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Mit dem ersten Totalunternehmerverfahren „Stadion Neubau Klagenfurt“ und dessen Beinahe-Scheitern, fordert die Architektenkammer „nachdrücklich vom Gesetzgeber, bei der 2006 fälligen Novellierung des Bundesvergabegesetzes die Trennung der Vergabe von Planungs- und Ausführungsleistungen im Bauwesen verbindlich vorzugeben.“ Dass es zu dieser gesetzlichen Verankerung, die das geistig-schöpferische Werk der Architekten schützen würde, kommen wird, bezweifelt der Jurist und Vergaberechtsexperte Josef Aicher. Die Entscheidung des Bundesvergabeamtes zum Einspruch „Totalunternehmerverfahren Stadion Klagenfurt“ im Jahr 2003 hat die Totalunternehmervergabe zweifelsfrei für zulässig erachtet. Begeben sie sich mit uns auf die verschlungenen juridischen Wege, auf denen jeder, wie auch anderswo, nur mit Eigenverantwortung zu einem idealen Ziel gelangt.

An der Vergabefront

Gespräch mit dem Juristen und Fachmann für Vergaberecht Josef Aicher

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
Josef Aicher:
- Das erste Totalunternehmerverfahren in Österreich „Stadion Klagenfurt“ hat einiges ins Rollen gebracht. Nun dürfen Sie zwar nichts zum laufenden Verfahren sagen, aber welche Problematiken sind schon im Vorfeld aufgetaucht?
- Die Ausschreibung eines Totalunternehmervertrages wurde von einem Architekten wegen vergaberechtlicher Unzulässigkeit beeinsprucht. Der antragstellende Architekt hat dabei im Wesentlichen geltend gemacht, dass das Bundesvergabegesetz vorsehe, dass komplexe Aufträge in zeitlicher, aber auch in gegenständlicher Sicht aufgeteilt werden können - der Totalunternehmervertrag sei dagegen das glatte Gegenteil. Das Bundesvergabeamt sagt, dass komplexe Aufträge geteilt werden können – aber es ist keine Verpflichtung dazu im Gesetz enthalten. Also wenn jemand komplexe Leistungen, geistig-schöpferische und Bauleistungen, zusammenfasst, muss das zwar auf fachlichen Erwägungen beruhen, liegt jedoch im Ermessen des Auftraggebers.
- Müssen wir also trotz allem, mit weiteren solcher Verfahren rechnen?
- Nach dem Einspruch des Architekten und nach der darauffolgenden einschlägigen Entscheidung des Bundesvergabeamtes bezüglich „Stadionneubau Klagenfurt“ muss man davon ausgehen, dass die Vergabe eines Totalunternehmervertrages vergaberechtlich zulässig ist. Die Entscheidung des BVA ist einlässlich begründet. Es ist nicht damit zu rechnen, dass das BVA seine Rechtsansicht ändern wird.
- Macht das einen erneuten Einspruch nicht mehr möglich?
- Man kann immer Einspruch erheben, weil ein Bescheid des Bundesvergabeamtes über ein konkret bekämpftes Vergabeverfahren entscheidet. Aber die Erwägungen des Bundesvergabeamtes in dieser sehr umfangreichen Entscheidung sind so umfassend und tiefgehend, dass man daraus schließen kann, dass das Bundesvergabeamt sich sehr grundsätzlich mit der Problematik auseinandergesetzt hat.
- Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung? Oder welche Schwachpunkte das Verfahren?
- Es ist weitgehend müßig, darüber zu diskutieren, ob die Entscheidung des Bundesvergabeamtes richtig ist. Das Problem bei den Totalunternehmerausschreibungen ist aber zweifellos, dass der Bauunternehmer mit seinem Architekten im Schlepptau anbietet. Der Architekt wird damit zum Subunternehmer des Bauunternehmens. Das ist standesrechtlich möglich. Aber ich kann mir vorstellen, dass das für Architekten eine höchst unerfreuliche Situation ist. Aber noch einmal: Berufsrechtlich ist dagegen nichts zu sagen und vergaberechtlich ist nach dieser Entscheidung des Bundesvergabeamtes dagegen kein Kraut gewachsen.
- Die Architektenkammer tritt dennoch dagegen an und versucht die Trennung der Vergabe von Planungs- und Ausführungsleistungen im neuen Vergabegesetz zu verankern. Wie realistisch ist diese Forderung?
