Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Kommentar von Antje Mayer

Glaswürfel für Mutige

Städteplanerisch ist der Karlsplatz inmitten von Wien eine Katastrophe. Annähernd fünf dreispurige Straßen verschleifen sich dort mit zahllosen Straßenbahngleisen und von den täglichen Blechlawinen umdonnert, sozusagen auf die Verkehrsinseln zurückgedrängt, ringt bahnbrechende Architektur von Weltruhm nach Luft.

Inmitten des metropolen Getöses zwirbeln sich die zwei charakteristischen Stelen eines der bedeutendsten Barockenkirchen der Welt, der Karlskirche von Fischer von Erlach in den Himmel. Da steht auf verlorenem Posten der berühmte Otto Wagner-Pavillon gegenüber des legendären Musikvereins und des Künstlerhauses. In einer Ecke duckt sich das Café Museum von Adolf Loos. Den ornamentverliebten Wienern mutete dessen karges Interieur dereinst schlichtweg als Verbrechen an, so war’s -Volkes Rache- jahrzehntelang als „Cafe Nihilismus“ in aller Munde. Viel zu schlicht, war den Wiener Ringarchitekturfans vor über hundert Jahren auch das weiße stereometrische Kuben-Outfit eines der berühmtesten Gebäude der Welt für zeitgenössische Kunst auf diesem Platz: das Secessionsgebäude. Ursprünglich als 10-Jahres-Provisorium war es geplant. Derweil sind die Ösis überaus stolz darauf: Sein Konterfei ziert immerhin ihre 50-Euro-Cent-Münze.

Genau wie damals dürfte es den Wienern im Jahre 1992 ergangen sein, als man den österreichischen Architekten Adolf Krischanitz (Jahrgang 1946), direkt gegenüber der Secession, einen quadratischen, gelben Container als Übergangsquartier für die Kunsthalle in die urbane Wüste pflanzen ließ. Geschichte ist Wiederholung. Es war wie gestern: „Nicht so ein nihilistischer Kasten auf diesen Platz!“, begehrte das Volk wieder angesichts dieser „architektonischen Blasphemie“ hitzig auf. Das ließ es sich dennoch in den folgenden Jahren nicht nehmen, den temporären Geniestreich am Platz, unter Lebensgefahr über mehrspurige Todespfade, die die, wie vom Himmel gefallene Kunstburg, wie ein Burggraben umschloss, in Massen zu bevölkern. Übergänge können in Wien lange dauern (am Karlsplatz im wahrsten Sinne des Wortes). In diesem Fall währte es über acht Jahre, bis sich das inzwischen international etablierte Haus Anfang 2001 schließlich ins Museumsquartier, -doch nicht gar taub vom Lärm des einst so begehrenswerten Alltaggetöses rundherum?-, akustisch, wie optisch hermetisch wegschließen ließ.

Da die im Ikea-Gelb-Blau gestylte Interimsarchitektur, wie das Secessionsgebäude und ähnlich auch wie der rote Infocontainer am Berliner Potsdamer Platz, inzwischen unabsichtlich zum architektonischen Markenzeichen mutiert war, durfte sie der Architekt Krischanitz, der sich im übrigen auch für die Kunsthalle in Krems verantwortlich zeichnet, quasi aus Nostalgiegründen, nun in einen flachen kleineren Glaskubus mit Café und angeschlossener 250m²-Ausstellungsfläche umbauen, der Mitte Januar seine Pforten öffnete. Geschichte ist Wiederholung: Genauso wie einst das Secessionsquartier, soll auch dieses Haus wieder nur für zehn Jahre am Karlsplatz seinen Stehplatz haben.

Die fehlende architektonische Transparenz der neuen Kunsthalle im Museumsquartier erobert sich das Haus nun wenigstens ein bißchen durch den rechteckigen „Eiswürfel“ am Karlsplatz wieder zurück. Der ist freilich so transparent, daß so mancher Besucher schon gegen die zahlreichen Glaswände geknallt sein soll, unter anderem ausgerechnet der Doyen der Architekturkritik Friedrich Achleitner, dessen Nase, zur Belustigung feixender Kollegen, nach seinem Besuch ein veritables Pflaster zierte.

Einen Außenposten am Karlsplatz zu behalten, ist von der Kunsthalle so dumm nicht, denn der Ort hat Qualität. Derzeit sei er gar im Vergleich mit dem MQ „The hotest Place in Town“, wie der „Ex-Leiter des MQ“ und Ausstellungsmacher Dieter Bogner neulich diagnostizierte. Die Nachbarn Secession, Künstlerhaus, Albertina, Generali Foundation, Akademie und die Technische Universität sorgen für viel Wind am Platz und der „Project Space“ sitzt als Außenstelle der Kunsthalle sozusagen als „Abteilung Forschung und Entwicklung“ mittendrin. „Eine Außenstelle, die mittendrin sitzt“: Das ist stadtplanerische Logik, wie sie zur Geschichte des Karlsplatzes paßt.

Noch bis 7. April ist die Installation „A Laundry Women“ mit traditionell koreanischen Tüchern und einem gleichnamigen Video der südkoreanischen Künstlerin Kim Sooja (Jahrgang 1957) im Glaskasten zu sehen und bis 28. Juni ist in der großen Kunsthalle im Museumsquartiers die Ausstellung Kunst & Karma. Aktuelle Positionen indischer Kunst.



erschienen in Kunstzeitung Nr.68/Apr.02,S.26