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Kommentar von Antje Mayer

Zum Abwinken eitle Museumdirektoren

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Schröder sitzt zwar in einem ziemlich großen Haus, aber dass der Scherbenhaufen auch ihn treffen würde, hätte sich der erfolgsverwöhnte und unerschütterlich selbstbewusste Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder bis vor kurzem nicht einmal geträumt.
Schon vor einem Jahr warnte Schröder, dass es nicht gut gehen könne, „wenn es in der Wiener Innenstadt mehr Museen als Bäckereien gibt“. Denn die Häuser würden sich nur gegenseitig die Themen „abschießen“, anstatt ihre eigenen Brötchen zu backen.
Die bäckt Schröder indes selbst nicht. Die Munch-Eröffnungsausstellung, die streng genommen in den Zuständigkeitsbereich des Kunstforum gefallen wäre, zieht vor allem durch die zugeliehenen Gemälde, während in den Albertina-Depots die schönsten Grafikstücke (außer nun die Dürers) verschlossen bleiben. Vom großen Grafikkuchen wollen auch andere sich ein Stück abschneiden. Obwohl es eigentlich Schröders Fachgebiet ist, zeigt das Leopold Museum gerade eine Ausstellung zu dem grafischen Werk von Toulouse-Lautrec (bis 31. Oktober). Der Generaldirektor des Kunsthistorischen Museum Wilfried Seipel soll angefragt haben, ob Schröder nicht zu seiner großen Goya-Schau, im Sommer 2004, das grafische Werk zeigen will, der lehnte ab.

Im heurigen Sommer wäre die erste Ausstellung „Von Raffael bis Goya“, die ausschließlich mit Kernstücken der Albertina bestückt gewesen wäre, geplant. Die ist bekanntlich abgesagt worden, weil dem Haus 2,1 Millionen Euro fehlen. Die will Bildungsministerin Elisabeth Gehrer partout nicht rausrücken. Schröder ist beleidigt, denn er backt auch bekanntlich nicht gerne kleine Brötchen. Wie sollen nun seine Gegenwart-, Moderne-, Alte Kunst-, Pop-Art-, Architektur- und Fotografie-Ausstellungen auf lange Sicht finanziert werden?

Vielleicht, indem man sich mit anderen Häusern abspricht oder kooperiert? Auf diese, zugegeben extrem gewagte, Idee ist in Wien bisher noch keiner der allesamt bis zum Abwinken eitlen Bäckermeister, äh Museumsdirektoren, gekommen. Erst kommt bekanntlich das Essen dann die Moral. Die österreichische Presse spricht bereits von „Kannibalismus“, die Ministerin Gehrer indes beschwichtigend von „Wettbewerb“.

Selbst der große „Kunst-Mitbewerber“ Wilfried Seipel, Generaldirektor des Kunsthistorischen Museum, zieht sich nun gezwungen „Fläche vom Markt“ zu nehmen und gibt das Palais auf. „Wir werfen Ballast ab“, so Seipel lakonisch m Managerjargon.

Traurigster Verlierer des strengen Wettbewerbs um den Ausstellungsraum: Das Künstlerhaus am Wiener Karlsplatz. Bis 28. September wird es noch die Ausstellung „Abstraction Now“ zeigen, dann bis auf weiteres seinen Ausstellungsbetrieb einstellen, wenn nicht noch ein Wunder geschieht. Aber damit rechnet niemand mehr. Die Besatzung -von der Pressefrau bis zu den Kassadamen- sind bereits gekündigt, allein der Leiter und Geschäftsführer Peter Bogner nebst Sekretariat werden noch am Karlsplatz bleiben. Der übt sich indes in Zweckoptimismus: „Die Verhandlungen über eine finanzielle Unterstützung seitens der Stadt gehen weiter“, so Peter Bogner, „Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny bekennen sich zum ‚Kunstplatz.Karlplatz’ und zum Künstlerhaus.“ Das klingt so hoffnungsvoll wie schwammig, so wie sich die Frage stellt, warum die Stadtherren, Bogner und der Künstlerhausverein unter seinem Leiter Manfred Nehrer nicht schon früher reagiert haben und den Todesstoß zuließen.

Wer, fragt man sich, erinnert sich eigentlich noch daran, dass Museen keine Bäckereien und Kunstwerke keine Brötchen sind? Die Besucher jedenfalls müssen „essen“, was auf den Tisch kommt.



erschienen im Informationsdienst 03