Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Kommentar von Antje Mayer

„Ich will nicht aufhören, sondern anfangen“

Schmidt-Wulffen muss sich, nicht einmal ein Jahr im Amt, wieder der Wahl zum Rektor an der Akademie der bildenden Künste Wien stellen!

Ein Fluch scheint auf dem Rektorposten an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu liegen. Vergangenes Jahr erst durfte Boris Groys, gerade ein Quartal im Amt, wieder seinen Hut nehmen, nun muss auch der derzeitige Rektor Stephan Schmidt-Wulffen um seinen Job fürchten.

Nicht einmal zwölf Monate führt der in Witten/Ruhr geborene Akademiechef die Schule, schon droht ihm wieder abgewählt zu werden. „Ein Austriacum!“, wie Schmidt-Wulffen bitter feststellte. Die österreichischen Universitäten müssen sich und ihr Budget in Zukunft selbst verwalten, so will es Ministerin Elisabeth Gehrer, Chefin im „Zukunftsministerium“ für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

„Entgegen den Planungen, nach der die Kunstuniversitäten nach dem neuen Universitätsgesetz erst zum Januar 2004 hätten in die Vollrechtsfähigkeit kippen sollen“, erklärt Schmidt-Wulffen, „entschloss sich die Ministerin vergangenen Juli dass alle österreichischen Universitäten den Wechsel gleichzeitig zu vollziehen hätten. Es werden also in den nächsten Monaten, zwischen April und Juni 2003, an allen österreichischen Universitäten die Rektoren neu gewählt.“ Das dürfte einigen Wind ins Alpenländle bringen, wo sich bekanntlich jede Personalentscheidung zum Politikum auswächst.

Im Fall Schmidt-Wulffen würde sein Vertrag somit schon im heurigen September enden. Mit einer dreimonatigen Abfindung als Abschiedsgeschenk müsste der sich dann zufrieden geben. Ob man Verträge nach Einführung eines neuen Gesetzes nachträglich einfach ändern kann, dass werden einige Rektoren in den nächsten Monaten noch mit dem Ministerium zu klären begehren.

Vielleicht doch alles halb so schlimm und ein rein formaler Akt? Mitnichten. „Wo es Wahlen gibt, da gibt es auch Wahlkampf und es gibt an dieser Schule natürlich schon den einen oder anderen, dessen alten Privilegien beschnitten wurden“, ist Schmidt-Wulffen realistisch, „Kurz: Es gibt eine Antifraktion, die auf Abwahl sinnt“. Welche zwei Kandidatinnen gegen den amtierenden Rektor antreten werden, ist indessen noch völlig ungewiss. Die Bewerbungsfrist endet am 31. Januar 2003.

Leicht dürfte es für Schmidt-Wulffen nicht werden. Der 51-Jährige hatte im vergangenen Jahr eine nur sehr knappe Mehrheit gegen den stellvertretenen Rektor und Vizerektor für Budget Michael Herbst behaupten können. Kritiker ätzten, so verlautet aus internen Kreisen, dass der neue Chef mehr als „Notnagel“ fungiere und im Grunde „zweite Wahl“ im Vergleich zum „Wunschkandidaten“ Boris Groys sei. Der Medienkunstphilosoph musste kurz nach Amtsantritt „aus Unvereinbarkeitsgründen“ das Handtuch schmeißen, da die Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe seine Professur nicht karenzieren wollte.

Schmidt-Wulffens Befürworter, zu dem wohl auch das an Kontinuität interessierte Ministerium zu zählen ist, befürchten andererseits, dass die in Angriff genommenen Reformen nach einer Abwahl wieder ins Stocken geraten könnten. Motto: Ein schwacher Rektor, dahinter bleibt alles beim Alten. Vor allem größere Transparenz und Öffentlichkeit in der Haushaltsführung und damit ein Ende der Privilegienwirtschaft, die sich bekanntlich einer langen Tradition in Österreich erfreut, nicht nur an der Wiener Akademie, dürften so manchen Gegner ein Dorn im Auge sein.

„Um meine berufliche Zukunft mache ich mir dennoch keine Sorgen“, ist Schmidt-Wulffen optimistisch. Sollte er tatsächlich abgewählt werden, würde er „wieder mehr unterrichten, beraten und ein größeres Buchprojekt in Angriff nehmen.“ Außerdem würden schon erste Kontakte zu deutschen Akademien bestehen, so der umtriebige Kunstexperte. „Aber es gibt ja Vertreter der Vernunft, die Kontinuität in diesem Amt fordern. Ich will hier natürlich nicht aufhören, sondern eigentlich erst richtig anfangen.“



erschienen im Informationsdienst 03