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Alles unter einem Dach

redaktionsbüro: Manuela Hötzl
András Pálffy:
- Der Hauptfirmensitz der Slovenská sporiteľňa befindet sich kurz vor der Fertigstellung. Was muss so ein Headquarter können?
- Headquarter müssen das können, was alle Bauten bieten müssen: räumliche Qualität in jedem Maßstab, vom einzelnen Büroplatz bis zur großen Organisation des Hauses. Die Kunst bei einem Headquarter ist natürlich, alle Anforderungen unter einem Dach zusammenzufassen und trotzdem nach außen hin eine identitätsstiftende Maßnahme von architektonischer Qualität zu setzen.
- Repräsentation?
- Eine ablesbare Bedeutung – ob das dann Repräsentation ist, sei dahingestellt.
- Gibt es eine Verbindung zum öffentlichen Raum in Bratislava?
- Die Sockelzone beim Headquarter in Bratislava ist nicht hermetisch geschlossen, sondern zum Stadtraum offen. Als der Wettbewerb stattfand, wussten wir noch nicht, wie die Umgebung in Zukunft aussehen wird, deswegen verstehen wir den Baukörper mit seiner klaren Kontur auch als städtebaulichen Schwerpunkt. Wechselbeziehungen zwischen innen und außen bestehen sowohl hinsichtlich der Umgebung als auch nach innen, zum Hof, der mit einer transparenten pneumatischen Hülle überdacht ist. Das Gebäude steht im Dialog mit dem Umfeld, bietet aber auch eine Identität innerhalb einer großen Struktur.
- Haben Sie in Bratislava andere Bedingungen als Architekt vorgefunden?
- Im Wesentlichen nicht. Es gibt natürlich immer wieder lokale Ausprägungen von sehr privaten persönlichen Vorstellungen davon, was Identität und Wohlbefinden für die Allgemeinheit schafft. Diese Wertvorstellungen in ein homogenes Projekt ohne Rückfrage isoliert zu reklamieren, ist als Resultat fragwürdig und in der Regel von Nachteil.
- Eine Annäherung an Standards oder eine schlechte Kopie?
- An der Grenze zwischen Kopie und Kitsch etabliert sich auf diese Weise sehr bald die Pracht des Mittelmaßes, die aus rein subjektiver Sicht schnell mit Standards verwechselt wird. Über die wirtschaftliche Nachhaltigkeit, die sonst immer eine zentrale Rolle in der Planung beansprucht, braucht man in diesem Kontext nicht mehr besonders zu reflektieren.
- Sie waren anlässlich des Wettbewerbs das erste Mal in Bratislava. Das ist verwunderlich, da Ihre familiäre Geschichte eng mit dieser Stadt verknüpft ist.
- Das erste Mal war ich wegen des Wettbewerbs in Bratislava. Überraschend war aber für mich, dass die Stadt eine für europäische Verhältnisse große Dichte an ausgezeichneten Bauten der Moderne aufzuweisen hat. Diese habe ich mit großer Neugier besucht.
Gleichzeitig fand ich einen Teil einer Geschichte vor, die einen privaten Aspekt hat, da sie mit meinem Familiennamen stark verbunden ist. Und der bin ich natürlich mit ebensolcher Neugierde nachgegangen.
- Das klingt ganz pragmatisch.
- Das bin ich immer.
- Dennoch gibt es einen persönlichen Zugang.
- Natürlich gibt es den. Bei mir besteht er vor allem in Geschichte und Anekdoten, die mit Bratislava verbunden waren. Ich erinnere mich aber mehr daran, dass meine Verwandten mit einer Selbstverständlichkeit Ungarisch, Slowakisch, Deutsch, Italienisch und Französisch gesprochen haben. Die sprachliche Beweglichkeit war auffallend und wurde mit großer Selbstverständlichkeit gelebt … alles andere waren Erzählungen und keine Realität für mich.
- Das heißt, es gibt keine Pálffys mehr in Bratislava?
- Meine Familie lebt verstreut zwischen London, Montreal, Paris und Genf. Ich bin der Letzte, der noch in Ungarn geboren wurde. Ich glaube, das sagt genug.
- Jabornegg & Pálffy hat sich immer schon mit städtebaulichen Aspekten in der Architektur auseinandergesetzt. Wie ist die allgemeine -Situation in Bratislava?
- Zwei Ebenen und zwei Geschwindigkeiten, würde ich sagen. Die eine Geschwindigkeit ist system-immanent und besteht seit 20 oder 30 Jahren. Die zweite ist eine neue Geschwindigkeit, die der einer „New Economy“ entspricht. Beide existieren parallel, bilden sich im Stadtbild entsprechend ab und beinhalten potenziellen Konfliktstoff.

- Und die neuere junge Architekturszene?
- Interessant! Besondere Bauten findet man dort wie überall anders auch. Talent und Umsetzung haben keine geografische Bestimmung.
- Als Präsident der Secession stellen Sie sozusagen auch ein Bindeglied zwischen Kunst und Architektur dar. Passiert eine architektonische Auseinandersetzung im Kunstkontext?
- Sie geht von den sechziger, siebziger Jahren aus, wo Architekten ins Museum gegangen sind, weil sich eine neuere Architekturpraxis außerhalb nicht postulieren konnte. Das passiert natürlich immer noch. Man muss nur auf die heurige Architektur-Biennale blicken. Die Architekten von Pauhof als österreichischer Beitrag haben diese Konstante seit Jahren in ihrem Werk. In Bratislava bin ich noch nicht auf eine solche Form der Auseinandersetzung gestoßen, aber ich bin überzeugt, dass sie als eine Form des räumlichen Verständnisses genauso existiert.
- Und wie wird mit der Geschichte, mit dem Erhalten von Baugeschichte umgegangen? Sie haben die Nachkriegsmoderne erwähnt.
- Das Ausstellungshaus der Moderne von Vladimír Dedeček aus den sechziger Jahren ist ein besonderer Bau in Bratislava. Diese außergewöhnliche Qualität der Architektur zeigt eine Eigenständigkeit jenseits von Mode und Politik. Ich habe aber den Eindruck, dass die Anerkennung für dieses Gebäude fehlt. Vielleicht weil es in einem politischen Umfeld entstanden ist, mit dem man sich heute nicht mehr beschäftigen möchte. Jetzt wird damit eher lieblos umgegangen, was ich sehr bedauerlich finde. Es ist Zeit und eine gewisse Hartnäckigkeit vonnöten, um diese Leistungen wieder zu manifestieren. Das war in Wien vor 20 Jahren mit Adolf Loos und Josef Frank auch nicht wesentlich anders.
Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,Oktober 2008

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