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„Ich will, dass der Raum freibleibt“

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
Anna-Lülja Praun:
- In ihrer Ausstellung im Haus Wittgenstein war auch ein unfertiges Möbel zu sehen. Arbeiten Sie an neuen Entwürfen?
- Die jetzigen Besitzer des Hauses „Delphin“, das im letzten Wohnen (Anmerk.:Wohnen 7+8/01) veröffentlicht war, wollten von mir einen Umbau haben. Aber alles kann ich nicht mehr machen. Ich habe sie beraten und entwerfe einige Möbel für das Haus. Zwei Schränke und ein Tischchen sind gerade in Arbeit. Im Moment geht aber nichts weiter, weil ich Probleme mit den Handwerkern habe.
- Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit Handwerkern für ihre Arbeit?
- Wenn ein Handwerker nicht anständig ist, wirklich von Grund auf anständig, dann macht er Möbel, die man nur wegwerfen kann. Ich habe nur einen Handwerker, der wirklich alles kann und ein Verständnis für Material hat. Bei Möbeln kommt es auf das Detail an. Wenn ich ein Möbel mit Leder überzogen haben will, ist das schwierig. Das Leder muss anliege wie ein Handschuh. Bevor es geklebt werden kann, wird es ins Wasser gelegt, dann über eine Form gespannt bis es staubtrocken ist. Bei dem Tisch waren die Fugen schlecht gemacht, da habe ich dem Handwerker alles zurückgeworfen. Die meisten sind einfach schlampig.
- 1970 haben Sie selbst eine Ausstellung von Eileen Gray in Wien organisiert? Wie kam es dazu?
- Ich war damals oft bei meiner Schwester in Paris, dort habe ich Eileen kennengelernt. In Wien hat ihre Arbeit niemand gekannt. Die Architekten Kurrent und Spalt haben nur gesagt: „Was bringst du uns da daher?“ Aber sie war wirklich einer der größten Persönlichkeiten unserer Zeit, nicht nur von Frankreich, sondern von ganz Europa. Nie hat sie irgend etwas Überflüssiges an einem Möbel gemacht, dabei hat sie nur Lackierer gelernt. Leider waren nur 20 Leute bei der Eröffnung. Lustig war, wie ich die Fotos für die Ausstellung bei der Post abholen mußte. Bei Bildern aus Paris haben alle gedacht es wären Nacktfotos und sind neugierig herumgestanden.
- Haben Sie einmal mit ihr zusammengearbeitet?
- Nein, leider. Wie ich Sie kennengelernt habe, hat sie fast nichts mehr gehört und gesehen. Ich habe mir einen Tisch von ihr in Italien gekauft. Den Stuhl auf dem sie am Plakat sitzt, hat sie mir zwar geschenkt, aber ich habe ihn nie bekommen, weil ihre Verwandten nach ihrem Tod nichts hergeben wollten.
- Sie haben in Graz Architektur studiert. Wie war das damals schwer als einzige Frau?
- Schwer war es nicht, aber zuerst ungewohnt. Viele haben darüber geschrieben, wie ich geschwitzt habe, als einzige Frau unter Männern zu bestehen, aber das ist übertrieben. Es war nicht angenehm und ein Fremdkörper war ich schon. Zwar gab es noch eine Frau, die an der Technik Chemie studiert hat, aber in einem anderen Gebäude, ich habe sie nie getroffen. Ein größeres Problem war schon, dass ich mit Herbert Eichholzer zusammengelebt habe. Er war ein sehr guter Architekt und begabt, aber auch eigenartig. Mit Politik wollte ich nie etwas zu tun haben, das hat uns schließlich entfremdet. Und als Clemens Holzmeister mich gefragt hat, ob ich für ihn arbeiten will, habe ich das getan und bin nach Wien gegangen.
- Seit 1956 habe Sie ihr eigenes Atelier hatten und haben sich auf Möbel spezialisiert. Architektur hat sie nicht mehr interessiert?
- Ich habe schon einige Häuser gebaut und umgebaut. Später hat es sich aber durch meine Auftraggeber so ergeben, dass ich nur noch Möbel gemacht habe. Mein erster Auftraggeber, als ich mein Atelier hatte, war mein Studienkollege Wolfgang Denzel aus Graz. Für ihn habe ich viele Möbel entworfen.
