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Innocad über Architektur und Angemessenheit, Bedarf und Barkeeper, Sushi und Kreativität

Martin Lesjak , Erhart Rathmayr, Andreas Reiter, Bernd Steinhuber, Peter Schwaiger

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
Innocad:
- Wie seid ihr auf den uncoolen Namen „innocad“ gekommen - der passt doch so gar nicht zu dem Outfit euer Boygroup?
- Wir haben uns einer bestehenden Rechtsform bedient, um Projekte realisieren zu können – und die hieß nun mal innocad. Der Name kommt aus den späten 80er Jahren - aus dem Computerhype - mit der Generation, die alles innovativ fand und schrie: “Hurra, wir haben einen Computer und können ihn auch einschalten.“ An den Namen haben wir uns mittlerweile gewöhnt und mit zunehmender Absurdität und Lustigkeit der anderen Büronamen, die rundherum entstanden sind, wie „urbanenterprisepropellerx“, hat er für uns einen speziellen Wert – vielleicht nicht unbedingt in der Szene.
- Mit der Szene meint ihr wohl die Architekten, mit den hippen Namen und den schwarzen Rollkragenpullis. Wie steht ihr dazu?
- Gleichgültig - schön, dass es sie gibt!
- Seht ihr euch nicht als Architekten?
- Der Beruf des Architekten hat sich uns schon früh sehr trist dargestellt. Wir wollten unser Berufbild selbst definieren!
- Bei eurem Vortrag im Haus der Architektur habt ihr euch selbst die Frage gestellt:
- „Was passiert, wenn ein Barkeeper, ein Baumanager, ein Kosmopolit, ein Berufspragmatiker, ein Stürmer, ein Buchhalter u.v.a. gemeinsam Architektur betreiben?“
- Entspricht das eher eurem Berufsbild?
- Klar, das sind wir und davon lebt unsere gemeinsame Arbeit. Aber es bedeutet nur, die Dinge nicht so ernst zu nehmen – und wenn, dann auf jedem Fall alles gleich ernst. Es gibt im Leben einfach noch viele andere, spannendere Aspekte – wir versuchen den Kontakt zu halten, den Bezug herzustellen und damit Architektur zu machen.
- Obwohl ihr schon in den ersten Semestern einige Wettbewerbserfolge hattet, habt ihr damit aufgehört und recht schnell eine Bürostruktur aufgebaut. Woher kam das?
- Das kam daher, dass wir nicht mehr studieren wollten. Nur über Wettbewerbe zu agieren, waren uns sehr schnell zu einseitig. Wir wollten etwas lernen, dazu war weder das Studium, noch der Wettbewerb geeignet genug.
Wir wollten nicht mit vierzig junge Architekten sein.
Wir wollten so schnell wie möglich bauen.
- Das ist dennoch ein ganz anderer Zugang, den man von jungen Studenten oder Barkeepern erwarten würde. Gerade in Graz gab es damals viele Studenten und Architekten, die glaubten, wenn wir den Wettbewerb gewinnen, ist das eine Bestätigung des Entwurfs und das Durchsetzen der eigenen individuellen Architektur. Warum seid ihr einen anderen Weg gegangen?
- Erstens glauben wir nicht, dass es so läuft und dann gibt es ja genügend Beispiele, die zeigen, dass das Endprodukt wenig mit dem ursprünglichen Projekt zu tun hat.
Wir wollen durch den Prozess, den wir initiieren, ausschließen, dass man in der Realisation Abstriche machen muss. Nur wenn man ein Projekt von Anfang an begleitet, kommt das mit Sicherheit heraus, was herauskommen soll. Nicht als Gedankenkonzept oder als Wettbewerb, sondern in der Realität.
Wir wollten eben die Systeme kennen lernen und damit die Prozesse verstehen, in denen Bauen passiert.
- Das lernt man sicher nicht an der technischen Universität. Aber wollen nicht alle Architekten bauen? Wie ist euch dieser Sprung in die Praxis als Jungs mit Anfang zwanzig gelungen?
- Wir haben uns einfach hineingestürzt und auch bald die Chance bekommen ein relativ großes Bürohaus zu bauen. Nach dem Motto „Learning by doing“. Gelernt haben wir viel, vor allem, dass wir keine oder wenig Ahnung hatten - von der Technik, den Kosten oder den Bauabläufen. Aber wir haben eines schnell bemerkt:
Je mehr Rahmenbedingungen man im Projektverlauf mitbestimmt, desto größer ist die Chance einer guten Umsetzung.
