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Kommentar von Claudia Heinzl

CARACAS: SPORT UND KULTUR STATT BANDENKRIMINALITÄT

Claudia Heinzl aus Caracas, Venezuela.

Wie ein einziges großes Gebäude spannen sie sich über die Hügel von Caracas... Mit rund 1,500.000 Einwohnern ist Petare eines der größten Barrios Lateinamerikas.

An meinem ersten Wochenende in dieser Stadt bin ich in Petare, einem Stadtteil im Osten von Caracas. Am Straßenmarkt.Enges Gedränge in den Straßen, Verkäufer in allen Ecken und Enden, auch der Raum unter der Autobahn wird zum Anpreisen der Ware genutzt. Weiter hinten an den Hängen – Barrios. Wie ein einziges großes Gebäude spannen sie sich über die Hügel von Caracas. Mit rund 1,500.000 Einwohnern ist Petare eines der größten Barrios Lateinamerikas. Die Wohnungen reichen von Ranchos, provisorischen Konstruktionen aus Materialien wie Blech, Holz, Karton, etc. bis zu mehrstöckigen Bauten aus Ziegeln. Diese Bauten unterliegen einem ständigen Wandel, sie werden erweitert und verbessert.
Sobald eine Familie zu Geld kommt und/oder die Zahl der Bewohner steigt, werden erst die ursprünglichen Materialien durch höherwertige ersetzt und der Platz im Erdgeschoß maximal genutzt. Als nächster Schritt wird dann nach oben hin, immer weiter auskragend, erweitert. Das nötige Wissen dazu erlangen die Bewohner durch Erfahrung und von Barriobewohnern, die im anderen Teil der Stadt auf Baustellen tätig sind. Unterstützung von Architekten und Ingenieuren gibt es meist nicht.
In Caracas, wie in vielen anderen Städten Lateinamerikas, stellen diese informellen Siedlungen, Barrios, einen großen Teil der Stadt dar. 55 Prozent der Einwohner von Caracas leben auf 33,3 Prozent der bebauten Fläche. Barrios mit hoher Dichte, zum Beispiel in El Valle und San Martin, überschreiten eine Bevölkerungsdichte von 700 Pers/ha, was eine höhere Dichte als Manhattan bedeutet. Der andere Teil der Bevölkerung lebt in der so genannten formellen
Stadt. Bewohner der informellen Stadt arbeiten in diesem Teil, ein umgekehrter Austausch findet jedoch kaum statt. Viele Barrios werden von Bewohnern der formellen Stadt als No- Go-Areas angesehen. Sie gelten als Orte der Armut und der Kriminalität. Jeden Montag kann man auf der Rückseite der Tageszeitung von zahlreichen Mordfällen lesen.
Durch meine Mitarbeit im Architekturbüro Caracas Urban-Think Tank, welche sich schon seit Längerem mit dem Phänomen der informellen Stadtentwicklung auseinandersetzt, habe ich hier die Möglichkeit, verschiedene Barrios der Stadt Caracas zu besuchen. Ein Ereignis, welches mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war die Übergabe von vier Fußballtoren im Barrio Cota 905, initiiert von U-TT, gesponsert von der Deutschen Botschaft.
Auf dem ohnehin fast nicht vorhandenen öffentlichen Raum wurde an diesem Vormittag ein fairer sportlicher Wettkampf ausgetragen. Ein Ereignis, das aufgrund der fehlenden oder stark vernachlässigten Sportflächen in den meisten Barrios leider nicht auf der Tagesordnung steht. Nahe dem Barrio Cota 905 will man eine Sportfläche und ein Theater bauen. Sport und Kultur statt Bandenkriminalität. Es ist ein langer Prozess, die dafür nötigen Mittel zu erhalten. Dennoch gibt es in diesem Barrio, wie auch in anderen, Menschen, welche innerhalb von Comunidades hart daran arbeiten, die Zustände zu verbessern, Infrastruktur, Sportflächen etc. zu schaffen, das Müllproblem zu lösen. So auch im Barrio El Encanto/La Vega, im Süden von Caracas: Felix Caraballo, Sozialarbeiter und Einwohner, Student an der Universidad Bolivariana, arbeitet ununterbrochen daran, aus seinem Barrio einen gefestigteren Lebensraum zu
machen.
Unter anderem sollen die dort existierenden Ranchos mit Häusern aus Lehm und anderen dort vorhandenen Baustoffen ersetzt werden. In der Zusammenarbeit mit Felix und anderen hatte ich die Möglichkeit, einen Prototyp für ein Haus für eine Familie zu entwickeln.
Dieser wird im nächsten Monat in Zusammenarbeit der ganzen Comunidad errichtet. Learning by doing. Schritt für Schritt soll das Barrio verbessert werden. Eine Kanalisation, die Abwässer nicht mehr in den Fluss leiten, und ein Gemeindezentrum mit Sportfläche. All das ist nur mit Engagement und harter Arbeit der Einwohner möglich. Und es gibt viel zu tun.



Link:Urban Think Tank com - Link:Artikel auf detail.de: "Urban-Think-Tank, Caracas - Moderating Urban Density" -