- Man kann mit Sicherheit sagen, dass sich durch das neue Bundesvergabegesetz an der rechtlichen Ausgangslage nichts ändert. Auch das EG-Legislativpaket hat keinerlei Vorgaben für diese Fragestellung und es ist auch nicht zu erwarten, dass der österreichische Gesetzgeber ein „Trennungsgebot“ vorsehen wird. So unangenehm jetzt die Einschätzung für die Architekten sein mag: Der Trend geht in Richtung der Totalunternehmervergabe. Es besteht ein großes Interesse von Auftraggebern an Totalunternehmerausschreibungen, vor allem unter dem Aspekt des Einhaltens des gegeben Kostenrahmens. Nur werden die öffentlichen Auftraggeber noch viel Lehrgeld zahlen, weil bei der Abwicklung von Totalunternehmerausschreibungen massive Probleme auftreten können.
- Solche Probleme haben sich bereits bei „Klagenfurt“ gezeigt. Hat man die komplizierte Ausschreibung eines Totalunternehmerverfahrens unterschätzt?
- Ja, und genau da liegt das Problem in der Durchführung einer solchen Totalunternehmerausschreibung, die kurz gesagt ein Bauauftrag ist. Das Bundesvergabeamt hat, in der zitierten Entscheidung, auch akzeptiert, dass der Auftraggeber diesen Totalunternehmervertrag in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung vergibt. Dies vor allem deshalb, weil der Auftraggeber bei einem solchen Auftrag die Planung noch nicht kennt und damit vorab keine globale Preisgestaltung möglich ist. Der Preis ergibt sich aus dem Planungsergebnis, das man erst im Rahmen des Totalunternehmervertrags einkauft. Das heißt aber noch lange nicht, dass man in einem Verhandlungsverfahren für die Bewertung der Angebote, sprich für die Ermittlung des Bestbieters, nicht vorab exakte Zuschlagskriterien definieren müsste. Zumindest muss man im Grundsätzlichen deren Gewichtung zueinander festlegen. Um das vornehmen zu können, würde man schon fast hellseherische Fähigkeiten brauchen, weil man die Gestaltung des Bauwerks - anders als bei der klassischen Bauausschreibung - nicht kennt. Jetzt braucht man Zuschlagskriterien, die sowohl die Leistung der geistig-schöpferischen, als auch die Beurteilung der klassischen Bauleistung in einem ermöglichen und dies unter Einschluss des Preises.
Das Bundesvergabegesetz sieht dabei als Ausnahme vor – und darauf hat man sich im Fall Klagenfurt gestützt, – dass es ausnahmsweise genügen kann, statt einer exakten Gewichtung der Zuschlagskriterien zueinander, sie nur in der Reihenfolge ihrer Bedeutung anzugeben. Doch dann schlägt die Stunde der Wahrheit am Schluss, wenn die Bewertungskommission oder schlicht der Auftraggeber, die eingehenden Angebote, die von der planerischen Gestaltung unterschiedlich sind, nach diesen Zuschlagskriterien bewerten muss. Und zwar in der Reihenfolge ihrer Bedeutung. Die Nachprüfbarkeit dieser Zuschlagsentscheidung ist ein praktisches Problem, dass sich bei allen Totalunternehmerverträgen stellt.
- Könnte theoretisch auch der Entwurf an erster Stelle der Zuschlagskriterien stehen?
- Das wäre auch für ein Totalunternehmerverfahren möglich. Denn auch im Bereich der reinen geistig-schöpferischen Dienstleistungen wird oft dem Preis ein nachrangiges Gewicht gegenüber der Qualität zugemessen. Daher ist auch nicht ausgeschlossen, dass bei einem Totalunternehmerverfahren der Preis im Gewicht der Qualität nachgereiht wird; dass es praktisch geschieht, ist aber sehr unwahrscheinlich. Der Totalunternehmervertrag ist schließlich ein Bauauftrag und bei Bauaufträgen steht immer der Preis im Vordergrund.
- Einzig positiver Aspekt eines Totalunternehmerverfahrens, dass wenn in die Vorbereitung mehr Zeit investiert wird, die Verfahren auch besser und reibungsloser ablaufen.
- Das ist ein ganz wichtiger Aspekt: Wenn ein öffentlicher Auftraggeber glaubt, das er sich durch eine Totalunternehmervergabe Zeit ersparen kann – dann ist das ein großer Irrtum. Ein solches Projekt muss in der Vorbereitungsphase äußerst gediegen strukturiert werden, damit es dann nicht während der Durchführung des Vergabeverfahrens zu Problemen kommt.
- Was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass bei Totalunternehmerverfahren der Topf auf wenige Unternehmen aufgeteilt werden könnte?
