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Im Gespräch mit Fernandez, die sich mit ihren extravaganten Accessoires und Stoffkreationen für Modegrößen wie Dolce & Gabbana, Giorgio Armani, Donna Karan und Gianni Versace international einen Namen machte, über die Möglichkeiten, Produktionprozesse der Mode auf die Innenraumgestaltung zu übertragen.

Wohnungen

redaktionsbüro: Antje Mayer
Katya Fernandez:
- Ihre neue Serie für die Einrichtungskette KA bezeichnen Sie als "Homewear". Wie definieren Sie diesen Begriff?
- Ich habe für KA International keine Möbel designt, sondern im weitesten Sinne Accessoires. Aber dieser Terminus greift mir nicht weit genug. Meine Kissen, Vasen, Tischtücher und Bettüberwürfe und so weiter sollen wie Kleidung funktionieren, die man - je nach Lust, Laune, Bedarf oder den praktischen Anforderungen- der Wohnung "an - und wieder ausziehen" kann. Das ist "Homewear", im wahrsten Sinne des Wortes!
- Sind solche Ansätze, die Sie aus dem Modedesign herleiten, so ohne weiteres auf den Wohnbereich übertragbar?
- Warum nicht? Wir sprechen heute ohnehin nicht mehr von Mode, sondern von "Lifestyle", der die Grenzen zwischen den klassischen Disziplinen längst verwischt. Wie man sich kleidet, so wohnt man. Also hatte ich die Idee, einmal das Verhältnis zwischen Mode und Wohnen auf den Kopf zu stellen. Gewöhnlich verhält es sich so, daß man auf Messen und Modeschauen Stoffe und Muster vorgestellt werden, die erst zwei bis drei Jahre später in den Möbelgeschäften wiederzufinden sind. Ich habe in meiner neuen Linie Stoffe und Kombinationen verwendet, die nicht schon gestern, sondern erst morgen in den Modeboutiquen hängen werden.
- Benötigen Möbeltextilien aber nicht etwa andere Qualitäten als Kleiderstoffe?
- Nein, im Gegenteil, das ist ja gerade das Schöne. Die Entwicklung geht dahin, bezüglich der Stoffqualitäten nicht mehr zwischen Wohnen und Mode so stark zu trennen. Ein Pullover aus Kaschmir muß ja die gleichen Aufgaben erfüllen wie ein Kissenüberzug oder eine Sofadecke: er muß warm halten, sich angenehm auf der Haut anfühlen und sollte waschbar sein. Ein Hemd aus Organza kann wunderschön sein, ein Vorhang aus diesem Stoff auch. Biomaterialien sind im übrigen sowohl bei der Kleidung und im Wohnbereich sehr en vogue.
- Wie ist das mit den Modefarben? Kann man die so mir nichts dir nichts auch in den Wohnbereich transferieren?
- Behutsam, aber durchaus. Bei meiner neuen Kollektion habe ich sehr viel warme Töne verwendet, die derzeit sehr angesagt sind. Etwa Purpur: Rot, wenn auch etwas heller, ist die Farbe, die am allerliebsten im Wohndesign verwendet wird, weltweit.
Ich stelle es zu Gold-, Gelb- oder hellen Brauntönen. Farben sind das Wichtigste. Wenn die Farben harmonieren, kann man alle Formen miteinander kombinieren.
Ich mische außerdem Stoffe, wie etwa Samt und Seide und kombiniere alte und neue Techniken, indem ich etwa Kunstfelle mit Laserprint bearbeite und sie gleichzeitig mit traditioneller Stickereihandarbeit konterkariere.
- Sie plädieren dafür, daß man die Möglichkeit haben soll, seine "Wohnidentität" jederzeit, wann immer man will, zu wechseln. Ist das ein Phänomen, das sich durchsetzen wird, in einem Zeitalter, wo durch Mode und Internet multiple Identitäten eingenommen werden können?
- In jedem Fall. Ich geben den Menschen das Material in die Hände, mit dem sie ohne großen Aufwand, zu jeder Zeit, in welchem Umfang sie wollen, ihr Haus selbst gestalten und einrichten können. Ich habe mit der italienischen Bildhauerin Vincenzia Jakobbi etwa ein Plexiglas-Objekt für meine neue KA-Kollektion entwickelt, das einerseits als Skulptur, andererseits als Vase fungieren kann.
