Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Michael Hofstätter, von PAUHOF (mit Wolfgang Pauzenberger) im Interview.

Normalität bei diffusem Licht

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
Michael Hofstätter:
- Ihr seid einer der wenigen österreichischen Architekten, die international bekannt und seit Jahren im Ausland präsent sind – weniger durch Bauten als durch eigene Ausstellungen. Ist das eine Verweigerung dem Bauen an sich gegenüber?
- Wir sind Architekten und wollen natürlich bauen und zwar adäquat zu unseren Entwürfen. In den wenigen PAUHOF Realisierungen wird gewohnt und gearbeitet. Das Haus P würdigte man z.B. beim Glasgow 1999 Festival in der Ausstellung „The twentieth-century house“, neben dem Haus Rudin von Herzog & de Meuron, als wichtigstes Wohnhaus des letzten Jahrzehnts. Dem Gerücht einer Realitätsverweigerung oder der Unrealisierbarkeit unserer Projekte, widersprechen wir entschieden. Erwünschte Kategorie unseres Architekturdenkens ist die reale Präsenz.
- Präsenz kann man auf verschiedene Arten erreichen – vor allem als Architekt. Eure Herangehensweise hingegen ist von einer theoretischen oder konzeptuellen Seite geprägt, die man in Wien nicht so oft vorfindet.
- Wir beschäftigen uns mit „Architektur als übergeordneten Begriff oder als Darstellungsform“ - wie dies die Architekturtheoretikerin Sigrid Hauser in ihrem Buch „SPRACHE – Z. B. ARCHITEKTUR“ formulierte. Und dazu gehören die Ausstellungen, zu denen wir vielfach auch von Kunstinstitutionen geladen wurden. Dabei geht es uns aber nicht um eine Repräsentation von Zwischenstufen wie Pläne, Modelle, Texte, etc., sondern um den Versuch Denkmodelle in temporäre Architekturen zu verwandeln und im Kontext des Kunstraumes unsere spezifische Architektursprache zum Ausdruck zu bringen - ohne Kunst machen zu wollen. Die stetige Wiederverwendung des eigenen CEuvres in Installationen, sollte zu einer neuen, noch nicht realen, doch potential vorhandenen Architektur führen.
- In Österreich stellt ihr aber kaum aus und seit eher mit Ausstellungsgestaltungen betraut. Wie bei der aktuellen Ausstellung in der Kunsthalle „Walter Niedermayr“. Warum?
- Begonnen hat das 1991 mit einer Martin Kippenberger Installation in einem U-Bahn Bautunnel unter der Mariahilfer Straße – damals ein Misserfolg, jetzt wiederentdeckt und gefeiert. Weitere, für uns wesentliche Stationen waren die Samuel Beckett/Bruce Nauman Schau in der Kunsthalle am Karlsplatz, Walter Obholzer und später Trespassing in der Secession und zuletzt eine Serie beginnend mit Yayoi Kusama in der Kunsthalle im Museumsquartier. Mit Walter Niedermayr beenden wir nun zumindest vorläufig dieses Arbeitssegment.
- Das Ende stellt auch irgendwie den Anfang dar, denn Walter Niedermayr ist für euch fast ein Wegbegleiter und ihr kennt euch seit fast 10 Jahren. Was verbindet euch mit seiner Art der Fotografie?
- Walter Niedermayr versteht viel von Architektur und hat eine präzise Raumwahrnehmung. Wir haben schon lange Zeit regelmäßigen Kontakt, auch gemeinsame Projekte. So fotografierte er z.B. das Haus P gleich wie verlassene, anonyme Betonarchitekturen in den Bergen, unsentimental – eine Landschaftsstörung oder eine ungeschönte Normalität bei diffusem Licht, ohne Schatten, überbelichtet. Die Architekturzeitschriften konnten mit den Bildern in der Regel wenig anfangen, sie bevorzugen blauen Himmel, Sonne, satte Farben. In der derzeit laufenden Kunsthallenausstellung zeigt Walter Niedermayr alpine Landschaften, Artefakte (Autobahnen, NY Friedhof), Rohbauten und Raumfolgen (Krankenhäuser, Gefängnisse). Trotz der Normalität der Motive strahlen die Werke eine verblüffende ästhetische Wirkung aus.
