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Kommentar von Antje Mayer

Exakte Mélange

Wiener Designkollektiv D+

Die erste Jahreshälfte ist noch nicht ganz vorbei, gleichwohl das Urteil sei schon jetzt erlaubt: die Ausstellung „Sound & Files“ zu elektronischer Musik und ihrer Randbereiche im Wiener Künstlerhaus (10. März bis 16. April 2000) gehörte heuer zu einer der besten Exposituren über die Grenzen Österreichs hinaus. Warum? Das Thema war gut, das Konzept war gut und das Ausstellungsdesign war umwerfend gut.

Entworfen hatte es das Wiener Büro für Design D+. Hinter diesem Kürzel verbergen sich vier junge, bescheidene, talentierte, qualitätsbewußt sture Produktdesigner: Martina Fineder 28, Dietmar Kanitz, 38, Andreas Pawlik, 28, und Veronika Winkler, 31. Sie vollbrachten das Kunststück, mit dem, von seiner optischen Qualität an sich langweiligsten Ausstellungsstück der Welt, mit dem Computer, ohne multimedialen Schnickschnack, nur mit Kartons, Sitzkissen und einem ausgeklügelten Grafik-Leitsystem, eine spannende Ton- und Bildlandschaft zu bauen. Die Electronic-Inszenierung realisierten sie mit einem Budget, für das manche Designer nicht einmal den Bleistift in die Hand genommen hätten. „Wir haben“, so Christof Kurzmann, einer der vier Kuratoren der Ausstellung Sound & Files, „D+ für die Gestaltung ausgewählt, weil sie sich mit der Thematik, der elektronischen Musik, einfach gut auskannten. Sie wußten teilweise sogar mehr als wir.“

Während das Team noch die Schulbank auf der Wiener Hochschule für Angewandte Kunst drückte, realisierte es in einer Privatwohnung schon die ersten gemeinsamen Projekte (Ausstellung Ecodesign 98', Electronic Bar "Rhiz", Wien). 1998 gründeten die Vier schließlich ihr Design-Kollektiv und bezogen eine Fabriksetage, standesgemäß in einem Requisitendepot. "Wir machen ausschließlich Projekte, die uns interessieren," so Martina Fineder. Reich würde man davon nicht werden, davon leben könne man aber schon. Derweil: das elitäre Konzept trägt allmählich Blüten. Die Ausstellung "Sound & Files" brachte reichliche Folgeaufträge. Bei der Architekturausstellung "Ein Fuß in der Tür: Manifeste des Wohnens" (bis zum 12. Juni im Wiener Künstlerhaus) sind D+ als Vertreter der jungen österreichischen Architektur-Avantgarde schon mit dabei.

Letztes Jahr produzierten sie Peter Friedls Klapptisch "Peterchen" auf der Biennale, für das Wiener Museumsquartier die Ovalhalle, Infopool und gerade eine Wanderausstellung. Die österreichische Musikzeitschrift SKUG wurde von D+ soeben relauncht, ein Buch für die österreichische Architektengruppe Zünd up muß bald fertig werden. „Auch wenn man meinen könnte“, so Veronika Winkler, „ein paar dieser Projekte seien nur angewandte Graphik, der irrt. Sie sind immer auch Architektur und Produktdesign.“

Mit der exakt richtigen Mélange aus Graphik, Industriedesign und Innenarchitektur Inhalte zu kommunizieren, ist einer der ganz herausragenden Spezialitäten der Vier, mit der sie sich im Bereich Ausstellungsdesign in Österreich bereits einen Namen gemacht haben. Die Substanz des Gezeigten ist ihnen wichtig. Der Inhalt ist für D+ kein Grauwert, über den Design gestülpt wird. „Wir sind keine Formalisten. Wir pressen nichts in eine Formensprache“, so Martina Fineder, “bevor wir ein Projekt beginnen, setzen wir uns erst einmal intensiv mit der Substanz auseinander. Daraus entwickelt sich dann erst das Design.“ Das ist bei D+ eher nüchtern, das Detail stimmt, das Material ist nicht mehr als angemessen und ökologisch bedacht. Das klingt allenfalls "correct designed". Dennoch: strukturiert, reduziert und systematisiert wird bei D+ allzeit so manisch, daß es beinahe schon wieder expressiv wird. „Unser aller Traum ist“, meint Dietmar Kanitz lachend, einziger Deutscher im Team, „bei den Projekten noch mehr ins Detail gehen zu dürfen. Da liegt für uns die emotionale Spitze.“



erschienen in Kunstzeitung Nr.49/Sept.00