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„Halušky sind ein bisschen wie Ravioli“

redaktionsbüro: Sebastian Fasthuber
Marcel Ihnačák:
- Was sind Ihre kulinarischen Kindheitserinnerungen? Was kam zu Hause bei Ihnačáks auf den Tisch?
- Ich erinnere mich an viele fantastische Süßspeisen, vor allem waren es Kuchen und Palatschinken. Das erste Gericht, das ich selbst gekocht habe, waren Palatschinken. Ich muss so um die acht Jahre alt gewesen sein. Grundsätzlich war das Essen, das bei uns auf den Tisch kam, sehr einfach. Als ich ein Kind war, besaßen wir nicht viel Geld; meine Familie musste sparen. Meine Mutter kochte meist einen großen Topf Suppe oder machte einen Braten dazu. Davon haben wir dann drei oder vier Tage gegessen. Sie verstand es, aus wenigen Zutaten feine Gerichte zu zaubern.
- Ähneln sich die toskanische und die slowakische Küche in mancher Hinsicht?
- Ja, absolut. Die toskanische Küche funktioniert ähnlich wie die traditionelle slowakische Küche mit wenigen Zutaten. Die Toskana war ja – wie die Slowakei – lange Zeit eine arme und ländlich geprägte Gegend. Das toskanische Brot enthält beispielsweise kein Salz, da dieses früher unerschwinglich war.
- Wie kamen Sie zum Kochen?
- Koch geworden bin ich durch Zufall. Als ich in die Gastgewerbeschule ging, habe ich nebenbei Eishockey gespielt und war auf dem Sprung zum Profi-Sportler. Das lag in der Familie, meine beiden Onkel haben in der NHL gespielt und sind in der Slowakei richtige Berühmtheiten. Mit 18 habe ich mir allerdings ein Bein gebrochen. Dann habe ich mir einen Job in einem Restaurant gesucht.
- Wie kommt ein junger slowakischer Koch aus Bratislava zu Jamie Oliver nach London?
- Ich habe mich als Koch langsam und schrittweise weiterentwickelt. Von Bratislava bin ich zunächst nach Prag gegangen, dort habe ich sechs Jahre lang gearbeitet. In Prag habe ich meine ersten Meeresfrüchte gesehen. Als sich die Möglichkeit ergab, bin ich nach London gezogen. Das war noch einmal eine Offenbarung, weil dort mit viel mehr Gemüse gekocht wird und es auch viel mehr Angebot gibt als in Tschechien oder in der Slowakei. Ich lernte völlig neue Zutaten kennen. In London habe ich zuerst in einem französischen Restaurant gearbeitet. Eine gute Schule, aber auf die Dauer sehr anstrengend. Es muss in der französischen Küche immer als auf den Punkt genau fertig sein. Du musst ständig alle Töpfe im Blick haben und die Zeiten sehr genau einhalten. Die italienische Küche ist angenehmer, einfacher. Da muss es einfach nur gut schmecken.
- Und wie war Jamie? Es heißt oft, er sei besser im Vermarkten als am Herd. Hat er Ihnen auch etwas beigebracht?
- Stimmt schon, Jamie ist kein so toller Koch, aber er liebt das Kochen. Das ist sein Geheimnis und deshalb ist er so erfolgreich. Man schaut ihm zu und sieht die Leidenschaft. Und man kann seine Gerichte auch als Laie gut nachkochen.
- Die Slowaken nehmen Ihr Lokal „Liviano“ in Bratislava sehr gut an. Überrascht Sie das?
- Ein bisschen schon. Die Slowaken ändern ihre Ernährungsgewohnheiten nur langsam. Sie haben zwar keine Angst, aber sie trauen neuen Dingen nicht so schnell. Sie brauchen Zeit, um neue Geschmäcker zu entdecken. Unser Erfolg beruht wahrscheinlich darauf, dass wir anders sind. Es gibt kein zweites Lokal dieser Art in Bratislava. Wir haben vor eineinhalb Jahren eröffnet; seitdem geht es stetig bergauf.
- Wäre es möglich, die toskanische mit der slowakischen Küche zu mischen? Würde Sie das reizen?
- Ja, das reizt mich. Ich habe auch schon versucht, ein paar Gerichte in dieser Art auf die Speisekarte zu setzen. Zum Beispiel lassen sich Ravioli auch gut mit slowakischem Brimsen füllen. Zu viel in diese Richtung möchte ich aber eher nicht machen, das würde das Konzept des Lokals verwässern. Grundsätzlich kann es der slowakischen Küche jedoch nicht schaden, wenn sie mit hochwertigen Produkten wie Prosciutto oder Parmesan aufgepeppt wird.
- Wie ist generell Ihr Verhältnis zur Küche Ihrer Heimat?
- Sehr gut. Ich bin glücklich, wenn ich slowakisches Essen koche. Es ist halt komplizierter als die italienische Küche. Halušky sind vom Prinzip her ein bisschen wie Ravioli, nur ungleich aufwendiger zu kochen. Aber wenn ich zu Hause bin, mache ich sie ab und zu. Für meine Familie koche ich eigentlich fast nur slowakische Gerichte.
Restaurant Liviano, Biznisuite Technopol (Technopol-Gebäude), Kutlíkova 17, 852 50 Bratislava, Slowakei
Geöffnet: Montag bis Sonntag, 11.30–23.00
Tel.: 00421 2 682 86 688
E-Mail: liviano@technopol.sk
Internet: www.liviano.sk/en


Sebastian Fasthuber arbeitet als freier Musik- und Literaturkritiker („now!", „Falter", „Der Standard", „Spex").


Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,Juli 2008
Report online - Restaurant Liviano -