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Kommentar von Antje Mayer

Strabag-Stonehenge

Neues Gironcoli-Museum in Wien

Es musste erst ein Deutscher kommen, nämlich Kasper König, um einen der größten österreichischen Bildhauer seiner Generation die Ehre Teil werden zu lassen, die ihm für sein Lebenswerk gebührt. Die Rede ist von Bruno Gironcoli (geboren 1936 in Kärnten), der im vergangenen Jahr auf der Biennale in Venedig sein Heimatland vertrat. Einzelausstellungen des Bildhauers und Franz West-Lehrers waren bisher deswegen rar, weil die riesigen schweren Skulpturen des Künstlers die räumlichen Gegebenheiten der Kunstinstitutionen meist förmlich zu sprengen pflegten. Die Anlieferung von 16 Werken für die Ausstellung „Die Ungeborenen“, 1997 im Wiener MAK, konnte angeblich nur über 14 Nächte hinweg in Spezialtransportern erfolgen.
Gironcoli geht nun –von seiner schweren Krankheit sichtlich gezeichnet- mit 68 Jahren als Professor der Akademie der Bildenden Künste in den Ruhestand. Der lebte bis heurigen Sommer in einer der letzten Dienstwohnungen der Akademie und mit ihm seine Skulpturen. Die müssen nun bis Ende September definitiv dort raus, genauso wie der große Meister selbst. Der Unterricht muss weitergehen, die Nachfolger brauchen Platz.
Bruno Gironcoli suchte lange nach einem „Depot“: „Ich bin nicht so eitel, ein eigenes Museum zu fordern“, meinte er vergangenes Jahr zu der Kunstzeitung. „Ein provisorisches Depot á la Peter Noevers Flakturm (eine Außenstelle des Museum für angewandte Kunst Wien in einem ehemaligen Flakbunker, Anm. d. Red.) wäre mir sowieso sympathischer.“ Nun hat er doch ein Museum bekommen, sogar zwei, aber eines nach dem anderen.
Ein Hauptteil der Werke, inklusive der Afrika-Sammlung des Bildhauers, geht nun in das Gironcoli-Museum nach Herberstein in der Steiermark, das „in allerletzten Moment zu Stande kam“, so Gattin Christine Gironcoli, und Mitte Herbst 2004 eröffnen wird.
Was viele nicht wissen dürften, ein anderer Teil ist schon untergebracht und zwar in Wien, in einem kleinen, aber feinen Gironcoli-Museum auf der Donauplatte, genauer im neuen Bürohochhaus der Baugesellschaft Strabag. Anfang Juni diesen Jahres wurde es eröffnet. Ein Geheimtipp für Gironcoli-Fans und Wienbesucher, die schon alles kennen. Als Museum war es ursprünglich zwar nicht geplant, sondern als großer Event- und Vortragsraum, bis sich der Kunstsammler- und Kunstmäzen Hans Peter Haselsteiner, Vorstand der Bau Holding Strabag AG, kurzerhand dazu entschied, dort zehn Skulpturen (Polyester- Stahl- und Gipsmodelle) von Gironcoli, allesamt Dauerleihgaben, auszustellen. Ab November werden noch drei Aluminiumgüsse im Außenbereich dazukommen. Eine Symbiose der ungewöhnlichen und skurrilen Art. Wird doch nun hinkünftig bei der Strabag AG inmitten eines Kreises riesiger silbern- und goldenfarbenen Gironcoli-Skulpturen getagt, die wie fremde Wesen aus einer fernen Welt bei der Baugesellschaft gelandet zu sein scheinen, eine Art Strabag- „Stonehenge“.
Wer die gebräuchlichen Kunst-Mixturen in den Fluren sammelnder Konzerne kennt, der kann nur tief den Hut ziehen, vor soviel Mut und Konsequenz, einem Künstler derart viel Platz einzuräumen. Ein Statement, das sitzt. Kompliment.



erschienen in Kunstzeitung 96/ Aug.04, S.4