- Eure Gestaltung der Ausstellung löst ähnliche Gefühle aus. Nach einer Runde fühlt man sich wie auf einem Bild Walter Niedermayrs, liegt das an eurem Einverständnis?
- Dein Eindruck bestätigt, dass die Erfahrungen einer langjährigen Zusammenarbeit und die intensive Auseinandersetzung mit dem Werk des Künstlers in der räumlichen Übersetzung emotional rezipierbar ist. Wir hatten die doch schwierige Aufgabe, die axiale Halle mit den bestimmenden Erschließungskörpern und dem behäbigen Raumquerschnitt so zu verändern, dass ein differentes Verhältnis von Werk und Raum entstehen kann.
- Also geht es weniger um Kunst oder Architektur als um kulturelle Anliegen, die, wie bei euch die städtebaulichen Fragestellungen und Konzepte, vor allem strukturell politische Themen ansprechen.
- Die österreichische Architekturpolitik neigt zum Paternalismus. Man glaubt, über kontrollierende Instanzen (Zensoren) wie Fachbeiräte, Gestaltungsbeiräte, Landschaftsschützer, etc. das Baugeschehen positiv beeinflussen zu können. Das kostet viel. Geld, das beim Entwurf eingespart wird. Eine Vorgangsweise, die jeglicher schöpferischen Freiheit widerspricht, aber den flauen Kompromiss, das Epigonentum fördert.
- Das heißt aber, dass du „das System“ an sich in Frage stellst. Wie viel Veränderung ist möglich. Ist das nicht ein heroischer Ansatz, der zum Scheitern verurteilt ist?
- Wir verstehen unter demokratische Baukultur einfach etwas anderes: räumliche Offenheit, Anpassungsfähigkeit im Betrieb, Möglichkeiten für Randgruppen, Freiheit im Ausdruck. Unsere Vorstellung vom Bauen, daher auch der Alternativentwurf für das Museumsquartier, basiert auf völlig anderen Parametern: Wir entwarfen eine radikal-konsequente Rahmenstruktur für die Museen vor und über den Hofstallungen, die wir, nach genausten zeitaufwendigen Analysen, präzise in den Kontext setzten. Veränderungen in der Figuration hätten die gewollte Konfliktbeziehung des neuen Gefüges empfindlich gestört – sie stand nicht zur Disposition. Der, damals von der freien Szene genutzte Bestand, wäre kaum angetastet und nur punktuell an die neue Struktur angebunden worden.
Ähnliche Konzepte offerierten wir für Wien Nord, wo wir eine gemeinsame Betrachtung von Nordbahnhof, Donauinsel, UNO City Vorgelände und Messe Wien vorschlugen. Oder für den Schwarzenbergplatz, bei dem das Verkehrskonzept, die Denkmalpositionierung und den räumliche Südabschluss thematisiert wurde. Das alles sind aus unserer Sicht Themen der Architektur, die marketingstrategischer Mittel bedürfen, um neue Wirklichkeiten zu schaffen können.
- ...oder sich nicht so einfach umsetzen lassen. Oder ist es mittlerweile nicht auch ein fast negatives Image für einen Architekten zu sehr im Kunstbereich zu agieren?
- Das Kollektive, öffentliche Räume mit gesteigerter Intensität, Orte des Widerspruchs, der Unversöhntheit auch der Formalen, sind unsere bevorzugten Themen. Und dazu gehören neben der Stadt die Orte der Kunst. Nur eine neue Stadtidee wird zu einer essentiellen Änderung in der Formensprache der Architektur führen. Architektur muss als kulturelle Kraft zugelassen werden. Laurids Ortner meinte, als abwägender Realist im Gespräch mit dir, dass demokratische Prozesse die ständigen Veränderungen eines Entwurfes rechtfertigen, bei Intelligenz des Architekten das Konzept sogar beibehalten werden kann. Er bezieht sich unter anderem auf die Mode, auf deren Qualitätskriterien und spürt Parallelen zur Architektur. Das ist uns zu bürgerlich, zu einseitig im Demokratieverständnis, zu repräsentativ. Gestritten wurde um Formen und Gebäudehöhen. Kulturpolitische Gedanken zum Stellenwert der Gegenwartskunst oder gar der Gegenwartsarchitektur, der städtebaulichen Grunddisponierung spielten kaum eine Rolle.
