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Eitelkeit ist ein Klischee, das den Berufsstand der Architekten immanent begleitet. Die Stars stehen vor dem Gebäude und selten dahinter.

Qualität möglich machen!

Interview Markus Spiegelfeld / Werkstatt Wien

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
Markus Spiegelfeld:
- Wieso wollten sie als Architekt vor 20 Jahren eine „Werkstatt“ gründen – welche Bedeutung hat der Name für sie rückblickend?
- Den Namen „Werkstatt“ haben wir natürlich bewusst gewählt und der damalige Ansatz hat sich für uns immer wieder bestätigt. Wir sehen Architektur als vielseitiges, facettenreiches Arbeitsfeld. Schon vor 20 Jahren wollten wir uns nicht nur auf das Planen beschränken. Eine Werkstatt bedeutet, etwas zu entwickeln oder auch weiterzuentwickeln – der Anspruch war, experimentell zu sein – Architektur ist so ein universales und interessantes Aufgabengebiet und unser Büro beschäftigt sich mit einem sehr breiten Spektrum des Bauens.
- Wie würden sie selbst ihr Arbeitsfeld abstecken?
- Das ist schwer und wollte ich in dem Sinne nie. Wir bieten neben der klassischen Planungsleistung eines Architekturbüros, Projektsteuerung und Management an, machen seit Jahren die Gebietsbetreuung des 10. Bezirks, was auch infrastrukturelle und soziale Arbeit einschließt und den öffentlichen Raum betrifft. Städtebau sehe ich als zentrale Aufgabe unseres Büros – von den Grundlagen bis zur Realisation. Da gibt es noch einige Pläne, wie den Forschungsbereich besser auszubauen. Und dann sind wir natürlich Projektentwickler.
Ich stecke nichts ab und suche ständig nach neuen Aufgaben. Dafür habe ich meinem Büro nicht nur Architekten, sondern auch Bauingenieure, Techniker, Sozialarbeiter und viele Kooperationspartner von außerhalb.
- Ein wesentlicher Aspekt ist wohl auch der Wohnbau, insbesondere der Soziale. Was hat sich an der Planung dort wesentlich geändert in den letzten Jahren?
- Eines unserer ersten Projekte war ein Sozialer Wohnbau am Stadtrand von Wien mit 48 Einheiten. Dort sind wir erstmals als Projektentwickler aufgetreten und haben die städtebaulichen Grundlagen festgelegt – das war dann in weiterer Folge eine Initialzündung für Bauträgerwettbewerbe. Als Architekten haben wir Pruscha und Häuselmayer geladen. Seit dem haben wir sicher an die 2000 Wohnungen mit ca. 200 Architekten gebaut. Der Wohnbau wird individueller, wie der restliche Markt auch. Man muss intelligentere Konzepte anbieten – das versuchen wir natürlich.
- Und das nicht nur in Österreich: Ein Wohnbauprojekt wird derzeit in Sarajewo realisiert, wie kam das zustande?
- In Sarajewo entstehen gerade 160 Flüchtlingswohnungen. Wir sind die ersten ausländischen Projektentwickler in diesem Gebiet und haben gemeinsam mit einer Genossenschaft das Projekt rein privat finanziert - ohne jegliche Subvention.
- Also planen sie nicht nur in Österreich?
- In Oman entsteht gerade ein Tourismusgebäude, dass ein geologisch interessantes Höhlensystem zugänglich machen soll. Wir haben ortsansässige Partner und zusammen mit dem Naturhistorischen Museum wurde das Projekt wissenschaftlich aufgearbeitet. Das war sehr spannend und wird bald realisiert werden.
- Bei der Abwicklung so unterschiedlicher Projekte und Fachgebiete, welche spezifische Ausbildung müssen ihre Mitarbeiter aufweisen?
