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Kommentar von Antje Mayer

Alles tadellos luxuriös!

Die Albertina beschäftigt den Kultur-Stammtisch

Wer den frisch ausgelieferten Wiener Kunstszene-Tratsch hören will oder ihn, -exklusiv versteht sich- in die Welt setzen will, der begebe sich nach getaner Kulturarbeit noch auf ein frisch gezapftes Budweiser ins gute alte Café Anzengruber (im Galerienviertel in der Schleifmühlgasse). Wenn das Gespräch einmal nicht so recht anlaufen will, rufen Sie einfach „Albertina“ in die Menge der Gäste. Garantiert. Das wirkt dort derzeit auf gesprächsfaule Tischrunden wie Adrenalin und lässt den Bierkonsum auf das Doppelte steigen.

Vergangene Woche erst hörte man im Anzengruber eine Tischgesellschaft von Künstlern, Galeristen und Architekten bis vier Uhr früh laut wiehern. Gegenstand des allgemeinen Amüsements und „Vernaderns“: die Architektur der Albertina.

Die erinnere nach der Renovierung nicht so sehr an ein Museum, so führte ein bekannter Wiener Architekt in der Runde Schmäh, sondern eher an ein „polnisches Mafia-Casino“: „Alles tadellos luxuriös! Marmor, wohin das Auge reicht, einwandfreie Verkachelung bis obenhin, Gold, Gold, Gold, zeitgemässe Achtziger-Jahre-Bullaugen“, feixte der, „und der Clou: außen Involvierung modernster Technologie und verkaufsfördernde Logistik wie in einer Shopping-City: Eine Rolltreppe nach oben zum Haupteingang, aber nicht hinunter.“ Ein Galerist am Tisch legte nach: „Und habt Ihr schon die Raumaufteilung gesehen? Ein Wahnsinn! Alles ganz intim, insbesonders die Ausstellungssäle, außer der Weg zum WC, der ist großzügig“. Ein Casino, äh, Museum der Nobelklasse eben.

Und nun wird am „Nikolo“, also am 6.12., noch der architektonische Obertrumpf ausgespielt werden, weiß ein Künstler zu berichten: Das Wahrzeichen der Albertina werde errichtet, kein Roulette-Emblem, nein, sondern der sogenannte „Soravia-Wing“. Architekt Hans Hollein habe die schräge Aluminiumüberdachung, die erst in Titan geplant gewesen war, über der Piazza vor dem Hautpteingang entworfen. Gespendet sei das so „schamlos potent und kreativ“ aussehende Teil von der Baufirma Soravia, deswegen auch der Name.

Elisabeth Leopold, Gemahlin von Museumsdirektor Rudolf Leopold, taufte es übrigens „Damoklesschwert“ und machte Wind via Kronenzeitung: "eine architektonische Sünde“, die „wie ein Messer ins Stadtbild" rage. Nun habe sie damit auch noch die Österreichische Gesellschaft für Denkmal- und Ortspflege aufgeweckt, die in einer Aussendung mitteilte, dass das Dach „einen optisch massiven Eingriff in die Hauptansicht der Albertina“ mit dem Reiterdenkmal Erzherzog Albrechts von Caspar von Zumbusch auf der Rampe darstelle.

Ja, genau. Und? fragt sich ratlos die sichtlich belustigte Gruppe, eben das habe Hollein wohl auch genau mit seinem Entwurf bezweckt. Jedoch, so rätselt die illustre Runde im Anzengruber um drei Uhr früh, es müsse doch in dieser Zwangslage noch eine Alternative zum „Flügerl“-Wahrzeichen geben? Ein Sujet, was allen, auch der „Leopoldine“ gefallen dürfte, und das zum Interieur der Albertina passe wie das Blumenwagenrad zum Tiroler Bauernhof? „Ich habs!“ schreit schließlich einer über den Tisch. „Ein großer blinkender Dürerhase!“ Noch eine Runde Fluchtachterl auf diese Idee und dann bitte zahlen.



erschienen im Informationsdienst Kunst Nr.88/Nov.03,S.20ff