- Wann haben sie ihr erstes Möbel gemacht?
- Noch in Bulgarien, bevor ich geheiratet habe. Ich habe einen Kosmetiksalon für eine Freundin eingerichtet. Die Möbel waren nicht schlecht, sehr einfach und konventionell. Ein bißchen angelehnt an die Thonet Möbel von meinen Eltern. Unsere Wohnzimmermöbel waren alle von Thonet. Meine Mutter, sie war Gynäkologin, hatte sie von der englischen Botschafterin geschenkt bekommen, die eine Patientin von ihr war.
- Aber sie waren nie zu kaufen?
- Darum habe ich mich nie bemüht. Entweder man kommt so durch oder nicht. Ich will keine Möbel machen, die nicht in einen Raum passen. Ich will, daß der Raum freibleibt. Auch in meiner Wohnung, wenn an der Stelle des Tisches von Eileen Gray ein Sofa stehen würde, würde ich es sofort wegtragen. Ich will Transparenz.
- Was bedeutet gutes Design für Sie?
- Das Wort Design verwende ich überhaupt nicht. Als Designer würde ich mich nie bezeichnen. Design kann jeder, der es will. Aber wenn man ein Möbel macht, muß man schon wissen, was man macht. Und man braucht die richtigen Handwerker dazu. Wenn ich nicht meinen guten Tapezierer hätte, der sich mit allen Materialien auskennt, hätte ich vieles nicht machen können.
- Sie waren mit dem Architekten Richard Praun verheiratet. Haben Sie nie in seinem Büro mit gearbeitet?
- Wir haben nur eine Sache wirklich gemeinsam gemacht: Das Speisezimmer der österreichischen Botschaft in Konstantinopel. Dann habe ich ein wenig beim Belvedere mitgearbeitet, weil er das Projekt geleitet hat, aber da waren noch so viele andere Leute beteiligt. Wir haben nicht zusammengepaßt und für Möbel hatte mein Mann kein Gefühl gehabt. Er hat schon welche gemacht, manche sind gelungen, manche nicht. Obwohl er ein perfekter Tischler war Seine Familie besaß eine Tischlerei und er hatte die ganze Werkstatt zur Verfügung.
- Ihre Möbel sind oft Kombinationen aus verschiedenen Materialien, aber es ist bekannt, daß sie ein Faible für Steine haben. Woher kommt das?
- Ich habe meine Mutter einmal gefragt, warum habe ich so einen Drang nach Steinen habe. Sie hat mir dann von ihrem Vater erzählt, der Eisenbahningenieur in Rußland war und ein besessener Steinsammler. Vielleicht, hat meine Mutter gemeint, hat sich da etwas übertragen. Ich habe mittlerweile auch einige damit angesteckt.
- Vor mir steht ein Tisch mit ihrer Steinsammlung, welche mögen sie besonders?
- Wenn ich einen Stein sehe, und er gefällt mir, dann hebe ich ihn auf. Als Studentin in Graz habe ich jeden Samstag auf Flohmärkten Steine gekauft. Wirklich versessen bin ich auf Kristalle, die haben eine ganz spezielle Form. Die schönste Kristallform hat der Bergkristall. Diese Formen darf man auch bei Möbeln nicht verlassen. Schiefe Glassachen, die Leute gestalten, weil es modern ist, wenn ein Eck vom Haus herausragt, habe ich immer abgelehnt. Da ist keine Beziehung zwischen den Linien zu finden. Es gibt schon auch ganz gute Dinge, aber die Verwandtschaft von Glas und Betonbau finde ich sehr schwierig.
- Wie hat Ihnen ihre Ausstellung gefallen, die Judith Eibelmayer im Wittgensteinhaus kuratiert hat?
- Sie haben die Sachen nach eigenem Geschmack ausgesucht. Das war durchaus geschickt. Bestimmte Dinge wollte ich zeigen, manche nicht. Aber sie haben sehr darauf bestanden, die Ausstellung von Eileen Gray zu erwähnen. Sie hat eine große Rolle für mich gespielt und war sehr wichtig für meine Arbeit.
erschienen in Wohnen Nr.06/01