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„Man kann sich nicht ewig auf die Wiener Werkstätten berufen“, so oder so ähnlich tönen zuweilen die Kritiker der heimischen Designszene und beschwören gebetsmühlenartig mehr Kreativität und Internationalität. Solcherart Forderung scheint sich so manches junges Designkollektiv in Österreich indessen zu Herzen genommen haben. Trotz britischer und skandinavischer Konkurrenz hat sich hierzulande in den vergangenen drei Jahren klammheimlich eine veritable Nachkommenschaft firmiert. Darunter auch das Büro Superreal mit Sitz im Wiener 15. und, das würde so manchen Kritiker ein Lächeln auf die Lippen zaubern, mit einer Zweigstelle in London.

Superreal-istisch!

Die fantastischen Vier

redaktionsbüro: Antje Mayer
Designbüro Superreal:
- Eure Referenzliste reicht von Royal College of Art London bis zu Bombardier Transportation. Man kann nur staunen. Im vergangenen Oktober erst habt Ihr bei Designerblocks in London, Tokio und Seoul teilgenommen. Es gelingt demnach doch, von Österreich aus als Designerbüro potente Aufträge zu lukreieren und international zu reüssieren.
- Auf jeden Fall. Sicherlich war es klug, London als Firmensitz von der Gründung, im Jahre 1999, an zu kommunizieren. Das war jedoch weniger Taktik. Wir hatten schon fünf Jahre zuvor, während des Studiums, lose miteinander gearbeitet. Unser Vierte im Bunde, Michael Scheufler, saß zu der Zeit eben in London, wir in Wien. Kein Problem. Wir kommunizieren seither über das Netz. Die täglichen Datenmengen, die über den Kanal geschickt werden, sind allerdings riesig. Aber alle paar Monate kommt Michael Scheufler doch „physisch“ nach Wien zur Klausur. Das funktioniert einwandfrei.
- Über welchen Projekten brütet Ihr dabei gegenwärtig?
- Wir arbeiten derzeit an dem Guide zur London Fashion Week, gestalten das Corporate Design der Londoner Werbeagentur Stream\MSI und entwickeln ein Tageslichtsystem mit der Firma Bartenbach Lichtlabor.
- Moment mal. Seid Ihr jetzt Graphiker, Produktdesigner oder Architekten?
- Eben. Alles miteinander. Uns liegt es am Herzen, ganzheitlich zu arbeiten. Wir denken, dass viele Projekte gerade an den Schnittstellen zwischen Grafik, Architektur, medialem Auftritt und künstlerischem Anspruch scheitern. Wir arbeiten wesentlich im Bereich Corporate Design und beraten bei der Produktentwicklungen. Da ist spartenübergreifendes Denken gefragt. In unserer Zusammenarbeit entsteht mehr als nur die Summe unserer einzelnen Fachgebiete. Dieses „mehr“ ist Superreal.
- Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal? Für ein Projekt kann es doch auch förderlicher sein, wenn möglichst viele verschiedene Inputs von außen einfließen!?
- Leichter machen wir es uns dadurch freilich nicht. Die Aufgaben sind dadurch, besonders am Anfang, unglaublich komplex. Die Praxis beweist doch aber, dass die strenge Aufteilung der akademischen Disziplinen, wie man sie von den Schulen kennt, längst Schnee von gestern sind.
- Die Auftraggeber sind bereit, auf eine solche Arbeitsweise einzugehen?
- Im November erst haben wir das Flagship-Restaurant der Noodlekette MOSCHMOSCH im Zentrum von Frankfurt fertiggestellt. Wir haben dabei wirklich alles designt: angefangen vom Firmennamen, der Architektur bis zum Corporate Design. Sogar der Webauftritt und die Werbekampagne mit diesen skurrilen Haikus geht auf unsere Rechnung. Mit Erfolg: Vor dem Laden stehen die Leute Schlange.