- Wir bilden unsere Mitarbeiter selbst aus und sehen uns ein wenig als Lehrlingswerkstatt. Das ist mir persönlich ein großes Anliegen und sicher nicht nur eigennützig gedacht. Einige Studenten haben jetzt ihr eigenes Büro und sind unsere Partner, so wie die Architekten Sputnic.
- Sie sind auch im Fachbeirat für Architektur und Design, dessen Tätigkeit vor allem der „Förderung von Einzelvorhaben und insbesondere dem experimentellen Aspekt von Architektur eine besondere Bedeutung zugemessen wird.“ Sitzen sie dort an der Quelle?
- Ich will immer beweglich bleiben, mich reiben an neuen Ideen, mich messen – deswegen mache ich immer wieder Wettbewerbe – und Ausschau halten, mit jungen Leuten zusammenarbeiten, sie unterstützen. Im Beirat kann ich das tun und die Aufgabe habe ich sehr gerne übernommen. Das Aufspüren neuer Talente ist mir ein Anliegen und entspricht auch unserer Arbeitsweise im Büro. Im Fachbeirat sehe ich wer etwas macht, wo etwas entsteht.
- Eines ihrer langfristigsten Projekte war wohl das Museumsquartier. Wie stehen sie zu der Umsetzung?
- Beim Museumsquartier hatte ich von Anfang an die Projektsteuerung inne – und ich war wohl der einzige der die ganzen 13 Jahre dabei war. Keine einzige Rechnung ist nicht über meinen Schreibtisch gewandert und von mit freigegeben worden. Deswegen kann ich wirklich sagen, den schlechten Ruf, den das Museumsquartier als Bau hat, ist falsch. Es wurde sehr professionell umgesetzt und verursachte keine Mehrkosten – was für ein Projekt dieser Größenordnung außergewöhnlich ist.
- In kaum einem Feld sind sie nicht vertreten, in welcher Weise sind sie in die Entstehung der Restaurants „Fabio´s“, das vor kurzem eröffnet wurde, und das bald fertiggestellte „Hammam“ involviert?
- Das Fabio´s habe ich zusammen mit den Architekten BEHF betreut und war für mich vor allem der Kampf, die Bewilligung zu erringen. Im ersten Bezirk war das eine Art Präzedenzfall, dem das Magistrat nicht so leicht zugestimmt hat. Aber es hat sich gezeigt,
dass die Belebung des Erdgeschosses das öffentliche Leben dort positiv beeinflusst. Jetzt müsste es weiter gehen. Das „Hammam“ haben wir selbst geplant - ein Restaurant mit Bar und Teeraum und ein angeschlossenes türkisches Bad.
- Mit ihrer Erfahrung im privaten und öffentlichen. Was kann man verbessern, um engagierte Projekte möglich zu machen?
- Wenn man den Mark anschaut, ist der Bedarf im wesentlichen gedeckt – nur maßgeschneiderte Konzepte haben noch eine Chance. Intelligente Produkte, etwas ganz spezielles ist aber auch nur dann realisierbar, wenn man es kommunizieren kann, mit gutem Marketing zum Beispiel. Wien wird gut verwaltet, das strategische Denken ist dagegen weniger ausgeprägt. Ich denke, man muss privaten Initiativen einen Spielraum lassen. Wien hat ein hohes Potential an kreativer Kraft. Die Behörden beschäftigen sich mit Dingen die oft unnötig sind und blockieren andere. Ihre Aufgabe wäre Richtlinien vorzugeben, Rahmenbedingungen zu schaffen und den Privaten mehr Verantwortung zu übergeben. Die Stadt muss „möglich machen“ und die Leute unterstützen, die an der Qualität arbeiten.
- Sie zeigen immer wieder, dass man Lücken im System finden kann, dass man selbst Systeme, die scheinbar funktionieren noch verbessern kann. Woher nehmen sie ihre Ideen und ihre Kraft das auch durchzusetzen?
- Es ist sicher eine Art Forschungsdrang dabei. Ich beobachte sehr genau und versuche immer dorthin zu schlagen, wo andere noch nicht sind – und dann muss man die Konzepte präzise formulieren.
erschienen in H.O.M.E./02