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Was haben Statiker hier zu suchen? Die folgenden Seiten sind üblicherweise reserviert für Architekturbüros, für schräge Entwürfe und seriöse Projekte, für innovative Bauten und durchdachte Konzepte. Ein Porträt einer kreativen Zusammenarbeit mit Aussagekraft, umfassend und detailliert, soll die Möglichkeit bieten, Arbeitsweisen, Ansätze und Kontexte herzustellen.

Gleichgewicht im Bauprozess

im Gespräch mit Werkraum Wien (Peter Bauer und Peter Resch)

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
Werkraum Wien:
- Wie kann man sich die Karriere eines Statikers vorstellen?
- Wir haben Bauingenieurwesen studiert, dieses Studium hat, gerade am Anfang, eine sehr heftige naturwissenschaftliche, mathematische Ausbildung mit Festigkeitslehre, Mechanik, Mathematik und Statik - sehr fundiert, aber sehr allgemein. Mit Bauen hat es zu diesem Zeitpunkt noch wenig zu tun. Die klassische österreichische Bildung: zuerst die Grundlagen erlernen und sich dann spezialisieren – mit dem Nebeneffekt, dass es lange Strecken hindurch trocken wird – aber man ist eher ein Mathematiker als ein Bauingenieur.
- War euch das zu abstrakt? Habt ihr euch deswegen für Architektur nicht nur interessiert, sondern auch unterstützt und selbst aktiv in ihrem Büro betrieben?
- Das Studium war schon spannend und eine Herausforderung – aber Denksport. Wir haben uns dann eine kleine Pause gegönnt und sind von den Bauingenieuren zu den Architekten gewechselt. Dort mussten wir plötzlich Aktzeichnen und Entwürfe hinlegen – das hat uns sehr gefallen und wir haben bemerkt, dass das Feindbild Architekt, das bei uns immer wieder vermittelt wurde, bei den Architekten vice versa existiert. Wir haben in die andere Fakultät hineingerochen und dort gehört, dass wir die großen Feinde der Architektur sind, bei uns hat man uns vermittelt, dass die Architekten die sind, die nichts vom Bauen verstehen – aber das es die auch gibt!
- Ihr wolltet keine Architekten sein, aber auch kein Feindbild?
- Wir haben das Bauingenieurstudium fertiggemacht – und unsere gemeinsame Arbeit, die wir schon während des Studiums begonnen hatten, selbstständig weitergeführt. Damals waren wir noch zu dritt, wobei man sagen muss, dass schon in der ersten Phase immer wieder Architekten mit an Board waren, die uns bei den Projekten unterstützt oder die wir auch gemeinsam betrieben haben. Wir haben immer versucht und versuchen noch, Projekte umfassend zu sehen und im Zusammenspiel der verschiedenen Betrachtungsweisen zu einer Lösung zu kommen. Das hat uns schon im Studium gestört, die Zerhacktheit der Zusammenarbeit im Planungs- und Bauprozess. Irgendjemand hat eine Idee, der Architekt zieht über einen Wettbewerb ein Projekt heran und formuliert die Idee halbwegs aus und dann ärgert er sich mit allen anderen – das ist eben das klassische Berufsbild, das viele Architekten von sich haben. Unsere Arbeit beschränkt sich dann darauf, dass etwas, was irgendjemand erfunden hat und das man eigentlich nicht bauen kann, so zu vereinfachen, dass es baubar wird und nicht zu teuer. Das hat uns immer an unserer Arbeit gestört. Die Sehnsucht war groß, ein Projekt vom Start an auf eine gemeinsame Basis zu stellen.
- Warum seid ihr nicht gleich auf die Architektenseite gewechselt?
- Wir hatten damals die Grundidee, und die hat nach wie vor Gültigkeit, dass nur die besten Dinge herauskommen, wenn es Leute gibt, die dasselbe wollen und von Anfang an zusammen daran arbeiten. Wir beide haben bewusst das Architekturstudium nie abgeschlossen, weil unsere Kapazität, die Dinge in die Tiefe zu treiben beschränkt war. Wir haben gesehen, dass es Leute gibt, und das sehen wir in der täglichen Arbeit besonders deutlich, die den anderen Aspekt besser beleuchten können. Das gilt nicht nur für Architekten, sondern für alle Beteiligten in einem
Bauprozess. Es macht uns Spaß mit anderen guten Konsulenten der Fachbereiche zusammenzuarbeiten, sich etwas Kreatives einfallen zu lassen. Das gilt für Haustechnik, die Finanzierung oder den Umgang mit Behörden. – übriggeblieben ist praktisch, das Verständnis, dass man in gut organisierten Teams die besten Resultate erzielt.
- Wie kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?