- Stichwort Städtebau. Ein brisantes Thema. Du hast einmal gesagt „Wir haben als Ausgangspunkt die Moderne genommen und versucht, sie weiterzuentwickeln.“ – Betrifft das auch die vielen städtebaulichen Konzepte von euch?
- In den nun mehr als 15jährigen PAUHOF Praxis haben wir uns jedenfalls kaum mit Problemen der Formfindung beschäftigt, sondern versucht , immer über den bloßen Entwurf von Großprojekten und städtebaulichen Konzepten hinaus Szenarien zu entwickeln, wie von neuen Stadtmodellen. Wir experimentieren mit einer dreidimensionalen Logik. Eindeutig proportionierte, rechtwinkelige Volumen – geschlossene , genau determinierte Bereiche für öffentliche oder private Nutzungen – überlagern funktional unterdeterminierte, doch architektonisch präzise kalkulierte Leerräume – die „Implied Volumes“, die den sich ständig verändernden Lebensbedingungen der Stadt angepasst werden könnten. Für eine solch umfassende Vorgangsweise benötigt es offene, interdisziplinäre Arbeitsfelder vor den Wettbewerben, vor dem Diktat normativer Ausschreibungsbedingungen.
- Also doch konkrete Vorschläge, die bisher auf dem Papier geblieben sind. Liegt das prinzipiell an dem von dir einmal angesprochenen Mangel an „theoretischen Orientierungspunkten“ und dem grundsätzlichen Verständnis dieser doch sehr konzeptuellen Ansätze?
- In Österreich gibt es keine offene Auseinandersetzung über konkrete Phänomene der sich verändernden städtischen Lebenskultur, der Transformation von Kommunikationssystemen und deren Auswirkungen auf die Planungsbedingungen. Ungelöste Gegensätze einer Sozietät werden als immanente Probleme der Form interpretiert und dann entsorgt. So sprengt man in den nächsten Tagen, unter großer medialer Anteilnahme, zwei solid gebaute, städtebaulich durchaus interessante Hochhausscheiben an der Peripherie von Linz, während gleichzeitig beabsichtigt ist, in der Innenstadt neue zu bauen. An Überlegungen einer Lösung unter Einbeziehung des Bestandes, eventuell auf die leere Materialsubstanz reduziert, zeigte sich die Politik nicht interessiert. Lieber eine populistische „Bereinigung“ mit teurem Abbruch, Sondermüll und Absiedlung, lieber weiterhin die Banalität regional eingespielter Wohnbauplanungen als einmal ein Versuch nach internationalen Erkenntnissen.
- Lauter verpasste Chancen, also? Und was läuft in Wien deiner Meinung nach falsch?
- Auch in Wien gäbe es derzeit eine einmalige Chance eingespielte, bürokratische Stadtplanungspfade zu überprüfen und neue Vorgangsweisen auszuprobieren. Der Stadtteil um den Südbahnhof könnte mit der Positionierung des Zentralbahnhofes essentiell Neues bringen. Ein Gebiet mit enormem urbanen Potential und der Verbindung zum 20erHaus, das eine lebendige, experimentelle Kunst außerhalb der etablierten, eher repräsentativen Häuser stattfinden lassen könnte. Nicht nur für Architekten ein inspirierendes Thema, aber: wo bleibt die Debatte. Das 20erHaus ist für einen Wettbewerb frei gegeben, museale Nutzung, selbstreferentiell ohne Möglichkeit den Kontext mitzudenken, keine Informationen über Entwicklungsstrategien des Stadtteils, kein Gesamtkonzept ...aber: In ganz Europa wird über ein Verhandlungsverfahren der beste, anpassungsfähigste, professionellste und billigste Architekt gesucht.
erschienen in Architektur&Bauforum Nr.06/März 03
Pauhof Wien -