- Aber haben die Menschen in einer Welt, die sich in rasender Geschwindigkeit ändert, nicht das Bedürfnis nach einem Zuhause als einen Ort der Beständigkeit?
- Heute gilt der Grundsatz: "Jeder nach seiner Façon". Trend ist, daß kein Trend mehr vorgegeben wird. Für den Konservativen, der sich nicht bewegen will, sind die gleichen Möglichkeiten geboten, wie für den, der den Wechsel liebt. Was vor ein paar Jahren noch undenkbar war, ist heute durchaus erlaubt: Nach Lust und Laune, die eigenen vier Wände, meinetwegen saisonal oder vielleicht sogar wöchentlich, umzugestalten. Wie sich zeigt, wird das von vielen Kunden längst praktiziert.
- Wechselt Ihre "Homewear" -Serie wie eine Modekollektion dann auch regelmäßig im Herbst und im Frühjahr?
- Nein, das wäre übertrieben. Warum soll man schöne Sachen, für die man aufwendige Recherchen betrieben hat und die man mühevoll entwickelt hat, wieder aus dem Sortiment nehmen.
Mir ist sehr wichtig, durch Design auch Kunst zu kommunizieren und sie in den Alltag der Menschen zu bringen. Wie die italienische Modedesignerin und Kunstsammlerein Laura Biagotti etwa, die durch ihre Balla-Modekollektion vielen diesen Künstler erst nahegebracht hat. Kunst hat kein Ablaufdatum. Wir werden meine Kollektion für KA in regelmäßigen Abständen ergänzen.
- Die Einrichtungskette KA fährt ja bekanntlich eine eher klassische Linie. Paßt dazu überhaupt Ihr schräges Design?
- Durch meine Mischtechnik fügen sich meine Sachen gut zu klassischen Teilen. Selbst zum Landhausstil, der ja, wie ich mir sagen lassen habe, global, selbst im urbanen Bereich, von Paris bis New York, nach wie vor auf den Hitlisten ungeschlagen auf Nummer eins rangiert.
- Haben Sie eigentlich schon einmal daran gedacht, geschlechterspezifisches "Homewear", jeweils für Männer und Frauen zu entwerfen?
- Nein, obwohl das gar nicht so abwegig ist. Es ist eindeutig die Tendenz zu beobachten, daß Männer sich beim Einrichten - bisher eine klassisch weiblich Domäne - einzumischen beginnen. Unterschiede im Geschmack gibt es freilich: Männer neigen mehr zu Streifen und Karomustern, fast nie zu Floralem. Alleinstehende Männer mit höherem Einkommen greifen viel eher zu gewagtem Design als es etwa Familien mit Kindern tun. Sei's drum: Ich kann nur appellieren: Frauen, laßt Eure Männer ruhig beim Einrichten mehr mitreden!
Katya Fernandez im Telegramm

++++ Katya Fernandez wird in Sao Paulo in Brasilien geboren. +++ Nach ihrem Schulabschluß mit 19 Jahren verläßt sie ihre Heimat Richtung Europa. +++ Auf Grund ihrer klassischen Tanzausbildung steht sie anfänglich für die bekannte Stuttgarter Ballett Company auf der Bühne. +++ Durch ihre Vorkenntnisse - ihre Mutter ist eine bekannte Schneiderin in Sao Paulo- macht sie erste Arbeiten für die Kostümwerkstätte in Stuttgart. +++ In Milano, wo sie bis heute lebt und arbeitet, in London, New York und Tokio dient sie sich durch die Showrooms und Studios bekannter Designer von Versace bis Kawakubo. Ihr Motto in dieser Zeit: "Learning by doing". +++ Bald bekommt Fernandez die ersten Aufträge für Haut-Couture und Pret-a-porter-Schauen namhafter Designer wie Dolce & Gabbana. +++ 1990 macht sie sich als Textildesignerin schließlich selbstständig. +++ Heute entwirft sie nicht nur für internationale Designer, sondern auch für die Mailänder Scala und für internationale Unternehmen wie die italienische Stoffirma Zucchi und KA.

erschienen in Wohnen 02/01