Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Fast ein halbes Jahrhundert schon baut die bekannte Firma Moroso im italienischen Udine Polstermöbel. Der umtriebigen Tochter des Gründers, Patrizia Moroso, 45, und ihrem untrüglichen Gespür für Designtrends ist es zu verdanken, dass das Familienunternehmen heute zu den Toplabels in Europa zählt.

"Das Sofa neu erfinden"

redaktionsbüro: Antje Mayer
Patrizia Moroso:
- Frau Moroso, wir sitzen gerade auf einem wunderschönen knallrotem Ron Arad - Sofa aus ihrer Serie „Victoria And Albert“. Von einem italienischen Traditionsunternehmen würde man sich für gewöhnlich weit mehr Hang zur Klassik erwarten?
- (lacht) Mit solchen eigenständigen Designs haben wir unsere Kunden von Anfang an überrascht, oft auch überfordert. Bald nachdem meine Eltern 1952 in Udine, damals waren beide gerade einmal 25 Jahren alt, unsere Firma gründeten, arbeitete mein Vater, Agostino Moroso, schon mit jungen Designern zusammen, die ziemlich schräge Sachen fabrizierten. Da stand beispielsweise ein sehr junger Mann bei uns in der Polsterwerkstatt: Antonio Citterio....
- ... der heute zu den bekanntesten italienischen Designern der Welt gehört...
- Ja, mein Vater war ehedem so schlau, Nachwuchstalente wie Citterio zu fördern. Die sind mit uns groß geworden. Sie haben seinerzeit ausgesprochen lustige Dinge für uns entworfen, aus runden und amorphe Formen etwa, Ron Arads Sofa, auf dem wir gerade sitzen, nicht unähnlich.
- Im Laufe der Jahre kamen einige Namhafte, die für sie entwarfen, hinzu. Das liest sich wie das Who-is-Who der Designerwelt: Rodolfo Ardoni, Achille Castiglioni, Massimo Iosa Ghini, Ron Arad, Marc Newson, Toshiyuki Kita und und und. Man scheint gerne mit Ihnen zusammenzuarbeiten?
- Wir haben auf diese Weise italienische Designgeschichte mitgeschrieben. Solche starken Persönlichkeiten muss man aber als Firma auch erst einmal aushalten können!
Was diese Leute produzieren, ist keine Massenware, die immer gleich auf große Liebe beim Kunden stoßen muss, nur weil der Designer einen großen Namen hat.
Die Käufer müssen diese intensiven Sachen ja auch aushalten. Ron, um nur ein Beispiel zu nennen, ist ein großer Künstler. Man kann nicht bei ihm anrufen und einen Sessel für die Frühlingskollektion bestellen. Das muss alles mit ihm gemeinsam erarbeitet werden. Außerdem hat kaum jemand so ein Gespür für zukünftige Trends wie Arad. Wir wären dumm, wenn wir das nicht für uns nutzen würden.
- Wohin geht denn zur Zeit der Trend bei Polstermöbel?
- Der Trend entwickelt sich, so komisch sich das anhört, zum Design. Besonders erfreulich für uns natürlich, die wir schon immer darauf Wert legten. Vor vielleicht vier Jahren noch, sah man auf den großen wichtigen Messen von Mailand bis Köln nur brave, konventionelle Möbellinien. Das Wohnzimmer wurde als Refugium begriffen, in dem man sich einigelt. Schreckliche Zeiten! Der Hang zur Nostalgie und die Angst vor der Zukunft war überall gegenwärtig: Kein Mut zur Moderne, nirgends.
- Galt das auch für die jungen Kunden?
- Das waren die Konservativsten. Zu uns kamen junge Paare, um sich ihre erste gemeinsame Einrichtung zu kaufen und was haben die sich ausgesucht? Die gleichen altmodischen Sachen wie sie es bei ihren Eltern gesehen hatten.
- Und das hat sich nun geändert?
