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Zur Förderung gehört Risiko

Lothar Knessl, ist Kurator des Erste Bank-Kompositionsauftrags

redaktionsbüro: Irene Suchy
Lothar Knessl:
- Herr Knessl, was ist die Geschichte dieses Preises?
- Wie für so vieles in Wien kam der erste Impuls von Claudio Abbado, einem Menschen, dem man schlicht und einfach zu wenig Anerkennung zukommen lässt.
- Ist nicht er es, der sich zurückzieht?
- Abbado polarisiert – aber es wäre schön, ihn wieder für Tätigkeiten in Wien zu motivieren. Jedenfalls stand am Anfang des Erste Bank-Kompositionsauftrags so wie auch am Anfang des Festivals „Wien Modern“ Claudio Abbado.
- Was sind Ihre Kriterien für die Vergabe?
- Ich stehe mit meinem Namen dahinter. Es gibt keine Jury. Trotzdem ist es keine Alleinentscheidung, weil die Aufführung mit den Möglichkeiten des Konzerthauses koordiniert werden muss. Meine Vorschläge hat das General Management aber noch nie abgelehnt. Ich mache sie auf zwei, drei Jahre im Voraus.
- Mittlerweile ist es eine Erfolgsliste für den Komponisten und für den Vergebenden. Erstes Kriterium?
- Der Preis soll eine Starthilfe sein. Beim Präsentationskonzert sollen auch andere Werke des Komponisten, also nicht nur das gerade neu entstandene, gespielt werden. Darüber hinaus versuche ich in diesem Zeitraum für den Komponisten noch weitere Förderungen zu erhalten: vom Bund, von der Stadt Wien. Es sollen zwei oder drei Impulse gesetzt werden. Meistens gelingt das; wenn es nicht gelingt, war es zumindest ein Versuch. Das Risiko ist bei Dingen, die man nicht kennt, immer gegeben.
- Wen haben Sie in Zukunft noch im Auge? Bernd Richard Deutsch?
- Für den kämpfe ich noch.
- Gegen wen? Wer redet noch mit?
- Das Konzerthaus, das „Klangforum“. Ich bin manchmal auch hart und sage: Der muss hinein, auch wenn es euch nicht passt. Aber man darf den Komponisten nicht zu einer Arbeit zwingen. Es beginnt mit Gesprächen und Fragen wie: In welcher Richtung arbeiten Sie derzeit? Welche Besetzung interessiert Sie? Dann rede ich mit dem Konzerthaus, frage nach, inwieweit diese Ideen Anklang finden.
- Was beinhaltet der Preis?
- Dem Preis ging nach seiner Gründung ein wenig an Renommee und Publizität verloren, was mich zu einer Reform bewog. Die Preisstruktur sieht in der erneuerten Form vor, dass die Bank nicht nur das Preisgeld für den Komponisten, sondern auch für die Aufführungen bezahlt, dass eine dreimalige Aufführung gegeben ist und dass eine CD mit dem Auftragswerk produziert wird.
Dieser erneuerte Pakt wurde 2002 mit einem Dreijahresvertrag fixiert und mit einem weiteren solchen Vertrag verlängert.
- Gibt es ein Ideal der Förderung?
- Mit der Vergabe eines Preises ist es nicht getan. Das Ideal ist die Anregung der Musikschaffenden in eine Richtung, wohin der- oder diejenige ohnedies gehen wollte. Außerdem muss es eine Aufführungsgarantie geben – und das Werk soll auch möglichst nicht nur einmal an einem prominenten Ort zu einem guten Zeitpunkt von einem renommierten Ensemble aufgeführt werden.
- Der Erste Bank-Kompositionspreis ist an die Kooperation mit dem Klangforum gebunden, was eine gegenseitige Stärkung bedeutet.
