Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




„Ich muss laut sein.“

Direktor Gerald Matt über ein Jahrzehnt Wiener Kunsthalle.

redaktionsbüro: Antje Mayer
Gerald Matt:
- Heuer feiern Sie 10 Jahre Kunsthalle Wien. Ihr Resümee?
- Wir als mittelgroßes Haus haben in Österreich, obwohl wir keine Sammlung besitzen und relativ spät gegründet wurden, einen medialen und inzwischen, von einem sehr breiten Publikum akzeptierten Raum für zeitgenössische Kunst geschaffen. Die New York Times kürte uns kürzlich sogar zum führenden Haus in Wien.
- Matthias Hermann, Präsident der Wiener Secession, wirft Ihnen vielmehr sinngemäß massentaugliches „Kunst-Bodybuilding“ vor?
- Herr Hermann wird es nicht gerne hören, aber sein Haus wird durch das Beethoven Fries vor allem als Haus der klassischen Moderne wahrgenommen und nicht der zeitgenössischen Kunst. Wir schon. Wir machen keine populären Programme, sondern lediglich anspruchsvolle Programme populär. Das ist der feine Unterschied.
- Dabei erlebt das Publikum ziemlich viel persönlichen Körpereinsatz vom „Kunst-Dandy“ Gerald Matt...
- So ein Museum ist für mich keine Prothese, die man sich als Direktor anschnallt, sondern ein Teil von mir, ein gutdurchblutetes Organ. Als Katalysator dieses Hauses muss ich laut sein. Mir geht es nur darum, dass die Kunsthalle dabei vorkommt.
- Man wirft Ihnen vor, dass Sie sich mit fremden Federn schmückten und ohnehin das Gros der Ausstellungen einkaufen würden?
- Reiner Neid. Typisch für Wien. Fast alle Schauen produzieren wir selbst. Wenn wir jene nicht exportieren würden, könnten wir nicht ohne das Geld der Republik Österreich auskommen.
- Befürchten Sie nach ihrem Umzug im vergangenen Jahr vom Karlsplatz ins Museumsquartier keinen Verlust der heißumkämpften Aufmerksamkeit?
- Nein, das Muqua bringt uns circa 15 bis 20 Prozent mehr Publikum.
- Das gerade eröffnete Quartier21 ist keine Konkurrenz für Sie?
- Das Konzept des Quartier21 ist doch Augenauswischerei. Was soll dieses „21“ eigentlich bedeuten? Die jungen Initiativen brauchen doch keine Marke, unter der sie sich subsumieren können. Ihre absolute Autonomie ist ihre Stärke. Zweijährige Mietverträge sind viel zu unflexibel. Es ist schon zu hinterfragen, warum die, die die Hand bissen, die sie fütterte, wie „Public Netbase“ und das „Depot“ vor den Toren sitzen und andere drinnen.
- Fragen Sie das den von ihnen gern als „Hausmeister“ titulierten Geschäftsführer der Errichtergesellschaft Wolfgang Waldner, mit dem jene und sie sich über die Medien ja ziemlich befetzten?
- Das Museumsquartier kann doch kein museales Archiv für Touristen bleiben, sondern soll ein Ort der Irritation und Reibung darstellen. Die Errichtergesellschaft sollte im eigenen Interesse für dieses Anliegen ein Partner und kein Verhinderer sein. Wir jedenfalls nehmen uns vor, in Zukunft nicht bequem zu sein.
erschienen in Kunstzeitung Nr.74/Okt.02,S.4