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Kommentar von Antje Mayer

Red Bull einkühlen für die Kunst

Kein Pardon für „Kunststücke“

Es hagelte Proteste, Unterschriftenaktionen, Leserbriefe, Petitionen, Kettenmails. Es half alles nichts. Am 26. September wird nach 21 Jahren, die von den kulturinteressierten Österreichern offenbar heißgeliebte, dennoch kaum gesehene Kunstsendung „Kunst-Stücke“ (Donnerstag, 23 Uhr 30 auf ORF1) für zeitgenössische Kunst, experimentellen Film und junge Kultur das letzte Mal über den Bildschirm flimmern. Die blonde Moderatorin Andrea Schurian das letzte Mal für die Zuseher ihren obligatorischen Totschlägerschmuck anlegen und sich das letzte Mal in ein Sackkleid eines österreichischen Designers hüllen. Eine ganze Nation trauert und niemand will es gewesen sein.
Gerade einmal 35.000 Zuschauer durchschnittlich (Marktanteil neun bis elf Prozent) sollen für die holde Kunst zu dieser unwirtlichen Zeit tapfer die Stellung vor der Glotze gehalten haben. Zuwenig um „konkurrenzfähig“ zu bleiben, befand die neue ORF-Generaldirektorin Monika Lindner.
„Manchmal wäre es fast besser, eine Kultursendung an die Seher per Video zu versenden. Das ist billiger als die Ausstrahlung“, so oder so ähnlich soll Haide Tenner, Chefin der ORF-Kultur, geätzt haben.Die Inhalte blieben, so beruhigt indes der ORF, sie würden nur auf verschiedene Sendeflächen verteilt.
Wie immer das dann genau aussehen wird, was man spätestens Mitte Oktober erfahren wird, ein Sechsertragerl Red Bull kann man angesichts der Sendezeiten schon mal einkühlen: Donnerstag Abend (23 Uhr 10) soll in 120 Minuten „eine experimentelle Magazinfläche für junge Kreative“ geschaffen werden. Eine nette Umschreibung für ein Jugendmagazin mit Kommando-Heiterkeit à la MTV, wie viele vermuten.
Kultur-Dokus sind am Sonntag (23 Uhr 15) dran, Kultur- und Dokumentarfilme werden in Hinkunft Montag (0 Uhr 30) ausgestrahlt. Den Rest verwurstet Barbara Rett Montag in ihrem reichlich biederen „Treffpunkt Kultur“, wenn, ja, wenn es deren Zielpublikum nicht verstört. Und das verstört im seligen Alpenländle bekanntlich leicht mal was. Na Bravo. Österreich ist so stolz auf sein Exportgut Nummer eins, die Kultur. Bald mehr Museen als Skihütten hat das Land, in dem so viele Kreative werkeln und nun erfährt keiner mehr was davon:
Der einst so feine Feuilletonteil der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ wird aus Budgetgründen immer dünner, die Kunstzeitschrift „Die Springerin“ dümpelt mehr schlecht als recht theoretisch vor sich hin, das österreichische Kunstmagazin „Frame“ hat Konkurs angemeldet und jetzt auch noch die „Kunst-Stücke“ weg? Der Leserbrief-Schreiber Reinhard S. aus Wien hat noch Hoffnungen, die für österreichische Kulturschaffende leider keine sein dürften: „Zum Glück gibt es ja noch ARTE.“



erschienen in Kunstzeitung Nr.74/Okt.02,S.16