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Kommentar von Bernhard Wolf

Zitronengelb

Die Farbe Schwarz ist an und für sich harmlos. Im Wirkzusammenhang mit Kreativen sämtlicher Coleur markiert sie einen exclusiven Stilkanon in den letzten 20 Modejahren.
Jeder Trend durchläuft die klassischen drei Phasen. Frischer Anfang als Statement, dann der Höhepunkt gefolgt von Übersättigung, die in der Regel das höfliche Zurücktreten vor dem nachrückenden Hype einleitet. Streiferljeans, Herrenhandtaschen, Moonboots, Espandrillos - sie alle wurden Opfer dieser Dynamik.
Vereinzelt werden Modeerscheinungen im Ereignisstrom auch die exotischen Stadien vier bis fünf zuteil. Stadium vier ist eine hartnäckige Verlängerung der Geste über das eigentliche Ablaufdatum hinaus, die sich im Gesellschaftsganzen mit dem Nimbus eines notwendigen Übels festzusetzen beginnt. Stufe fünf ist die Anreicherung mit Lachhaftigkeit, die beizeiten in das milde Schmunzeln übergeht, dass es sowas noch immer gibt.
Nur ganz wenigen großen Lifestyleentwürfen im 20.Jahrhundert war dies beschieden. Der lila Latzhose aus den 70ern zum Beispiel, verstärkt durch Birkenstockschlapfen. Und überraschenderweise auch dem Schwarz einer bunten Allianz aus ArchitektInnen, Werbe-Kreativen und KunstbetreiberInnen. Dem Ursprung nach ein echtes 80er Jahre Phänomen, das persönliche Souveränität in der radikalen Abkehr vom Farbengewusel der Hippieära signalisieren sollte, hält sich Schwarz als Berufskleidung hartnäckig bis in die heutigen Tage.
Zum Konkurrenzphänomen Birkenstockschlapfen besteht ein gravierender Unterschied. Lila Latzhosen - TrägerInnen lassen durchaus Selbstreflexion bezüglich ihres gesunkenen Modestatus erkennen und tragen dies zumeist mit symphatischem Humor. ArchitektInnen wurden wahrscheinlich aus Gründen des Berufsschutzes von der Pflicht über sich selbst zu lachen befreit und haben diese empfehlenswerte Variante des Seins bereitwillig vergessen. Dies mag beim Dekonstruieren preisgekrönter Bauten zweckdienlich sein, bei der Kleidung wird es spätesten seit 1990 eine echte Ulknummer. Laufen Zahnärzte auch privat nur in weiß herum? Sind wir Zeugen einer Kapriole der Evolution?
Mitnichten. Es herrscht planmäßiger Gruppenzwang, Freunde.
Mir liebe Menschen, junge ArchitektInnen, gewanden sich freiwillig ganz in schwarz, spätestens sobald sie hauptberuflich dem Entwerfen von Bauten nachgehen. Burschenschaft gehören sie zwar keiner an, repräsentieren aber einen Dresscode, der bestenfalls noch mit experimentell konservativ umschrieben werden kann. Auf der kognitiven Ebene handelt es sich dabei um einen bemerkenswerten internen Kurzschluss. Schwarz kann inzwischen wohl nicht anders als ein Zeichen von Konformismus gedeutet werden, laboriert aber weiterhin unter der Bewusstseinstrübung, sich für ein Leuchtfeuer an Originalität zu halten. Stoisch wie die Queen of England sitzt das ArchitektektInnen-Schwarz alle echten Trends aus, was an und für sich Symphatien bringen könnte, währte es sich nicht gleichzeitig als ganz vorne an der Geschmacksfront und somit im Zentrum der Ereignisse. "Konservativ ist, wer seine Meinung und Geschmack für das Wichtigste hält und sich nichts Neuem öffnet" - in diesem Sinne hat sich die Architektur über ihre Textilien schön langsam im neuen volkstümlichen Eck einbetoniert, und steht dem Vernehmen nach kurz vor der historischen Stufe sechs - "Neue Trachten". Diese noch nie durchbrochene Schallmauer, wird nach jüngsten Schätzungen in den nächsten fünf bis zehn Jahren erreicht werden. Geschmacksichere WeltenbürgerInnen im schwarzen Traditionstuch treffen sich dann zum rituellen Diskursschuhplatteln und l,xl,xxl Frühschoppen.
Werfen wir doch mal einen Blick aus dem Bürofenster und schauen, was sich draussen tatsächlich so abspielt. Auf dem Farbensektor liegt Orange als Trendflagschiff der 90er Jahre in seinen letzten Zügen, Braun konnte seine Versprechungen als ausgeflippte Alternative zum Schwarz nie wirklich einlösen. Nicht nur ich sage euch: Himmelblau und Mintgrün stehen inzwischen kurz vor der Massenzündung. Was für eine schöne Vorstellung! Heerscharen von himmelblau gewandten Kreativen, Götterboten gleich, flächendeckende himmelblaue Menschenarrangements bei Vernissagen und an einschlägigen Arbeitsplätzen. Warum entzieht sich gerade die Farbe Schwarz so sturr dem Produktkreislauf? Vielleicht liegt es am verbreiteten Aberglauben, dass Schwarz eine Art künstlicher Graviation erzeugen kann und somit imstande sei, Bedeutung zu generieren. Oder sitzt der Hundertwasserschock immer noch so tief? Trieb der nach Fischer von Erlach populärste Architekt Österreichs eine ganze Zunft in die Antithese? Vielleicht haben bunte Ballonhüte, Pluderhosen und Bauten die dem Outfit des Meisters ähneln, alle anderen so nachhaltig in die schwarze Paralyse geschickt. Na dann - der Krieg ist vorbei! Hunderwasser baut nicht mehr! Trachtenzwang aufgehoben! Ihr könnt euch wieder völlig frei anziehen und lasst euch diesmal bitte etwas einfallen. Zitronengelbe ArchitektInnen, wo seid ihr?