- Totalunternehmervergabe wird nur für Großprojekte in Frage kommen. Schon deshalb werden dafür nur größere Unternehmen in Frage kommen. Umso wichtiger ist ein gemeinschaftsweiter Wettbewerb.
- Ein Architektenwettbewerb ist ein spezieller Fall, da es nicht um den Bestbieter geht. Die Wettbewerbsordnung (WOA) der Architektenkammer wird da zwar meist angegeben, hat allerdings keine rechtliche Bindung. Sind da Änderungen geplant?
- Die WOA ist eine Empfehlung der Architektenkammer, adressiert auch an den öffentlichen Auftraggeber, deren Einhaltung nur mittelbar sanktioniert ist. Kein öffentlicher Auftraggeber ist an die Wettbewerbsordnung gebunden. Nachdem Bundesvergabegesetz kann sich ein Auslober selbst eine Wettbewerbsordnung geben. Die Auftraggeber können die WOA verwenden, müssen es aber nicht– und tun es auch selten punktgenau. Die Wettbewerbe nach dem Bundesvergabegesetz liegen sicher nicht im Hauptaugenmerk des Gesetzgebers oder der EG-Richtlinien. Wettbewerbe sind noch viel dürftiger geregelt als das Verhandlungsverfahren. Daran wird sich kaum etwas ändern.
- Würden die EG-Richtlinien es zulassen, wenn sich eine Nation eine Wettbewerbskultur auf die Fahnen schreiben will und zum Beispiel die WOA gesetzlich einbinden und nicht nur bei Richtlinien bleiben wollte?
- Es ist schon ein Problem, in einem Gesetz auf die Empfehlung einer Standesvertretung zu verweisen. Was üblich ist, ist der Verweis auf ÖNormen. Was aber sicher möglich wäre, ist, vorausgesetzt dass darüber ein politischer Konsens erzielt wird, dass der Gesetzgeber aus der WOA Eckpunkte in das Gesetz aufnimmt, weil die WOA eine vernünftige Richtlinie für den Ablauf eines Wettbewerbs darstellt. Aber so wie der derzeitige Rechtzustand ist, ist die WOA für öffentliche Auftraggeber nicht verbindlich. Man sieht auch, dass die Praxis einen großen Bedarf an ergänzenden Regelungen zum Gesetz über den Wettbewerbsablauf hat – wenn man etwas an den Leitfaden der Stadt Wien über den Ablauf von Wettbewerbesverfahren denkt, ist das ein sehr wertvoller Behelf.
- Sie haben bei der Veranstaltung der ig-architektur von Schwachpunkten gesprochen. Welche sind das zum Beispiel?
- Es gibt einige Fragen, die für den Gesetzgeber sehr schwer zu regeln sind und auch für die Verfasser des genannten Leitfadens. Eine der schwierigsten ist die Frage nach der Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses in einen konkreten Planungsauftrag, wenn in einer Wettbewerbsordnung vorgesehen ist, das der konkrete Planungsauftrag den Gewinnern eines Wettbewerbs zu erteilen ist. Dann steht der öffentliche Auftraggeber vor dem Dilemma, wenn er sich nicht, wie in der WOA vorgesehen, zu einer Absichtserklärung entschließt, mit dem Gewinner zu verhandeln, ein Verhandlungsverfahren mit den Gewinnern zu beginnen. Für Verhandlungsverfahren braucht er aber Zuschlagskriterien und jetzt kann es schon passieren, dass die Jury eine Reihung vornimmt. Im Verhandlungsverfahren kommt aber der „letzte“ als Bestbieter zum Zug. Die Jury hat zwar auf Grund der Qualitätskriterien, vergaberechtlich sagt man dazu Beurteilungskriterien, den einen ersten Preis vergeben und eine Reihung gemacht hat. Im Verhandlungsverfahren, zu dem die Gewinner einzuladen sind, erweist sich aber nach dem dafür vorgesehenen Zuschlagskriterium nicht der 1. Preisträger als Bestbieter.
- Wird es nicht Vergabewesen nicht Zusehens verrechtlicht. Ist das auch ein Problem?
- Es ist sicher ein Problem, dass ein Auftraggeber bei komplexen Vergabeverfahren einen Vergabejuristen braucht. Aber auch Bieter brauchen häufig juristischen Beistand, um Ausschreibungen richtig zu verstehen und vor allem um Fehler in den Ausschreibungen zu erkennen, damit sie rechtzeitig die Ausschreibung bekämpfen können. Bis zu einem gewissen Grad ist diese Verrechtlichung nicht vermeidbar. Ein Alarmzeichen ist aber die Einstellung, dass es öfters nicht mehr so entscheidend ist, ob man den Bestbieter findet, sondern eher ob man ein wasserdichtes Verfahren zustande bringt.