- Weitgehend. Die jungen Leute, sei es durch das Internet oder die Medien, sind viel stilsicherer geworden. Der Begriff Zukunft ist positiv besetzt. Innovation ist wieder etwas Spannendes. Das sieht man bei den großen Unternehmen, die fast alle auf eine moderne Linie umgesattelt haben. Wir von Moroso verdienen mit innovativem Design inzwischen neunzig Prozent unseres Umsatzes.
- Das Wohnzimmer als Refugium dürfte wohl auch ausgedient haben?
- Genau. Kein Zimmer in einem Wohnhaus war die letzten vier Jahre derart einem Wandel unterzogen wie das Wohnzimmer. Es öffnet sich nach außen, durch das Internet oder interaktive Funktionen im Haushalt und wird wieder zu einem Kommunikationsraum.
- Die Menschen haben zudem immer weniger Zeit, sich zuhause einmal in Ruhe hinzulümmeln?
- Das Design reagiert auf dieses Phänomen wie man an unserer Sofakollektion "Lowland" von der spanischen Designerin Patricia Urquiola sehen kann. Dieser Verkaufsrenner ist nach dem Legoprinzip aufgebaut. Er funktioniert gleichzeitig als Sitzgelegenheit und Ablagefläche, ist extrem variabel und multifunktionell. Diese furchtbaren Wohnzimmerkanapees mit unendlich vielen Kissen, mehr Bett als Sitzgelegenheit, in denen man tief versinkt, die unendlich viel Platz brauchen und nur eine Funktion erfüllen, haben ausgedient.
- Urquiola ist Spanierin, Ron Arad Brite. Sie arbeiten viel mit ausländischen Designern zusammen. Hat Italien als Designland ausgedient?
- Italien hat große Lehrer in den Sechzigern hervorgebracht. Die haben Möbeltypen gänzlich neu erfunden. Eine große Revolution aus heutiger Sicht. Dieser Hype hat sich dann noch in die Siebziger herübergerettet. In den Achtzigern sind dann der Nachfolgegeneration die Ideen ausgegangen. Die besaßen in Italien zuviel Respekt vor ihren großen Vätern.
Mit österreichischen Designern habe ich im übrigen noch nie zusammengearbeitet. Schade, unsere Firma Moroso in Udine liegt ja nicht weit von der Grenze entfernt.
- Das sollten sie unbedingt nachholen. Aus welchem Land kommen ihrer Meinung nach die innovativsten Designideen derzeit?
- Natürlich aus Großbritannien und den Niederlanden. Da war keine Industrie, die den Nachwuchs mit Verkaufszahlen tyrannisierte. An den Designschulen arbeitete man sehr künstlerisch. Die Jungen hatten den Kopf frei für Kreativität.
Italien ist aber immer noch interessant für neues Design. Die Unternehmen sind dort klein und können dadurch auch mal Experimente eingehen. In Deutschland ist das nicht möglich. Da ist alles eher auf Masse ausgerichtet. Mein Geheimtipp ist Frankreich derzeit. Da wächst eine interessante junge Generation heran.
- Abgesehen vom Designernamen, auf was muss man den beim Polstermöbelkauf achten?
- Beachten sie die Qualität des Überzugsmaterials. Denken sie daran, dass der Bezug waschbar sein muss und gehen sie sicher, ob die Füllung den Ökonormen entspricht. Und nicht vergessen: Setzen sie sich erst einmal zur Probe hin, dann fühlen sie, ob sie auf einer Wellenlänge mit dem Möbel sind.
- Und? Sind sie auf einer Wellenlänge mit Ron Arads Sofa, auf dem wir gerade sitzen?
- Absolut. Er hat das Sofa tatsächlich neu erfunden.
- Existieren schon Prototypen?
- Die NASA hat natürlich schon Prototypen gebaut und sehr viel an aufblasbaren Habitaten geforscht – das sind Räume, die sich klein verpacken lassen und die sich dann auffalten, was natürlich ein irres Potenzial ist. Eine wichtiges Thema sind auch Pflanzen, als Grünhäuser, die der Forschung, aber auch als Nahrung dienen. Auch der Bezug nach außen ist relevant für solche Habitats.
erschienen in Wohnen&Design 05/01,S.77
Moroso -