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Kommentar von Antje Mayer

1. Moskau Biennale startet Ende Januar

In Moskau leben sage und schreibe 200.000 Dollarmillionäre. 20 bis 25 Rolls - Royce werden dorthin jährlich verkauft. Böse Zungen behaupten, die russische Hauptstadt verfüge über die höchste Dichte an blasierter Neureichen - Tussis und Pradataschen der nördlichen Hemisphäre. Die Zahl ergebe sich aus Tussis und Taschen original und gefälscht.

Ob man in Moskau arm oder reich ist, eines lernt man dort von Kindesbeinen an: In diesem rauschenden Fleischwolf wird man zermalmt, wenn man kein Geld hat. Nichts geht ohne Rubel und harte Dollar. Dort hämmert der Hardcore - Kapitalismus. Für Geld kann man sich seiner Notdurft entledigen, Menschen töten lassen, einen Popstar aus seiner Frau machen, das richtige Kreuzerl am Stimmzettel kaufen und Liebe sowieso.

Dass die Marktwirtschaftshure Moskau nach zehn Jahren hin und her nun grünes Licht für die erste Biennale für Zeitgenössisches gegeben hat, von 28. Januar bis 28. Februar 2005, lässt daher nichts Gutes ahnen. Indes man es optimistisch sehen will, tut doch die Kunst, am Balkan macht sie’s vor, gewöhnlich ein Scherflein beigeben zu einem allgemeinen Demokratisierungsprozess. Der läuft in Russland derzeit rückwärts, die Kunstszene mit ihm, trotz der von Jahr zu Jahr erfolgreicheren Messe Art Moscow. Nun soll die Biennale wieder den Vorwärtsgang reinkriegen? „Hoffnung und Dialektik“ heißt jedenfalls das Motto der Schau, die finanziell sogar von Ministerium für Kultur gesponsert wird, nachdem Ende Januar 2003 das Findungsteam Harald Szeeman, Germano Celant, René Block, Robert Storr, Francesco Bonami und Hans - Ulrich Obrist das Event in Moskau als „The Major Project for Russia" gekürt hatten.

Dass das Kultur- zudem das Informations - Ministerium ist, lässt angesichts der transparenzfeindlichen Kommunikationspolitik Putins nicht viel Wahrheitsfindung erhoffen. Dass mit dem Biennale - Titel eher die Hoffnung auf zahlende Moskaubesucher und ebensolche Sammler gemeint ist und die auf einen guten Eindruck im Ausland, darf angenommen werden.

Das Event soll, so der russische Kurator und Koordinator Joseph Backstein, seines Zeichens Leiter und Gründer des Center for Contemporary Art in Moskau, gegenüber der Kunstzeitung „die danieder liegende Kunstszene in Moskau wieder beleben.“ Ob man sich auf etwas Neues trotz des global ewig gleich gaukelnden Biennale - Zirkus freuen darf? „Nein, im Gegenteil“, Backstein macht keinen Hehl daraus, „die Biennale soll bewusst genauso wie alle anderen Veranstaltungen dieser Art daherkommen: Wir wollen der Welt schließlich zeigen: Wir sind professionell und können mit internationalen Standards mithalten.“ Es dürfte sich dabei um den oben genannten Prada - Taschen - Effekt handeln.

Echt oder gut nachgemacht, das Ergebnis ist für die Russen dasselbe. Hauptsache es glänzt global westlich wie Rolls - Royce- Lack. So fährt das Programm der Moscow Biennale dann auch die massentaugliche internationale S - Klasse der Kunstwelt: Damien Hirst, Maurizio Cattelan, Olafur Eliasson, Ron Mueck, Jeff Wall oder Bill Viola. „Auf diese Teilnehmer“, so die Biennaleleitung sei man „ganz besonders stolz.“ Gelenkt - taktisch klug - wird die Show künstlerisch ebenso von „kuratorischer Markenware“ der großen weiten Welt: von Daniel Birnbaum, Direktor der Städelschule in Frankfurt/Main, Iara Boubnova, Direktorin des Centers for Contemporary Art in Sofia, Nicolas Bourriaud, Direktor des Palais de Tokyo in Paris, Rosa Martinez, demnächst Direktorin des Istanbul Museum der Modernen Kunst und schließlich von Hans Ulrich Obrist, dem nimmer müden Reisekurator und Publizist. Alle planen im übrigen für die 2. Biennale im Jahr 2007 jetzt bereits vor.

Der künstlerische Leiter Viktor Misiano, Kurator des Biennale Pavillons in Venedig und Herausgeber des Moscow Art Magazin wurde wegen „Teamunfähigkeit“ gefeuert. An verschiedenen Orten wird die Ausstellung und das Nebenprogramm in Moskau stattfinden: u.a. im Historischen, ehemals Lenin-, Museum, im Puschkin Museum oder in der Tretjakow Galerie. Aus Österreich ist mit Sicherheit die Künstlergruppe Gelatin mit an Bord.