- Gute Zusammenarbeit ist auch dadurch bedingt, dass man in seinem eigenen Feld sicher ist. Zumindest so sicher, dass man es ergründen kann – und nicht sagt: Das kann ich nicht rechnen, ich mache das besser nicht – oder auch als Architekt: Diese Geometrie traue ich mir nicht zu, deswegen entwerfe ich nicht so. Das Problem in der Praxis ist meist nicht, wie man eine Schnittkraft errechnet, sondern wie man halbwegs wirtschaftlich, ökonomisch und kreativ ein Projekt realisieren kann. Dazu brauche ich natürlich einen umfassenden Überblick.
Das heißt noch nicht, dass man erst anfangen sollte, mit den anderen zu reden, wenn man den größten Überblick aller Zeiten hat. Irgendwann muss man einfach probieren, ausloten, sonst entsteht nichts. Man muss sich in der Praxis einen natürlichen Zugang verschaffen.
- Wie wir wissen, gelingt das aber in den seltensten Fällen?
- Sehr viele Versuche gehen schief, weil man sich von einer Zusammenarbeit zu viel erwartet. Man sollte eher lernen, wie man sich aus den verschiedenen Fachbereichen eines Verständnisses oder einer Verständigkeit bedient. Es muss konstruktiv sein. Es darf nicht passieren, dass man einsam eine Idee entwickelt und dann denkt: „jetzt kommt noch der Haustechniker dazu und zerstört wieder alles mit seiner Haustechnik.“ Man sollte sich freuen, dass man es nicht selbst machen muss, dass es jemanden gibt, der sich damit auskennt. Ein Haus ohne Haustechnik ist keine Alternative.
- Lernen Architekten, das ein Haus mit dem Entwurf fertig ist?
- Zu viele denken vielleicht so. Wenn man den Prozess kennt, dann denkt man alle Fachbereiche von Anfang an mit. Genauso wie der Ingenieur, der, wenn er gut ist, gleich überlegt wie das Stabwerk aus Kostengründen optimiert werden kann – sonst hilft die beste Berechnung nichts – genauso kann ein Architekt nicht einen guten Entwurf machen, wenn er nicht schon Fluchttreppen und Brandschutz mitbedenkt. Ansonsten ärgert man sich immer über die Behörden, die das dann einfordern.
- Wie findet man seine idealen Partner? Wie kommt man an die Architekten heran?
- Indem man sie von Beginn an unterstützt, wie beispielsweise bei Wettbewerben. Diese Projekte betreuen wir relativ intensiv und mit Freude, weil genau dort die Basis, die Ideen festgelegt werden. Man kann noch eingreifen und entwickeln, die Richtung mitbestimmen, die auch aus Sicht des Ingenieurs richtig wäre - bis die Architektur ihre Qualität bekommen hat.
- Gibt es dafür ein Beispiel?
- Ja, der Busbahnhof mit den Architekten Fasch & Fuchs ist ein Beispiel, wo die Dinge gut zusammenpassen. Dort ist die Form das Tragwerk und das Tragwerk ist die Form. Beide haben wir uns so eingebracht, dass es kein unsinniges Ingenieurbauwerk wird. Das ist ein Projekt, das in der Semantik durchgängig funktioniert, ingenieurmäßig und architektonisch. Weil man weiß worum es geht – sonst wäre es vielleicht die verkrampfte Suche nach einem schönen Knoten. Man weiß oft nicht, warum etwas so oder so ausschaut, dann löst man ein Detail zwar gut, aber man hat keine Entscheidungsparameter für das gesamte Konzept. Wenn man aber von Anfang an mitarbeitet, kann man das, oder wie etwas ausschaut, fast präzise ableiten – im Idealfall an der täglichen Bearbeitung. Wenn man sich miteinander auseinandersetzt, man spielt die Bälle hin und her und fühlt sich nicht verloren.
- Bei Werkraum Wien gibt es auch Architekten im Büro, wie schaut dort die Zusammenarbeit aus?
- Ja wir haben auch gemeinsame Projekte. Aber es muss klar sein, dass die Architekten hinter den Projekten von Werkraum stecken. Natürlich ist auch hier die vordergründige Idee, mit Leuten, mit denen man täglich zusammensitzt, einen dauernden Austausch zu haben – das ist von Vorteil. Wie bei einem Einfamilienhaus, das wir gemeinsam betreut haben. Die Architekten haben uns ihre Vorstellungen mitgeteilt und dann war sofort klar, wie die Statik auszuschauen hat. Das Tragwerk ist das konstruktive Gerüst des Hauses, das eigentlich schon die Form und Organisation mitgeprägt hat. Jede Wand, die es dort gibt, hat eine eindeutige statische Funktion. Die anderen Wände gibt es nicht. Die statischen Komponenten sind in diesem Fall gleich richtig hineingeflossen.
- Gibt es nie Kommunikationsprobleme untereinander? Wie reden Bauingenieure mit Architekten?