- Welche Freiheiten lässt das Vergabegesetz den Anwender – jetzt im positiven Sinne. Wäre eine konkrete Förderung von jungen Büros etc. möglich?
- Die spezielle Beauftragung von jungen Architekten halte ich für einen wichtigen Aspekt. Das ist für einen öffentlichen Auftraggeber Marktpflege für die Zukunft.
Als Auftraggeber kann man, etwa im Unterschwellenbereich bei geladenen Wettbewerben, wo man selbst den Kreis der eingeladenen Architekten aus eigener Marktkenntnis zusammenstellt, durchaus solche Gesichtspunkte berücksichtigen und einen bestimmten Prozentsatz für junge oder kleine Architekturbüros reservieren. Es ist ein Problem im Oberschwellenbereich, weil es da keinen geladenen Wettbewerb gibt. Das wird oft mit dem „nicht-offenen“ Wettbewerb verwechselt, wo zuerst einmal ein Teilnahmewettbewerb unter allen Interessierten stattfindet. Es kann zwar jeder daran teilnehmen, aber aus diesen Bewerbungen werden nur die Bestqualifizierten nach Eignungs- und Auswahlkriterien eingeladen. Je höher hier die Latte gelegt wird – Referenzen, Umsatzschwellen – desto schwieriger ist es für kleinere Büros zur Wettbewerbsteilnahme eingeladen zu werden.
- Also das Gegenteil wäre, dass das Vergabegesetz Einschränkungen zulässt, die fast punktgenau bestimmte Büros damit auswählt?
- Die Eignungskriterien und die Auswahlkriterien so festzulegen, dass man schon auf einen bestimmten Kreis hinsteuert, ist juristisch eindeutig gesetzwidrig. Nur muss das erst aufgedeckt werden und ist schwierig zu beweisen. Allerdings hat gerade bei großen Vorhaben der öffentliche Auslober durchaus legitime Interessen, qualifizierte leistungsfähige Büros zu bekommen und das stellt er eben sicher mit einer relativ hohen Anforderung an Eignungs- und Auswahlkriterien. Doch läuft der Auftraggeber damit Gefahr, sich den Markt nicht nur für das konkrete Projekt extrem zu verengen, sondern den Markt auch für die Zukunft zu beeinträchtigen.
- Sehen Sie da „Auswege“ für junge Büros?
- Eine Möglichkeit, die junge Architekturbüros immer haben, ist, dass sie die Eignungskriterien der wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit dadurch erfüllen, dass sie sich zu Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen. Problematisch ist freilich, wenn die eingangs erwähnten Kriterien an hohe Umsatzschwellen anknüpfen. Zwar muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, was der Auftraggeber prüfen muss, gegeben sein. Die Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat den Sinn, sicherzustellen, dass das beauftragte Büro den Auftrag durchsteht. Diesbezüglich ist aber Augenmaß des Auftraggebers gefragt und ich rate, diese wirtschaftliche Latte nicht allzu hoch zu legen. Ein wirtschaftliches k.o.-Kriterium tötet Kreativität auch dort, wo sie vergaberechtlich leben könnte. Ganz allgemein glaube ich, dass dahingehend noch einige Fantasie entwickelt werden könnte, wie man das Problem der Zugangsbeschränkung für junge oder kleinere Architekturbüros in den Griff bekommen kann. Am ehesten über den geladenen Wettbewerb. Das sind zwar notgedrungen kleinere Aufträge, aber ich denke, wenn sich ein junges Architekturbüro dort bewährt hat, sollte das die Eintrittskarte in den Markt für größere Planungsaufträge sein. Im Sinne von Förderung der jüngeren Büros könnte man so bei diesen geladenen Wettbewerben agieren.
- Damit liegt es letztendlich in der Verantwortung jedes einzelnen, wie man im Sinne einer guten Lösung damit umgeht?
- Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt, weil jedes Gesetz, das generell abstrakte Regelungen hat, vom Anwender vernünftig ausgelegt werden muss. Auch das strengste Vergabegesetz kann beileibe nicht alles zwingend vorschreiben. Der Auftraggeber hat einigen Ermessenspielraum, den ihm das Gesetz nicht nimmt. Insoweit nimmt es ihm auch die Verantwortung nicht ab.