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Im Gespräch mit Wolf D. Prix über den plötzlichen Erfolg, Pop und alte Parolen.

„Architektur ist ein Hund”

Im Gespräch mit Wolf D. Prix über den plötzlichen Erfolg, Pop und alte Parolen.

redaktionsbüro: Antje Mayer
Wolf D. Prix:
- Sie haben mich gerade durch ihr Büro geführt. Beeindruckend wie sie in Kürze gewachsen sind. Über 120 Mitarbeiter allein in Wien, in Laufe der nächsten Jahre werden auf der ganzen Welt Projekte von ihnen realisiert. Sie gewinnen momentan, so scheint’s, einen renommierten Wettbewerb nach dem anderen. So gut lief’s bekanntlich nicht immer für Sie?
- Bekannt zu sein und kaum bauen zu können, das geht den Besten in unserer Branche so. Jeder guter Architekt hat während seiner Karriere im Grunde nur fünf bis acht erfolgreiche Jahre. Das bestimmen die Medien und die Moden. Ich habe nie eine Sekunde daran gezweifelt, dass es einmal soweit kommen wird. Schon während unserer Sturm und Drang-Zeit in den Sechzigern habe ich gewusst, dass wir eines Tages so erfolgreich wie im Moment sein werden. Coop Himmelb(l)au war zwanzig bis dreißig Jahre zu früh, weit seiner Zeit voraus. Unsere Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt.
- Genau das werfen Ihnen einige Kritiker vor, dass Sie beharrlich immer noch an ihren alten Parolen und Grundsätzen festhalten und sich letztlich einem Formalismus verschreiben, der längst überholt ist: „telegene“ Unterhaltungsarchitektur, gut fürs Branding...
- Die, die das behaupten, können nur Blinde sein, die unsere Gebäude nie gesehen, betreten und benutzt haben. Wir sind weit entfernt von einer Architektur der rein formalen Gestalt. Unser bekannter Dachausbau in der Falkestraße in Wien, den wir in den Achtziger Jahren realisiert haben, hat seine Substanz erhalten, ist bis heute frisch und aktuell geblieben. Die Verbindung geometrischer und amorpher Körper, unser Anspruch, private und öffentliche Bereiche zu verknüpfen oder das Thema der fließenden und interaktiven Räume sind allesamt Punkte, die wir von Anfang an propagiert und weiterentwickelt haben.
- Insofern, als dass die „Bad Boys“ von früher nun nur etwas braver, also an den Markt angepasster, arbeiten?
- (lacht): Wir referierten damals auf die „bösen Jungs“ des Pop wie die Stones und Jimi Hendrix, weil sie für uns Erneuerer waren. Sie haben die Grenzen erweitert. Wir wollten damals genauso die Architektur radikal verändern. Braver sind wir nicht geworden. Im Gegenteil. Durch die digitale Technik haben wir nur nun endlich die Möglichkeit, unsere Ideen von damals zu realisieren und sogar zu radikalisieren. Wir haben nie wie die jungen Architekten von heute gesagt: „Take the money and run“. Manche dieser Büros erinnern mich manchmal mehr an Werbeagenturen. Wir haben uns eben geleistet, jahrelang intensive Feldforschungen und Experimente auf dem Gebiet der Kunst und Architektur zu betreiben; und die Hosen enger geschnürt, ohne sie runterzulassen.
- Die neuen Möglichkeiten des Computers sind mit ein Grund für Ihren großen Erfolg derzeit?
- Der Markt ist für uns nicht mehr nur ein Verhinderer, sondern auch ein Ermöglicher geworden. Er bietet uns seit kurzem Programme, die uns erlauben, ökonomischer zu planen, was ja bei einer komplexen Architektur wie der unseren immer ein großes Problem war. Plötzlich können wir komplizierte Strukturen entwickeln und realisieren, sie dynamisieren, zerlegen, schichten, drehen, in die „fünfte Dimension“ gehen. Davon habe ich immer geträumt. Was heute digital möglich ist, hat Coop Himmelb(l)au in den Sechzigern schon vorgedacht. Dennoch arbeiten wir freilich immer noch „altmodisch“ analog. Sonst lebt das nicht. Ich zeichne nach wie vor von Hand und glaube, es gibt kaum ein Architekturbüro, das so viele, große und aufwendige Modelle baut, wie wir es tun.
- Die aktuelle Ausstellung „Austrian Phenomeon. Konzeptionen Experimente. Wien Graz 1958-1973“ im Architekturzentrum Wien (bis 12. Juli), in der auch Coop Himmelb(l)au vertreten ist, präsentiert die österreichischen Aufrührer und Avantgardisten der Sechziger und Siebziger Jahre wie unter anderem Raimund Abraham, Domenig/Huth, Bernhard Hafner, Hans Hollein, Missing Link oder Zünd up. Österreich muss ja damals regelrecht ein Nest von Architektur-Experimentierern gewesen sein...
- Ach was. Im Grunde war das doch alles sehr provinziell. Da wird heute nachträglich kräftig mythologisiert. Der Wiener Aktionismus und die britische Gruppe Archigram waren international doch viel einflussreicher als wir. Dennoch: Es ist nicht zu leugnen, daß es uns Österreichern im Blut zu liegen scheint, Räume sinnlich zu inszenieren. Ich denke, das kommt vom Katholizismus und seinem Baustil, dem Barock. Da wurde etwa ein tonnenschweres Gewölbe gebaut und dann einfach weggemalt. Wenn das keine mediale Architekturinszenierung ist.
- Passt das für Sie dennoch zusammen: Ein superseriöses Projekt wie die Europäische Zentralbank in Frankfurt und demgegenüber die berühmt-berüchtigten Coop Himmelb(l)au-Sager wie „Architektur muss schluchtig, feurig, glatt, hart, eckig, brutal, rund, farbig, obszön, geil usw. sein?
- Wir meinen das heute genauso so ernst wie damals. Schreiben Sie! Sind wir Realisten! Bauen wir das Unmögliche. Die Architektur muss sein wie Wolken. Architektur muss brennen und: Die Architektur ist ein Hund.
erschienen in Kunstzeitung