- Ein gemeinsames Vokabular ist wichtig. Das muss man sich erarbeiten, genauso wie man sich erarbeiten muss mit einem Bauphysiker zu reden. Alle sehen dasselbe Projekt, aber aus anderen Perspektiven. Das ist ein generelles Problem, wenn der Jurist über Bauen redet, versteht er aus meiner Sicht nur die Hälfte von dem, was er überhaupt sagt. Aus seiner Sicht, weiß er exakt was er meint, aber was das dann baulich heißt, weiß er oft nicht.
- Wie erlernt man die Sprache des anderen?
- Dabei ist es natürlich von Vorteil, wenn man weiß, was die Arbeit des anderen bedeutet – weil man dabeisitzt oder es selbst einmal versucht hat. Dann bemüht man sich, eine vernünftige Form zu finden und sagt nicht schnell „soll er halt den Grundriss ändern“. Man begegnet jetzt der anderen Komponente mit soviel Respekt, dass man lieber selbst überlegt, ob wir die Konfiguration noch mal so adaptieren können, dass die andere Seite Platz findet.
- Mit dem eingebrachten Verständnis für die Arbeit lassen auch Architekten den Einspruch zu? Oder überlasst ihr die ästhetische Komponente vollkommen den Architekten?
- Nein, das geht Hand in Hand. Bei vielen Projekten geht das nicht anders - wie bei der „Spirale“, einem spiralförmigen Siegenaufgang. Wir haben gemeinsam mit den Architekten Spiralstrukturen studiert – wachsende Hörner von Tieren, die nach ganz logischen Gründen, nach einer mathematisch genau definierten Form wachsen. Horn, als steifes, nicht veränderbares Material, hat keine andere Chance als so zu wachsen. Die Natur hat aber eine andere Aufgabe als eine Stiege abzubilden, daher kann man zwar die geometrische Grundfigur übernehmen, aber das Tragwerk mussten wir natürlich selbst entwickeln. Der ästhetische und formale Ansatz entsteht bei so einem Projekt gleichzeitig.
- Wann kommen die Kosten bei solchen Projekten ins Spiel?
- Bei diesen Größenordnungen muss man relativ früh die Kosten eruieren. Man muss eine Aussage treffen können, weil sonst hat man umsonst geplant – aber das macht auch Spaß. Wir versuchen nicht nur das System, sondern auch die Kosten parallel zu entwickeln. Auch bei Wettbewerben ist meist ein Limit bekannt, wenn man gut ist, erreicht man das in diesem Stadium. Es hat keinen Sinn, wenn das Projekt später doppelt so teuer wird. Das sind dann die Projekte, die scheitern, weil man erst bei der Planung herauskommt, wie teuer es ist.
- Und eure Kosten? Bei Wettbewerben gibt es für die Architekten ja selten ein Honorar...
- Wir tragen dasselbe Risiko wie die Architekten, das ist ganz selbstverständlich. Allerdings ist bei uns nie sicher, auch wenn der Wettbewerb vom Architekten gewonnen wird, das wir den Auftrag bekommen. Das ist ein Problem bei jedem Projekt, wo man schon in der Wettbewerbsphase Spezialisten braucht. Da sollte sich etwas ändern.
- Habt ihr Lieblingsprojekte? Gibt es die überhaupt? Geht man Cool Himmelb(l)au anschauen, weil es so schräg ist?
- Das kann man sich schon anschauen - ich finde es immer angenehm, wenn man über Projekte reden kann, das heißt nicht, das Architektur Verhandlungssache wird, auch Statik ist keine Verhandlungssache. Aber wenn man die Chance hat ein Konzept zu verstehen, dann kann man es auch adäquat unterstützen. Wenn man nichts versteht und auch nichts erklärt wird oder weil es auch keine Erklärungen gibt, dann ist es schwer – dann wird es sehr beliebig. Das interessiert uns nicht so sehr. Lieblingsprojekte entwickeln sich aus dem Prozess.
Was mich wirklich freut, wenn es Projekte gibt, wo möglichst viele Aspekte zusammenkommen – Design, Ökonomie, klimatische Anforderungen, Wirtschaftlichkeit etc. – dann wird es richtig.
- Was ist richtig im Falle von Statik?
- Wir haben das kürzlich diskutiert: „Richtige Tragwerke versus Kraxen“. Die Kraxen können unter Umständen viel komplizierter ausschauen und viel weniger Arbeit machen. Außerdem ist es dann egal. Man braucht die Sorgfalt eines Ingenieurs, aber man muss nicht strukturell überlegen. Im Gegensatz dazu gibt es die Forscher, Buckminster Fuller, Frei Otto – man muss kein Ingenieur sein, aber man muss strukturell arbeiten, schauen wie es funktioniert – argumentieren mit Kraftflüssen, mit Verhältnissen, sich Insektenflügel anschauen, Faltwerke studieren – das bringt das Verständnis weiter - und dort wird es für einen Ingenieur schön.
erschienen in Architektur&Bauforum Nr.05/02

Werkraum -