- Der Historiker und politische Wissenschaftler Jacques Rupnik hat mit Blick auf Polen beschrieben, dass die Mischung aus Katholizismus und Nationalismus, die einen wichtigen Teil des Widerstands gegen den Kommunismus bestimmt hat, zum Aufbau demokratischer Traditionen weniger beiträgt. Insgesamt beschreibt er, dass vielfach ein Rückgriff auf vorkommunistische Traditionen schwierig ist, weil demokratische Grundlagen fehlten.
- Wenn man die Zwischenkriegszeit betrachtet, hatten wenige europäische Länder eine solide demokratische Tradition. In Deutschland war der Versuch kurzlebig, in Österreich hat er vielleicht ein halbes Jahr länger gedauert, in Italien kam der Faschismus noch früher. Die Tschechoslowakei war dagegen das einzige ostmitteleuropäische Land, in dem die Demokratie nie von innen gestürzt wurde, sondern durch die Nationalsozialisten, und in manchen baltischen Staaten hielt sie auch länger als in Deutschland. Insofern ist in breiten Teilen Europas, in denen wir heute eine stabile Demokratie haben – wie in Österreich – die Zwischenkriegszeit kein Modell. Umgekehrt haben die Erfahrungen mit der nichtdemokratischen Sowjetunion den Blick der vormaligen „Satellitenstaaten“ geschärft. Auch das Image der Demokratie hat sich verändert. Damals war das eine Regierungsform, der man nicht viel zutraute. Seit 40 Jahren hat sich aber in Westeuropa gezeigt, dass sie sehr wohl in der Lage ist, Wohlstand zu schaffen, anders als direkt nach dem Ersten Weltkrieg. Was den Sozialstaat anbelangt, der nach dem Zweiten Weltkrieg ein ganz zentrales Element der Stabilisierung der Demokratie darstellte, so wird er seit 30 Jahren massiv kritisiert. Wenn man aber die Budgets ansieht, werden die Ausgaben massiv ausgeweitet. In Ostmitteleuropa ist diese Ausrichtung auf soziale Sicherheit so groß, dass die Staaten in Relation zum Bruttonationalprodukt ähnlich viel dafür ausgeben wie die westlichen Länder. Die neoliberalen Vorschläge der frühen neunziger Jahre haben sich eigentlich nicht durchgesetzt, es existiert ein europäischer Weg der sozialen Sicherheit, nur sind die Länder aufgrund der wirtschaftlichen Situation nicht immer in der Lage, denselben Schutz zu bieten.