- Also, Projektentwicklung! Geht da nicht ziemlich schnell der Spaßfaktor oder die Lust am Gestalten im Alltag verloren?
- Der kreative Prozess hört für uns nicht beim Gestalten und Entwerfen auf. Kreativität liegt in jedem Teilbereich und bedeutet Interaktion mit allen Beteiligten – während der Entwicklung eines Projekts, während des Bauens, bis hin zum Bewohnen und Benutzen – und das alles macht auch Spaß!
- Jetzt habt ihr schon einiges gebaut und die Projekte werden immer größer....wo wollt ihr mit eurer Architektur hin? Und wo liegt euer Qualitätsanspruch?
- Wir wollen im Prozess den wirklichen Bedarf herausfiltern, der die Angemessenheit und die Qualität erzeugt – die suchen wir und die wird stark durch den „user“ beeinflusst. Es geht uns nicht in erster Linie darum einen eigenen Stil durchzusetzen, sondern einen Mehrwert für den „user“ zu schaffen.
- Einen Mehrwert also? Worin seht ihr den, außer dass es nicht zuviel kosten darf?
- Das Ziel von innocad ist der „user“. Wir sehen uns als Dienstleister, grundsätzlich. Das heißt allerdings nicht: „Der Kunde ist König“ und bekommt alles, was er sich vordergründig wünscht - und wir führen es unreflektiert aus. Wir treten nicht als Architekten auf. Wir treten als Gesamtlöser auf.
Je mehr man alle Teilbereiche des Bauens mitbestimmt, desto freier wird der kreative Gesamtprozess!
Innocad versteht sich als interdisziplinäre Struktur zur Lösung von umfassenden partnerschaftlichen Gesamtkonzepten, das ist uns wichtig. Partnerschaftlich agieren - über unser Netzwerk.
- Vom Netzwerk reden viele. Wie schaut das bei euch tatsächlich aus?
- Andere reden vielleicht davon und treten dann erst einzeln auf - wir machen es einfach, weil es das Netzwerk tatsächlich gibt! Den Mehrwert, den wir bieten ist das optimale Verhältnis zwischen den Aspekten, Architektur, Wirtschaftlichkeit, Marketing technischer Machbarkeit, und Angemessenheit.
- Was bedeutet das für eure Bauherrn, Partner oder Nutzer?
- Der Vorteil ist, dass wir über diese interdisziplinäre Struktur zum Bauherrn mehrere Ebenen und Zugänge haben – wir können über die wirtschaftlich-technische oder über die emotional-theoretische, jeweils auf die Anforderung abgestimmte, Argumentationslinie agieren. Und so kommt entweder der "Stürmer" oder der "Buchhalter" von uns zum Einsatz. Der Grundwert oder der Anspruch ist aber immer der Gleiche. Wenn in allen Bereichen ein sehr hohes Maß an der Qualität erfüllt wird, die wir an das Projekt gestellt haben - dann ist es „fresh“!
- Wenn das Gebäude erst steht, interessiert es niemanden mehr, wie es entstanden ist! Die Struktur ist Mittel zum Zeck - welcher Zweck? Was verkauft euer Produkt?
- Wir verkaufen schon eine Art Lebenseinstellung, die ist sehr breit ist, die nicht ausgrenzt und vor allem nicht wertet!
Perfekte Details sind uns nicht so wichtig, sondern eine gesamte Lockerheit. Und Emotion!
- Eine Mischung aus Erziehung, Therapie und Forschung?
- Die Angemessenheit ist das Entscheidenste. Viele Dinge sind irgendwann nicht mehr nachvollziehbar, wir wollen uns gemeinsam mit dem "user" im Prozess weiterentwickeln.
- Wo steht ihr mit eurer Mission?
- Locker bleiben! Wir wollen uns mit dem Umfeld in dem wir arbeiten – wo immer das ist – auseinandersetzen und identifizieren können. Nicht nur einen Aspekt herauspicken - so wie jemand der in der Steiermark wohnt und jeden Tag Sushi isst - auch wenn es „fresh“ ist!
erschienen in Architektur&Bauforum Nr.217/Apr.02,S.74ff
Innocad Planung und Projektentwiclung gmbh -