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Kommentar von Antje Mayer

„Ich gebe auf“

Albertina in Wien schlägt neuen Kurs ein

Das Jahr 2006 war personell in der Albertina ein Jahr der Veränderung.

Neue Belvedere-Chefin Agnes Husslein warb Direktor Klaus Albrecht Schröder seine beste Leute ab: Seine Marketingleiterin Susanne Böck wechselte zur blaublütigen Lady und wird nun interimistisch von Schröders Frau Friederike Sailer vertreten. Auch Schröders rechte Hand, Albrecht Weidinger, ließ sich von der Österreichischen Galerie locken. Er agiert dort nun in der Funktion des Vizedirektors und Chefkurators. Im Übrigen trennte sich auch Stefan Musil, der langjährige Leiter des Pressebüros, einvernehmlich vom Haus und wurde von Ute Weber vom Leopoldmuseum ersetzt. Ein Zeichen von routinierter Frustration oder steten Erneuerung?
Letzteres selbstredend, wie sollte es auch anders sein, glaubt man Schröder, der gerne über die
Einzigartigkeit seines Hauses monologisiert und dabei um keine Superlative verlegen ist. Das Jahr 2006 mit 725.000 Besucher sei mit der großen Picasso-Ausstellung „das erfolgreichste in der Geschichte des Hauses“ gewesen, keines auf Grafik spezialisiertes Museum in der Welt würde soviel Kunstwerke aus dem Depot zeigen und ach ja, die Albertina übrigens „mit das erfolgreichste Museum in Deutschland“. In Deutschland? Richtig gelesen. 45 Prozent der Albertina-Besucher seien Deutsche, das wären dann bei 725.000 Besuchern 326.250 Deutsche und so viele kämen, so Schröder, kaum in ein deutsches Museum.
Ganz so stimmen die typisch Schröderschen – im Bestreben nach medialer Aufmacherqualität- aufgebauschten Rechnungen und Vergleiche jedoch nicht. In deutsche Museen kommen erstens nicht nur Deutsche und in viele auch erheblich mehr: das Pergamonmuseum in Berlin hatte 2005 fast eine Million, genau 959.955, Besucher (Quelle: Bundesweite Museumsstatistik), gefolgt vom Jüdischen Museum in Berlin, das sich 2005 über 688.775 Besucher freuen konnte oder dem Deutschen Historischen Museum mit immerhin 547.687 Besuchern (2005). Schröders Superlativ-Adjektiv „erfolgreichste“ verliert angesichts dieser Zahlen dann irgendwie an Grundlage, auch wenn wohl niemand bestreiten würde, dass die Albertina ein, was die Besucherzahlen betrifft, überaus erfolgreiches Haus ist, und den Vergleich mit anderen Museen, etwa in Deutschland, nicht zu scheuen braucht.
Genauso ist im übrigens das Jahr 2006 nicht das „erfolgreichste Jahr in der Geschichte der Albertina“, sondern das Jahr 2004 mit 750.535 Besuchern. Ob weiters die Albertina „die meisten grafischen Werke“ zeigt, ist derweil nicht objektiv feststellbar und wahrscheinlich letztlich auch nicht von breitem Interesse, medienwirksam sind derartige Aussagen aber allemal.
Dem subjektiven Empfinden seiner steten Kritiker nach jedenfalls zeigt Schröder seit der Neueröffnung im Jahr 2003 eher zu wenig Werke aus der eigenen überaus reichen Grafiksammlung, und deswegen, kokettiert Schröder gegenüber Informationsdienst Kunst: „Gebe ich auf“. Soll heißen, Schröder lässt -teilweise zumindest- von seiner früheren, mit Verve verteidigten, Strategie ab, ständig Wechselausstellungen zu zeigen und den Grafikbestand der Albertina durchgehend in Bezug zu anderen Medien, wie etwa der Malerei, zu stellen: Ab Mai 2007 soll es deswegen eine Art „ständige“, im Zweimonatsrhythmus wechselnde, Ausstellung von etwa 80 Originalgrafiken aus dem eigenen Bestand in den Prunksälen der Albertina geben. In der unterirdischen Basteihalle, wo bisher immer wechselnde Gegenwartsausstellungen gezeigt wurden, wird außerdem bald eine – nur zweimal im Jahr erneuerte- Schausammlung mit Werken aus dem Bestand nach 1960 etabliert.
Zu guter Letzt wird man in den neu entdeckten, und gegenwärtig renovierten, Spanischen Appartement eine dauerhafte Ausstellung mit 60 Kleearbeiten (eine Schenkung des österreichischen Erfinders der Antibabypille Carl Djerassi) einrichten.
Geht Schröder nach den vielen Wechselschauen der vergangenen Jahre die Puste aus? „Natürlich nicht“, so Schröder. „im Gegenteil, mit den im Jahr 2006 zusätzlichen eröffneten 3.500m² Ausstellungsfläche haben wir mehr Spielraum. Ich habe mit diesem Haus in Zukunft noch einiges vor“. Und was, außer natürlich, dass es das erfolgreichste Museum….?
„Ich werde in Zukunft verstärkt mit privaten Sammlungen zusammenarbeiten. „Besonders stolz darauf bin ich, dass wir die deutsche Sammlung Rheingold gewinnen konnten, die uns mindest bis zum Jahr 2022 ihre 65 Baselitzwerke umsonst und ohne Bedingungen überlässt und sogar die Versicherung dafür übernimmt.“ Damit besäße die Albertina, freut sich der Direktor, angeblich „die weltweit größte Baselitzsammlung auf Papier“. Außerdem sehe es gut aus, meint Schröder, dass die Albertina 50 Werke der Schweizer Sammlung Forberg, darunter etliche Gemälde von Kandinsky und Klee, in Haus holen können.
Damit auch niemand auch nur zweifelt: Das „superste“ Museum der Welt eben!



Dieser Artikel ist im Informationsdienst Kunst Nr. 369 am 25.1.2007 erschienen.
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