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Kommentar von Antje Mayer

Phase der Normalisierung

Tschechische und Slowakische Avantgarde

Wenn man über junge Kunst in Tschechien und der Slowakei resümiert, muß man sich ein paar Fakten in Erinnerung rufen: Vor acht Jahren erst, 1993 haben sich Tschechien und die Slowakei als selbstständige Staaten getrennt. Im gleichen Jahr trat erst das Gesetz über die „Gesetzwidrigkeit des kommunistischen Systems“ in Tschechien in Kraft und der Oppositionelle Václav Havel als Präsident in sein Amt. In der Slowakei verzögerte sich der demokratische Prozeß noch. Heimische Kritiker behaupten gar, erst nach der Abwahl des Präsidenten Vladimír Meciar 1998, also seit drei Jahren, könne man in ihrem Heimatland überhaupt von einer Atmosphäre der Freiheit sprechen. Relativ kurz her ist es demnach, daß in diesen Ländern demokratische Strukturen eine annähernd unabhängige künstlerische Produktion erlauben.

Im westlichen Ausland gut bekannt sind demnach eher immer noch die über Vierzigjährigen Oppositions-Künstler der Achtziger Jahre wie die Tschechen Milan Knízák (Jahrgang 1940), Magdalena Jetelová (Jahrgang 1946), Ivan Kafka (1952) oder Jirí David (1956).

Zu den Nachwuchsstars aus Tschechien zählt sicher der Performer Jirí Suruvka, (Jahrgang 1961), einer der wenigen Politischen unter den Jungen. Er gründete eine Art dadaistisches Kabarett und bekennt sich in seinen Werken in alter tschechischer Tradition zum „schwarzen Humor“, der aus der tschechischen Literatur (etwa bei Bohumil Hrabal) bestens bekannt ist. In der Wiener Ausstellung „50 Jahre Kunst aus Mitteleuropa“ im "Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig" vergangenes Jahr zeigte er etwa ein Baby-Zwilling mit Hitlerbärtchen.

Genannt werden sollte auch die Tschechen Tomás Hlavina (Jahrgang 1966) und Milena Dopitová (Jahrgang 1963), die beide letztes Jahr in Wien bizarre Rauminstallationen zeigten und sich damit erfrischend vom surrealistischen Mainstream abhoben, der, -ein Rundgang durch die Prager Galerien wird diese These anschaulich untermauern können - in Tschechien bis heute nicht totzukriegen ist.

Aufgrund der relativ junge Demokratie in der Slowakei gibt es, so scheint’s, aus diesem kleinen Land, mit gerade einmal über fünf Millionen Einwohner, erstaunlich gute junge „Neue“: der slowakische Videopionier Peter Rónai (Jahrgang 1953) sei vor allem genannt, der 1994 unter anderem durch die Reproduktion von Andy Warhols Film „Schlaf“ bekannt wurde, den er in seinem Video „New Slovak Dream“ transformierte und damit die slowakische Herkunft des Popart-Stars ironisierte. Interessant sind auch die feministisch angehauchten Arbeiten von Ilona Németh (1963). Die Arbeit „Private Gynäkologische Ambulanz“ (im Vorjahr auch in Wien) zeigte drei Behandlungsstühle mit Hasenfell (für Fruchtbarkeit), Samt (für Erotik) und Moos (für Natur). Die Anlehnung an Beuys’ „Heile meine Wunden“ war zwar unübersehbar, dennoch ein starkes neues Statement.

Wer sich ein Bild machen will, was sich in Tschechien und der Slowakei in Sachen Avantgarde tut, dem seien zu guter Letzt zwei der raren privaten Institutionen ans Herz gelegt, die sich der Förderung von jungen Talenten verschrieben haben: in Bratislava die Galerie "Priestor" (Leiter Juraj Carný) und in Prag die Galerie "MXM" von Jan Cerny. Na denn: Vsechno Nejlepsi! (Alles Gute!)



erschienen in Kunstzeitung Nr.57/Mai 01,S.19