Eine Hand wäscht die anderen und deswegen ersparte Geschäftsführer Seipel sich selbst die Angabe von der Betriebsnotwendigkeit und Privatmann Seipel die Vorlage eines Fahrtenbuchs.
Und weil die Zwei sich so gut verstehen, erhöhte der eine dem anderen im Zeitraum 1998 bis 2002 auch noch gleich das Gehalt um das sage und schreibe 2,5-fache, von 90.00 Euro auf 230.00 Euro. Immerhin fanden beide einhellig „die Bezahlung angemessen.“ Wenn das beide sagen, wird sich auch Ministerin Gehrer gedacht haben, wird das wohl stimmen. Außerdem kann man dann auf den gemeinsamen Reisen nach China und Ägypten auch mal privat was springen lassen und liegt nicht immer nur dem Steuerzahler auf der Tasche.
Dann gibt es noch ein paar Dinge, über die sich der Rechnungshof wundert. Im gegebenen Rahmen nur ein sehr kleiner Auszug: Seipel verleiht immer wieder wertvolle Bilder (etwa Werke von Vermeer) ins Ausland, obwohl die Restaurierungswerkstätte wiederholt dagegen Einspruch erhoben hatte und es einen Erlass aus dem Jahr 1971 gibt, der eben das verbietet.
Dann geben Seipels Dienstreisen zu Denken auf. Zwar verrechne Seipel kein Tag- und Nachtgeld, die Flug- und Restaurantrechnungen seien aber so hoch, so die Prüfer, dass sie insgesamt die Repräsentationskosten einer Ministerin weit überschritten (Man darf raten, von welcher). Er koche nicht nur gerne, sondern esse eben auch leidenschaftlich gerne, das wisse man, ließ der vollschlanke Seipel in einem Interview verlauten. Eine Fernsehsendung ließ kürzlich dahingehend keinen Zweifel: Da machte Seipel Marillenknödel für das Publikum.
Dann bezieht der Generaldirektor noch eine alljährliche Aushilfe für „unverschuldet in Not geratene“ Beamte von 80 Euro und kauft auf Mallorca eine Sphinx um vier Millionen Dollar, obwohl Seipel damals noch gar nicht einen solchen Kaufvertrag abschließen durfte, weil das Museum noch nicht ausgegliedert, sprich „selbstständig“, war. Dass die wertvolle Statue dann angeblich in einem einfachen Lieferwagen von der Insel nach Wien transportiert wurde, erstaunt, aber wundert keinen mehr, der die Sicherheitsgebaren des Kunsthistorischen Museum kennt. Ein kürzlich fertig gestellter Ermittlungsakt der Polizei zum Raub der Saliera (Schätzwert 50 Millionen Euro) vor über einem Jahr bestätigt, dass die Sicherheitsvorkehrungen damals ungenügend waren. Das Gerüst hätte gesichert werden müssen, was aber „aus Kostengründen“ abgelehnt wurde. Vielleicht hätte ein opulentes Abendessen weniger dazu geführt, dass das wertvolle Salzfässchen noch im Kunsthistorischen stünde, möchte man da entgegnen.
Seipel kann die Aufregung nicht verstehen, er hätte doch „immer nur im Sinne des Museums gehandelt“, als er die zwei Grabbeilagen aus eigener Tasche vom Museum abkaufte, ein acht Jahre altes Auto von sich selbst als Dienstwagen (immerhin ohne Chauffeur!, aber dafür mit „KHM1“ als Nummernschild) erstand, auf Dienstreisen keine Tag- und Nachtgelder verrechnet hatte, dafür aber das Museum angemessen repräsentierte, restauratorisch heikle Bilder ins Ausland verlieh, um selbst ebenso wertvolle Stücke nach Wien holen zu können und so weiter und so weiter. Das mit den 80 Euro für “in Not geratende Beamte“ freilich würde er sofort abstellen. Das sei tatsächlich nicht korrekt. Sonst vermute er hinter den Beschuldigungen allein politisches Kalkül. Gehrer findet das selbstredend auch, zumal „Seipel ein sehr tüchtiger (sic!) und guter Generaldirektor“ sei. Wenn das immerhin die Ministerin sagt. Außerdem rühre das alles nur von einem her. Von? Na was? Genau: Neid.



erschienen in Informationsdienst Kunst Nr.304/ Juni 04, S.4 ff
Kunsthistorisches Museum Wien -