- Ja – ich war froh, dass das Klangforum unter Sven Hartberger einstieg.
- Wie bleiben Sie auf dem Laufenden?
- Ich fahre viel herum. Jetzt komme ich gerade aus Zürich von der Premiere der HK-Gruber-Oper nach H. C. Artmann.
- Das ist das Wesen der Förderung: die Schönheiten hervorheben. Das, was an Gutem da ist, zu bemerken und bewusst zu machen.
- Wobei der Sponsor etwas ermöglichen soll, das ohne ihn nicht stattfinden würde: Also nicht „La Traviata“ bei den Salzburger Festspielen, sondern sich um Projekte kümmern, die der Idee des Sponsorings, der Förderung von Kunst, entsprechen. Zur Förderung gehört für mich, das Risiko des noch nicht Dagewesenen zu tragen.
- Das Risiko des Mäzens?
- Ja, ein Kulturbewusstsein soll entstehen; das ist mit Risiko verbunden. Diese Philosophie des Risikos passt zur Erweiterung der Erste Bank in den osteuropäischen Ländern. Dort – in Tschechien, in der Slowakei, bald auch in Ungarn – wird die Erste Bank mit diesem Bewusstsein verbunden.
- Wie macht man Mut zum Risiko?
- Indem man selbst eine flexible Geisteshaltung zulässt und entwickelt, so wie es die Erste Bank jetzt in ihrem Osteuropa-Geschäft und in ihrer Komponistenförderung zeigt. Das Unternehmen kann damit eine singuläre Position erreichen: bei jenen Multiplikatoren, die tonangebend sind. Die Intention dabei ist weniger eine große Resonanz in der Öffentlichkeit als das Erreichen einer meinungsbildenden Zielgruppe.
- Wie wichtig ist Ihnen die Publikumsreaktion? Es gibt da von Komponisten ganz verschiedene Aussagen – von Puccini bis Wagner. Waren Sie auch manchmal Publikumshasser …?
- Natürlich freut es mich, wenn ein Stück, dem ich Qualität zuerkenne, auch im Hörerbereich eine positive Resonanz hat. Wie reagiert ein Publikum in Donaueschingen oder in Schwaz bei Festivals neuer Musik? Das Publikum ist toleranter geworden. Schönberg’sche Skandalkonzerte mit Tumulten wie 1913 wären heute fast undenkbar. Ich habe nur einmal eine Uraufführung von Philip Glass erlebt, bei der das Publikum in Buhrufe ausgebrochen ist.
Wenn ich heute ein Publikum in einer gleichmäßig lauen Reaktion auf fünf vollkommen verschiedene Stücke beobachte, dann bin ich enttäuscht. Auf die Meinung dieses Publikums gebe ich nicht viel.
Ich erinnere mich an den verstorbenen „Universal Edition“-Verlagsleiter Alfred Schlee, der sich einmal im Konzert zu mir umdrehte und erstaunt nach einem Stück fragte: „Warum applaudieren denn da die Leute?“

Erste Bank-Kompositionsauftrag
Liste der Preisträger:

1989 Herbert Willi
1990 Gerhard E. Winkler
1991 Christian Ofenbauer
1992 Gerd Kühr
1993 Georg Friedrich Haas
1994 George Lopez
1995 Herbert Grassl
1996 keine Preisvergabe
1997 Olga Neuwirth
1998 Christian Mühlbacher
1999 Thomas Heinisch
2000 Alexander Stankovski
2001 Germán Toro Pérez
2002 Johannes Maria Staud
2003 Clemens Gadenstätter
2004 Wolfram Schurig
2005 Wolfgang Mitterer

Irene Suchy, Musikwissenschafterin und Musikjournalistin, schreibt, liest und spricht über Musik, u.a. in Ö1. Heuer erscheinen von/mit ihr: "Gulda" im Verlag Brandstätter und "Paul Wittgenstein", Brenner Studien.


Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,September 2005
Link: REPORT online - Link: Klangforum Wien - Link: wien modern -