- Und die Beteiligungen von Superreal an internationalen Kunstausstellungen, mit denen so manches heimischen Designerbüro seine Existenz auftragslos bestreiten muss, sind dann die Lockerungsübungen nebenbei?
- Kunst-Ausstellungen sind unser Testfeld, Humus für unsere tägliche Designarbeit. Wir denken, dass wir uns der Konfrontation mit dem Publikum im Vorfeld stellen müssen. Das belebt ungemein!
- Eure Kunst-Prototypen, wie die Superman Zosch-Tapete im blau-weißem Bierzelt-Outfit und die feschen Luftkissen-Fundoshi, die eines Eurer Mitglieder, Armin Dold, graziös und vor allem nackt in Szene setzt, lassen jedenfalls vermuten, Ihr seid mit viel Spaß bei der Sache.
- Humor und die Beschäftigung mit dem Absurden ist uns wichtig. Deswegen auch der Name „Superreal, den man, wenn man will, so übersetzen könnte: Offensiv angehen, was hinter dem Realen liegt. Wir arbeiten unsere Projekte nie bierernst nach Schema F ab. Im Gegenteil: Es macht uns Spaß, uns mit der Industrie auseinanderzusetzten.
- Sind die Vorgaben bei gewissen Aufträgen zuweilen nicht so eingegrenzt, dass einem der kreative Humor vergeht?
- Ein Beispiel: Wir haben auf Einladung von Bombardier Transportation, einem der größten Schienenfahrzeughersteller, über Innenraumdesign von Strassenbahnen diskutiert. Leider mussten wir jedoch bald feststellen, dass die Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Bereich äußerst eingeschränkt sind.
- Und habt Ihr den Auftrag erhobenen Hauptes abgelehnt?
- Nein! Im Gegenteil. Wir baten Bombardier, recherchieren zu dürfen. Von der Basis an. Wie klingt die Bahn? Gibt es andere als die vorgegebenen Materialien? Sind Holzbänke vielleicht wieder eine Alternative? Wodurch empfindet ein Fahrgast Risiko?
Bombardier hat das Potential einer solchen Grundlagenarbeit sofort erkannt.
Diese Basisrecherche betreiben wir im übrigen bei allen neuen Aufgaben. Nur so entstehen wirklich neue, gute Ideen.
- Es juckt Euch nicht in den Fingern, doch so einen Bahnwagon realisiert zu sehen, exklusiv made by Superreal?
- Wir haben ja nun schon genügend Projekte, auch sehr große und komplexe, realisiert, aber trotzdem: Nicht ausschließlich der, der produziert, ist heutzutage Designer. Das wäre ein völlig veraltetes, verklärtes Bild vom Berufsbild Produktgestalter. Viele hängen diesem Ideal eine Karriere lang oft verbittert nach. Was das betrifft, sind wir immer superreal-istisch.
Steckbrief Superreal:
Gründung von Superreal 1999 in London und Wien +++ +++Partner: Peter Döllmann/ Michael Scheufler/ Arnim Dold / Christian Hasenauer +++ Ausstellungen (Auswahl) Designersblock London/GB (2000) +++ Milano Furniture Fair (2001) +++ 100% Design London/GB (2001) +++ Künstlerhaus Wien (2002) +++ “The Fundoshi Expirience”, (2002) +++ Designersblock Tokyo und Seoul (2002) +++ Auftraggeber: Channel4, Royal College of Art London, Selfridges London, Österreichisches Verkehrsbüro +++ Aktuelle Projekte (Auswahl): Flagshiprestaurants von MOSCHMOSCH, Frankfurt/Main (2002) +++ Logoentwicklung für die MCE Holding AG +++ Corporate Design für die Werbeagentur Stream/London +++ Off Catalogue der London Fashion Week +++ Entwicklung eines Tageslichtsystems gemeinsam mit dem Bartenbach Lichtlabor

erschienen in H.O.M.E Nr.03/03,S.104ff.
Superreal -