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Kommentar von Antje Mayer

Hrdlicka: der Egomane

„Floras Hörigkeit“, so Alfred Hrdlicka, 72, über seine Geliebte, „war immer vorhanden. Sie war stets auf Abruf bereit.“ Nur einmal, das letzte Mal, war sie es nicht. Am 26. Januar 1999 nimmt sich Hrdlicka’s Muse Flora S. mit einem tödlichen Cocktail, aus Alkohol und Drogen, mit 37 Jahren in Wien das Leben. Hrdlicka entkommt in dieser Nacht nur knapp ihrem Giftmordversuch, der sie beide in den Liebestod reißen sollte. Dem vorhergegangen waren für Flora, seiner Assistentin und Bettgefährtin, fast 30 Jahre rasende Liebe für den „Über-
vater“, berufliche und sexuelle Abhängigkeit und eine manische Eifersucht auf seine, erst fünf Jahre zuvor an Krebs verstorbene erste Ehefrau Barbara und seine ehemalige Schülerin und jetzige Gattin Angelina.

Ein poetisch-exzessives Künstlerleben oder ein Drama wie aus einem Groschenroman? Nach über einem Jahr schwerer Schaffenskrise und Alkoholexzesse, outete Hrdlicka jetzt, zusammen mit der Schriftstellerin Susanne Ayoub in dem Buch „Alfred Hrdlicka und der Fall Flora. Reportage einer mörderischen Hörigkeit (Molden Verlag, 134 S., mit Original-graphik, 171,- DM), die Hintergründe, schonungslos für alle Beteiligten, vor allem aber für Flora.

Eine Hommage an „Fred’s Puppe“, wie sich Flora selbst in Anspielung an Kokoschkas berühmte Alma Mahler-Puppe nannte, sollte entstehen, eine Art späte Wiedergutmachung, durch Veröffentlichung ihrer Zeichnungen, privater Fotos und intimer Briefe. Ergebnis -und das ist das eigentliche Drama- ist letztendlich wieder ein Alfred Hrdlicka-Buch, dessen wesentliches Anliegen die Veröffentlichung des thera-peutischen Zeichenzyklus „Der Fall Flora“ darstellt. Der eigentliche Hauptdarsteller, daran läßt der eitle Künstler im Vorwort zur eigenen Autobiographie keinen Zweifel, bleibt das „Genie“ Hrdlicka: „Ich bin zweiundsiebzig Jahre alt. Wer weiß, wieviel Zeit ich noch habe, ein anderes Buch zu schreiben?“

Das Buch, ein Gesamtkunstwerk wie Hrdlicka es sehen will, rührt und ist außerordentlich poetisch, ohne Frage, solange es künstlerisch bleibt. Geschmacklos wird es aber dann, wenn es zur Reality Show mutiert: die Erzählung vom Analfick in der Oper, das Foto (!), auf dem Flora Hrdlicka oral befriedigt und besonders im Anhang, in dem Hrdlicka, in der Manier alternder Stars, seine Sexexzesse ausbreitet. Wenn Hrdlicka weinend in der ORF-Sendung „Treffpunkt Kultur“ seine Beziehungsprobleme wälzt und die Boulevard-Gazette News unter der Headline „Tragödie“ seine Frauenaffären verheizt, kennt die Peinlichkeit keine Grenzen mehr. Die zu überschreiten, ist Hrdlicka indes bekanntlich auch verbal nicht verlegen: Zu Jörg Haider hätte er nichts zu sagen, so in einem News-Interview. „Ich habe meinen eigenen Holocaust erlebt.“ Nun will der österreichische Staatskünstler im übrigen leider doch in die Politik: Demnächst kandidiert er auf Bundesebene für die kommunistische Partei KPÖ.



erschienen in Kunstzeitung Nr.51/Nov.00,S.3